Artikel 07/02/2017

Prostatektomie: Drohen Schwerbehinderung, Inkontinenz und Potenzstörungen?

Team jameda
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Der Arzt hat Ihnen eine Prostatektomie empfohlen und Sie fragen sich, wie der Tag danach aussieht und mit welchen Folgen Sie rechnen müssen? Lesen Sie in diesem Artikel alles über Methoden, Ablauf und Folgen der Operation.

Definition und Indikationen

Bei der Prostatektomie entfernt der Arzt einen Teil der Prostata, um eine gutartige Prostatavergrößerungen zu behandeln. Die komplette Entfernung ist dagegen bei Tumoren notwendig.

Bei einer radikalen Prostatektomie entfernt der Chirurg neben der Prostata auch die naheliegenden Samenblasen, die Prostatakapsel und in einigen Fällen auch Lymphknoten.

Allerdings kommt die radikale Prostatektomie zur Behandlung eines Tumors nur unter folgenden Voraussetzungen in Frage:

  • guter allgemeiner Gesundheitszustand
  • Lebenserwartung von mehr als zehn Jahren
  • der Krebs ist lokal begrenzt und hat ein mittleres oder hohes Progressionsrisiko
  • die vollständige Entfernung des Krebsgewebes ist durch die OP möglich
  • die OP-Risiken sind geringer als der erwartete Nutzen

Nach der Prostatektomie kann eine Bestrahlungstherapie hilfreich sein. Die Kombination beider Verfahren ist besonders dann hilfreich, wenn die Schnittränder der entfernten Prostata nicht frei von Krebszellen sind.

Wenn es schon Metastasen gibt, macht die Prostatektomie keinen Sinn mehr. Alternativ ist bei einigen metastasierten Prostatakarzinomen eine Bestrahlungstherapie möglich.

Methoden: Von offener OP bis zum minimal-invasiven Da-Vinci-Operationssystem

Bei der Prostataektomie erwartet Sie eine offene Operation oder ein minimal-invasives Verfahren.

Ein minimal-invasives Verfahren, auch „endoskopischer Eingriff“ genannt, beruht auf dem „Schlüsselloch-Prinzip“: Mehrere kleine Schnitte im unteren Bauchraum erlauben die Einführung der Operationsinstrumente und einer speziellen Kamera. Der Chirurg sieht die Organe und die Instrumente auf einem Bildschirm, um präzise operieren zu können.

Die endoskopische Entfernung der Prostata wurde in den letzten Jahren weiterentwickelt. Die neueste Innovation ist die Roboter-Assistenz. Medizintechniker der US-Armee entwickelten das  Da-Vinci Operationssystem in den 80er Jahren, um in Krisengebieten ferngesteuert operieren zu können.

Das Operationssystem besteht aus einer Konsole und einem Operationsroboter mit vier Armen. Der Chirurg sieht ein dreidimensionales und zehnfach vergrößertes Bild des Operationsfeldes und steuert den Roboter durch die Konsole millimetergenau.

Eine Teilentfernung der Prostata ist mit einer transurethralen Resektion der Prostata (TURP), mit einer bipolaren Plasmavaporisation oder mit Grünlicht-Laser möglich.

  • Bei einer TURP, auch ‚‚Prostata-Hobeln‘‘ genannt, führt der Chirurg ein Instrument durch die Harnröhre bis zur Prostata ein und entfernt den Teil des Prostatagewebes, der die Harnröhre einengt. ‚‚Geschnitten‘‘ wird nicht mit dem Skalpell, sondern mit elektrischem Strom.
  • Bei einer bipolaren Plasmavaporisation benutzt der Chirurg eine pilzförmige Elektrode, die umgeben von einer Kochsalzlösung einen flächigen Plasmastrahl erzeugt. Der Plasmastrahl bringt das Prostatagewebe zum ‚‚Verdampfen‘‘.
  • Das ‚‚Verdampfen‘‘ des Prostatagewebes ist auch mit Grünlicht-Laser möglich. Das Lasergerät wird auch in diesem Fall durch die Harnröhre eingeführt und heizt gezielt das störende Prostatagewebe auf.

Wie läuft eine Prostatektomie ab?

Für eine offene radikale Prostatektomie gibt es zwei unterschiedliche Zugangswege:

  • Bei der radikalen ,retropubischen‘‘ Prostatektomie beginnt die Operation mit einem Schnitt am Unterbauch oberhalb des Schambeins.
  • Bei der radikalen ,perinealen‘‘ Prostatektomie operiert der Arzt von unten durch einen Schnitt am Damm, dem Bereich zwischen Hodensack und Anus.

Eine radikale ,retropubische‘‘ Prostatektomie wird unter Vollnarkose durchgeführt – Schmerzen müssen Sie nicht befürchten. Die OP dauert ungefähr 2 - 3 Stunden. Nachdem der Chirurg den Unterbauch aufgeschnitten hat, entnimmt er erst Lymphknoten, die sofort feingeweblich untersucht werden. Dann entfernt er die Prostata mit der Prostatakapsel, die Samenblasen und eventuell weitere Lymphknoten.  Anschließend vernäht er die Harnröhre mit dem Blasenhals, legt Wunddrainagen ein und verschließt den Hautschnitt.

Die Erfolgsaussichten der OP hängen größtenteils vom Ergebnis der histologischen Gewebeuntersuchung ab. Wenn keine Komplikationen auftreten, beträgt die stationäre Behandlung nach einer offenen OP 7 - 12 Tage, nach minimal-invasiven Verfahren sind es 5 - 8 Tage. Nach 6, maximal 12 Wochen sind die Wunden geheilt.

Die Kosten einer Prostatektomie werden in der Regel von den Krankenkassen übernommen, wenn der Überweisungsgrund mit den medizinischen Leitlinien übereinstimmt. Es ist immer ratsam, sich mit der Krankenkasse in Verbindung zu setzten, um vorab die Leistungen zu klären und zu sichern. Trotz der hohen Kosten des roboterassistierten Da-Vinci Verfahrens verlangen die meisten Krankenversicherungen keine Zuzahlung.

Risiken und Folgen der OP

Folgen unmittelbar nach der Prostatektomie

Wie nach jeder Operation ist auch eine radikale Prostatektomie mit allgemeinen Operationsrisiken verbunden. Dazu gehören  zum Beispiel Thrombosen, Embolien, Lungenentzündungen, Blutungen oder Wundheilstörungen. Diese Komplikationen sind selten und werden stationär vorgebeugt oder behandelt.

Dauer der Arbeitsunfähigkeit

Wie lange Sie arbeitsunfähig sein werden, ist nicht genau vorhersehbar. Ihr Arzt wird Sie beraten, nachdem er Ihren individuellen Heilungsverlauf eingeschätzt hat. Ihr Beruf und die körperlichen Ansprüche bei der Arbeit spielen dabei eine wichtige Rolle.

Die meisten Patienten sind mindestens sechs Wochen krankgeschrieben. Wenn Ihr Beruf körperlich anstrengend ist, dann werden Sie frühestens 12 Wochen nach der Operation wieder arbeitsfähig sein.

Impotenz und Inkontinenz

Die wichtigsten Folgen einer Prostatektomie sind die Inkontinenz und die Impotenz. Nachdem der Blasenkatheter entfernt wird, können die meisten Männer den Urin nicht halten. In vielen Fällen verbessert sich die Harnkontrolle nach den ersten Wochen oder Monaten. Darüber hinaus können die meisten Männer nach einer Prostatektomie keine Erektion mehr bekommen oder halten.

Das Risiko für Impotenz und Inkontinenz hängt von der Art und dem Umfang der Operation ab. Wenn die Prostata nur teilweise entfernt wird,  ist das Inkontinenz- und Impotenzrisiko geringer. Darüber hinaus ist es wichtig, ob der Chirurg nervenschonend operieren kann oder nicht.

In unmittelbaren Nähe der Prostata verlaufen wichtige Nervenbahnen. Manchmal ist es möglich, die Nervenbahnen währen der Operation zu schonen. Wenn sich aber der Tumor ungünstig ausgebreitet hat, hat der Arzt keine andere Wahl und muss die Nervenbahnen  durchtrennen. In diesem Fall ist das Impotenz- und Inkontinenzrisiko höher.

Basierend auf relevanten Studienergebnissen leiden 70 - 80 Prozent der Operierten an Erektionsstörungen und 3 - 16 Prozent an Inkontinenz. Es gibt jedoch Medikamente und andere Therapiemöglichkeiten, die Ihnen helfen können, die Probleme zu beheben. Eine bedeutende Rolle spielen dabei spezielle Beckenbodenübungen.

Zur Behandlung der Inkontinenz ist die operative Einpflanzung eines künstlichen Schließmuskels möglich. Künstliche Schließmuskeln sind sehr effektiv und können ein Jahr nach der radikalen Prostatektomie eingesetzt werden.

Zur Behandlung der Impotenz gibt es mehrere Möglichkeiten:

  • Medikamentöse Therapie: Phosphodiesterase-5-Inhibitoren führen zu einer Verstärkung der Erektion.
  • Schwellkörperautoinjektionstherapie: Es handelt sich um gefäßerweiternde Medikamente, die eine Erektion auslösen und vom Patienten selbst in den Schwellkörper gespritzt werden.
  • Eine spezielle Vakuumpumpe ermöglicht die mechanische Wiederherstellung der Gliedsteife.
  • Die operative Einpflanzung einer Penisprothese ist auch möglich.

Weitere Folgen einer Prostatektomie sind:

  • Verkürzung des Penis
  • Verengung des Blasenhalses, die zu Problemen beim Wasserlassen führt
  • Stuhlinkontinenz bei perinealem Zugang
  • Verletzungen im Enddarm
  • vorübergehende Nervenschädigung in den Beinen
  • Schwellungen im Genitalbereich und an den Beinen wegen der Entfernung der Lymphknoten

Rezidiv

Eine radikale Prostatektomie ist keine Garantie einer entgültigen Heilung des Prostatakrebses. Bei drei von zehn operierten Männern trit der Krebs wieder auf, entweder am Ort der Operation oder in anderen Körperregionen in Form von Metastasen.

Meistens steigen die PSA-Werte an, wenn sich erneut ein Tumor bildet.  Deswegen ist es nach einer Prostatektomie sehr wichtig, die PSA-Werte regelmäßig überprüfen zu lassen.

Die Nachsorge beginnt spätestens 12 Wochen nach der OP und findet alle 3 Monate in den ersten beiden Jahren statt. Im dritten und vierten Jahr ist die Nachsorge halbjährlich und ab dem fünften Jahr alle 12 Monate angesagt. Ein Rezidiv ist möglich, wenn der PSA-Wert in zwei Messungen auf mehr als 0,2 ng/ml ansteigt.

Schwerbehinderung

Einige Fälle von Prostatakrebs stuft das Schwerbehindertenrecht mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 ein. Schwerbehinderte sind aus gesetzlicher Sicht besonders geschützt.

Die Privilegien beinhalten einen besonderen arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz, zusätzlichen bezahlten Urlaub, Steuererleichterungen, unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Verkehr, Parkerleichterungen, Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht und Anspruch auf Berufsunfähigkeits- oder Erwerbsunfähigkeitsrente.

So verhalten Sie sich nach der OP

Der Ablauf der Nachbehandlung hängt von Ihrem individuellen Heilungsverlauf ab. Oft sind eine Rehabilitation und die Anwendung folgender Maßnahmen hilfreich:

Darüber hinaus sollten Sie Radfahren vermeiden und Ihre Nachuntersuchungen regelmäßig wahrnehmen.

Wie jede Operation ist auch die Prostatektomie mit Risiken verbunden. Sollte Ihr Arzt Ihnen diesen Eingriff empfohlen haben, hat er einen guten Grund dafür. Das heißt, der Nutzen der OP  ist bestimmt größer als die damit verbundenen Risiken. Die Folgen einer Prostatektomie sind unangenehm, lassen sich aber in der Regel mit modernen Maßnahmen verbessern.

Quellen:

  • Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V; Hrsg. Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms. Version 1.00, September 2009.

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  • Bauer, R. M., et al.: Harninkontinenz nach radikaler Prostatektomie. Urologe 2009; 48: 1044-1049.

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  • Mathers, M. J., et al.: Ist eine Rehabilitation der erektilen Funktion nach beckenchirurgischen Eingriffen sinnvoll? Literaturübersicht vom Sport bis zur PDE-5-Inhibitoren-Gabe. Urologe 2008; 47: 685-692.

  • Zellner, M.: S3-Leitlinie Prostatakarzinom. Anschlussrehabilitation im fachspezifisch urologischen Blick. Im Focus Onkologie 2011; 3: 45-51

  • Zermann, D.-H.: Der Patient nach radikaler Prostatektomie. Leistungsumfang und Leistungsfähigkeit der stationären urologischen Rehabilitation. Urologe 2011; 50: 425-432. Zermann, D.-H.: Rehabilitation der Schwellkörperfunktion nach radikalen uroonkologischen Eingriffen. Urologe 2008; 47: 693-698.

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