Artikel 16/09/2017

Lähmung, Kopfschmerz, Verwirrung: Ursachen, Symptome und Therapie des Schlaganfalls

Team jameda
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Schlaganfälle sind die dritthäufigste Todesursache in Deutschland und beeinträchtigen die Lebensqualität vieler Überlebender enorm: bleibende Lähmungen, Sprach- oder Bewusstseinsstörungen plagen Erkrankte und Angehörige ein Leben lang. Dabei sind die meisten Risikofaktoren positiv beeinflussbar. Lesen hier, wer ein hohes Risiko hat, welche Warnsymptome Sie kennen sollten, welcher Arzt der richtige Ansprechpartner ist und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt.

Definition: Schlaganfall als häufigste Ursache einer bleibenden Behinderung

Das Gehirn ist sehr komplex. Jeder Bereich ist zuständig für bestimmte Funktionen, zum Beispiel für Bewegung, Sprache und Einordnung visueller Signale. Bei einem Schlaganfall fallen einige dieser Funktionen plötzlich aus, was auf eine mangelnde Blut- und Sauerstoffversorgung des Gehirns zurückzuführen ist.

In Deutschland erleiden jedes Jahr ungefähr 250.000 Menschen erstmalig einen Schlaganfall. Davon sterben 15 Prozent innerhalb von vier Wochen und 37 Prozent innerhalb eines Jahres. Somit ist der Schlaganfall die dritthäufigste Todesursache und der häufigste Grund für eine bleibende Behinderung. Das Risiko eines Schlaganfalls steigt mit zunehmendem Alter, aber manchmal leiden auch Jugendliche darunter.

Ursachen: Verstopfung oder Platzen eines gehirnversorgenden Gefäßes

Ein Schlaganfall, auch Hirninfarkt oder Gehirnschlag genannt, entsteht in 80 Prozent der Fälle, wenn die Blutversorgung in einem oder mehreren Teilen des Gehirns wegen eines Gefäßverschlusses plötzlich unterbrochen wird. So entstehen ein akuter Sauerstoffmangel und Ausfälle der Gehirnfunktionen, weshalb Gehirnzellen absterben.

Rund um die absterbenden Zellen ist die Blutzufuhr reduziert und die Nachbarareale weisen eine Mangelfunktion auf. Sie können jedoch gerettet werden, wenn die Behandlung frühzeitig beginnt. Deswegen zählt jede Minute bei einem Schlaganfall. Tod oder lebenslange Behinderungen können nur durch schnelle und gezielte medizinische Hilfe verhindert werden.

Wird ein gehirnversorgendes Gefäß durch ein Blutgerinnsel verstopft, das aus dem Herzen oder einem anderen großem Gefäß eingeschwemmt wird, sprechen Ärzte von einer Embolie. Ist die Gefäßverstopfung wegen Arteriosklerose entstanden, liegt eine Thrombose vor. Geht es um ein größeres Gefäß, wie zum Beispiel die Halsschlagader, sprechen Experten von einer Makroangiopathie, wobei es sich bei kleineren Gefäßen um eine Mikroangiopathie handelt.

In 20 Prozent der Fälle verursacht eine Gehirnblutung den Schlaganfall. Das aus einem geplatzten Gefäß gesickerte Blut gerinnt und drückt auf Teile des Gehirns, was die Sauerstoffversorgung und die Gehirnfunktionen behindert. Darüber hinaus werden nachgeordnete Regionen nicht mehr mit Blut versorgt.

Gehirnversorgende Gefäße platzen entweder, weil sie durch chronischen Bluthochdruck geschädigt oder weil sie fehlgebildet sind.

Viele Risikofaktoren sind beeinflussbar!

  • Bluthochdruck: Die Kontrolle des Bluthochdrucks mit einer geeigneten Therapie reduziert das Schlaganfallrisiko um rund 40 Prozent.
  • Stoffwechselstörungen: Zum Beispiel hohe Blutfettwerte und die Zuckerkrankheit begünstigen einen Schlaganfall.
  • Herzrhythmusstörungen: Durch den unregelmäßigen Herzschlag bilden sich Blutklümpchen im Herzen, die dann in die Gefäße gepumpt werden und gehirnversorgende Gefäße verstopfen.
  • Schlafapnoe-Syndrom: Atemstillstände während des Schlafs führen zu einer eingeschränkten Sauerstoffversorgung und zu einem Anstieg des Kohlendioxidgehalts des Blutes.
  • Männliches Geschlecht: Männer sind bis zu 30 Prozent häufiger betroffen als Frauen.
  • Alter: Ab dem 55. Lebensjahr verdoppelt sich das Schlaganfall-Risiko pro Lebensjahrzehnt.
  • Genetische Veranlagung: Schlaganfalle in der Familie, insbesondere vor dem 55. Lebensjahr, erhöhen das Schlaganfallrisiko für Angehörige.
  • Weitere Risikofaktoren: Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum, Übergewicht, zu viel Stress

Tatsächlich sind die meisten Risikofaktoren beeinflussbar, so dass Sie gut vorbeugen können. Geschlecht, Alter und genetische Veranlagung kann man zwar nicht ändern, aber mit Hilfe Ihres Arztes können Sie Bluthochdruck, nächtliche Atemaussetzer, Stoffwechselstörungen, Herzrhythmusstörungen, Stress und Übergewicht im Griff behalten. Selbstverständlich liegt es auch in Ihrer Hand, auf Rauchen und Alkoholkonsum zu verzichten.

Warnsignale, Symptome und Folgeerkrankungen

Warnsignale

Ist ein gehirnversorgendes Gefäß kritisch eingeengt und nicht komplett verstopft, verursacht es Beschwerden, die spätestens nach 24 Stunden wieder verschwinden. Sie können auch nur ein paar Minuten dauern, gelten als Warnsignale und werden von Experten ,Transitorische ischämische Attacken‘‘, TIAs, genannt. Die Warnsignale eines Schlaganfalls sind zwar beängstigend, bieten aber auch die Möglichkeit, einen schweren Ausbruch der Erkrankung zu verhindern, indem TIAs sofort behandelt werden.

Es handelt sich um vorübergehende, plötzliche Lähmungserscheinungen einer Körperhälfte oder halbseitige Empfindungsstörungen wie Kribbeln auf der Haut oder Taubheitsgefühle. Auch Kribbeln oder Stechen im Kopf, ein Arm, der eingeschlafen oder taub ist, das Gefühl, dass die Zunge taub ist oder Lallen sind mögliche Hinweise auf eine TIA.

Die Deutsche Schlaganfall-Stiftung warnt vor den fünf wichtigsten Symptomen einer TIA:

  • Schwindel mit Gangunsicherheit
  • plötzliche sehr starke Kopfschmerzen
  • Sehstörung, wie zum Beispiel die Erblindung eines Auges für ein paar Minuten
  • Sprach- oder Sprachverständnisstörung
  • Lähmung einer Körperhälfte oder Taubheitsgefühl

Fast 50 Prozent der Menschen mit einer TIA erleiden danach einen Schlaganfall. Deswegen ist die Abklärung und Behandlung dringend nötig. Aber die Betroffenen unterschätzten die Warnsymptome leider zu oft!

Schlaganfallsymptome

Beim Schlaganfall sind die Symptome ausgeprägter als bei einer TIA und sie bilden sich nicht mehr von selbst zurück. Je nach der genauen Lokalisation des Schadens treten unterschiedliche Symptome plötzlich auf, wie zum Beispiel:

  • Sehstörung auf einem oder beiden Augen und einseitige Pupillenerweiterung
  • fehlende Wahrnehmung eines Teils der Umwelt oder des eigenen Körpers
  • plötzliche Schwäche, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen
  • Gangstörung, Gleichgewichts- oder Koordinationsstörung
  • Taubheitsgefühl
  • Lähmung oder Schwäche im Gesicht mit herabhängendem Mundwinkel und Unfähigkeit zu lächeln
  • Lähmung oder Schwäche eines Arms, Beins oder einer ganzen Körperhälfte, wobei die betroffene Seite keine Berührungen, Temperaturunterschiede, Hitzegefühle oder Schmerzen empfindet
  • Verwirrung, Sprach- oder Wortfindungs-, Schrift- oder Verständnisstörung
  • Schluckstörungen
  • Orientierungsstörungen
  • Bewusstlosigkeit
  • Harninkontinenz
  • starke Kopfschmerzen und entgleister Blutdruck
  • Nackensteife

Die akuten Symptome lassen nicht zwischen Hirnblutung oder Hirninfarkt unterscheiden, wobei starke Kopfschmerzen und eine Nackensteife eher eine Hirnblutung andeuten.

Die sogenannte ,Cincinnati Prehospital Stroke Scale‘‘, CPSS, ist ein einfacher Test zur Erkennung eines Schlaganfalls, der aus drei Schritten besteht:

  • Wenn der Betroffene gebeten wird zu lächeln, kann er das nicht, weil eine Gesichtshälfte gelähmt ist.
  • Wenn der Untersuchende die Hände des Betroffen nimmt und ihn bittet, Druck auszuüben, fällt eine Druckdifferenz zwischen den beiden Seiten auf.
  • Die Aussprache des Betroffenen ist undeutlich und langsam.

Folgeerkrankungen

Es gibt praktisch keinen Schlaganfall ohne Folgen und viele enden tödlich. Betroffene, die einen Schlaganfall überlebt haben, müssen lebenslang mit einer oder mehreren bleibenden Schäden kämpfen, wie zum Beispiel:

  • Schwindel, Gleichgewichtsstörungen und Lähmungen, die von leichter Gangunsicherheit bis hin zur kompletten Halbseitenlähmung reichen
  • Sehstörungen, wie zum Beispiel halbseitige Gesichtsfeldausfälle, Doppeltsehen oder ein verengtes Blickfeld
  • Chronische Schluckstörungen betreffen ungefähr 25 Prozent der Betroffenen und werden durch Lähmungen der Zungen- und Gaumenmuskulatur verursacht.
  • Weitere bleibende Schäden eines Schlaganfalls sind unter anderem Sprach- und Gedächtnisstörungen, Depressionen und andere psychische Störungen, Verwirrtheit, Inkontinenz und eine erhöhte Anfälligkeit für Lungenentzündungen.

Diagnose so schnell wie möglich stellen lassen!

Es ist wichtig, dass der Betroffene so schnell wie möglich von einem Neurologen untersucht wird, der Symptome und klinische Befunde richtig interpretieren kann.

Folgende Tests sind bei einem Schlaganfall hilfreich:

  • Bildgebende Verfahren, wie eine Computer- oder eine Kernspintomografie des Kopfes, helfen dem Arzt zu beurteilen, ob ein verstopftes oder ein geplatztes Gefäß den Schlaganfall verursacht hat.
  • Ultraschalluntersuchungen der Hals- und Kopfarterien dienen der Lokalisation der kritischen Gefäßverstopfung und der Beurteilung dessen Folgen auf den Blutfluss.
  • Das EKG oder das Langzeit-EKG und die Ultraschalluntersuchung des Herzens sind zur Beurteilung von Herzrhythmusstörungen und anderen Herzerkrankungen wichtig.
  • Es werden Blutuntersuchungen gemacht, die Gerinnungsstörungen aufdecken sowie Blutzuckerwerte und andere Parameter feststellen lassen.
  • Die quantitative Natrium-Magnetresonanztomografie ist eine relativ neue Messmethode, die das Ausmaß der Schädigung von Hirngewebe zeigt, was für eine individuell angepasste Behandlung hilfreich ist.

Therapie: je schneller, desto besser

Erste Hilfe

Bei Verdacht auf Schlaganfall kann richtiges und schnelles Handeln Leben retten. Je weniger Zeit zwischen dem Schlaganfall und der Behandlung vergeht, desto besser sind die Überlebenschancen des Betroffenen. Folgende Punkte sind wichtig, wenn eine Person in Ihrer Umgebung einen Schlaganfall erleidet:

  • Setzen Sie einen Notruf ab und wählen Sie sofort die 112. Sagen Sie, dass Verdacht auf Schlaganfall besteht, und beschreiben Sie, wo genau der Betroffene zu finden ist.
  • Bleiben Sie bei dem Betroffenen und versuchen Sie ihn zu beruhigen, bis der Rettungswagen kommt.
  • Lockern Sie enge Kleidung und entfernen Sie Zahnprothesen, falls vorhanden.
  • Ist der Betroffene bewusstlos, versuchen Sie ihn in die Seitenlage zu bringen.

Akuttherapie

Die Akuttherapie des Schlaganfalls wird stationär durchgeführt, am besten in spezialisierten Schlaganfall-Behandlungsstationen, den sogenannten ,Stroke-Units‘‘, in denen Neurologen, Internisten, Radiologen, Neuro- und Gefäßchirurgen rund um die Uhr anzutreffen sind. Die Einführung der Stroke-Units hat die Sterblichkeit und das Ausmaß der Behinderung nach einem Schlaganfall reduziert.

Die wichtigsten Maßnahmen der Akuttherapie sind:

  • Die Stabilisierung der Vitalfunktionen des Patienten, wie zum Beispiel die Sauerstoffzufuhr oder die künstliche Beatmung, die Blutdruck-, Herzrhythmus- und Blutzuckerkontrolle, die Behandlung epileptischer Anfälle oder einer Gehirnschwellung und die künstliche Ernährung.
  • Bei einer Hirnblutung oder -schwellung ist manchmal eine Not-OP erforderlich.
  • Bei einer Gefäßverstopfung ist die Wiedereröffnung des Gefäßverschlusses wichtig, der den Schlaganfall verursacht hat, entweder medikamentös, mit einer Lysetherapie oder aber mit einem Katheter. Die Lysetherapie wird nur in Stroke-Units angewendet und wirkt nur, wenn sie in den ersten viereinhalb Stunden nach Auftreten der Symptome durchgeführt wird.

Rehabilitation

Ist der Allgemeinzustand des Patienten stabilisiert, geht es schon mit der Reha los, damit der Patient so selbstständig wie möglich wird und seine Lebensqualität wieder steigt. Folgende Maßnahmen werden je nach Schweregrad des Schlaganfalls und je nach Folgeerkrankungen angewendet:

  • Physiotherapie: Der Patient erlernt mit speziellen Übungen und gegebenfalls mit musikunterstütztem Training ausgefallene Bewegungsabläufe von Neuem. Auch der Umgang mit Hilfsmitteln, wie Stöcken und Rollstühlen, wird den Betroffenen beigebracht.
  • Logopädie: Der Patient lernt mit bewährten Therapiemethoden wieder zu sprechen. Dabei werden alle Aspekte der Sprache berücksichtigt, wie zum Beispiel Sprechen, Verstehen, Lesen und Schreiben. In einigen Fällen hilft die Musiktherapie, wobei der Betroffene durch Singen einen Zugang zu seinen noch verbliebenen Stimmresten findet.
  • Reha-Sehtraining: Speziell ausgebildete Orthoptisten versuchen durch visuelle Stimulation und visuelles Mobilisieren eine Verbesserung der Sehqualität und -quantität zu erzielen, insbesondere bei Gesichtsfelddefekten.
  • Bewältigung der Schluckstörungen: Schluckgestörte Patienten lernen, wie sie am besten mit dem Problem umgehen. Lebensmittel mit gleichmäßiger Konsistenz und pürierte Speisen können beispielsweise helfen.
  • Psychologische Unterstützung und Selbsthilfe-Maßnahmen: Psychologen bringen den Patienten bei, wie sie den Schock des Schlaganfalls und der Folgeerkrankungen verarbeiten können.
  • Ergotherapie: Der Betroffene arbeitet mit verschiedenen Verfahren, wie zum Beispiel Malen oder freiem Werken, so dass er seine Grob- und Feinmotorik sowie die Koordination der Bewegungen trainiert. Darüber hinaus übt er mit Gedächtnis- und Konzentrationstraining, das auch von psychischen Spannungen entlastet und die Wahrnehmung der Sinnesbereiche sowie die sozial-kommunikative Fähigkeiten fördert.
  • Sekundäre Prävention: Der Patient lernt alles, was er braucht, um einen Rückfall zu verhindern, indem er seine Risikofaktoren kontrolliert, wie zum Beispiel mit Ernährungsberatung und der richtigen Medikamenten-Einstellung.

Fazit

Das Gehirn ist die Steuerungszentrale der wichtigsten Körperfunktionen. Bleibt die Blut- und Sauerstoffversorgung eines Gehirnareals aus, sterben Gehirnzellen ab und die dazugehörenden Funktionen stagnieren. Das passiert bei einem Schlaganfall, entweder weil ein gehirnversorgendes Gefäß platzt oder weil es verstopft. 15 Prozent der Schlaganfälle enden innerhalb von vier Wochen tödlich. Überlebende müssen mit schwerwiegenden Folgeerkrankungen ein Leben lang klar kommen und mit einer beeinträchtigten Lebensqualität rechnen. Schnelles und gezieltes Handeln bei Schlaganfallsymptomen kann Leben retten und Komplikationen vermindern. Je früher die Therapie beginnt, desto besser für den Betroffenen, weil der Untergang von Hirnzellen und irreversible Schädigungen in den ersten 4,5 Stunden vermieden werden können. Jede Minute zählt!

Links

Kompetenznetz Schlaganfall
Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe
Deutscher Hausärzteverband
Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin
Berufsverband Deutscher Internisten
Deutsche Gesellschaft für Internistische Notfallmedizin
[Deutsche Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz- und Kreislauferkrankungen

](http://www.dgpr.de/home.html)

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