Team jameda
Von den rund 160 bekannten Kopfschmerzarten ist Clusterkopfschmerz die stärkste. Die meist wiederkehrenden Attacken stellen für die Betroffenen eine hochgradige körperliche und psychische Belastung dar. Im amerikanischen Sprachraum wird daher auch von „Suicide Headache“ gesprochen, und auch bei uns fand der Begriff „Selbstmordkopfschmerz“ Eingang in den Sprachgebrauch. Die Mehrzahl der circa 100.000 Betroffenen in Deutschland sind Männer und die Erkrankung tritt häufig im Alter von 20 bis 40 Jahren das erste Mal auf. Zwar sind die genauen Ursachen des Leidens nicht bekannt, doch kann man von einer gewissen erblichen Belastung ausgehen. Es gibt eine saisonale Abhängigkeit, wie gehäuftes Auftreten von Schmerzphasen im Frühjahr und Herbst, was zum Namen Cluster (Häufung) geführt hat. Auch kommt es öfter nachts und in den frühen Morgenstunden zu den Attacken. Es gib zwei Arten von Clusterkopfschmerz: Der episodische, unter dem 85 Prozent der Betroffenen leiden, und der chronische, bei der schmerzfreie Phasen selten sind oder sogar ganz ausblieben.
Auch wenn die genauen pathophysiologischen Abläufe der Schmerzattacken nicht bekannt sind, weiß man heute, dass Clusterattacken im Hypothalamus beginnen. Die von diesem Areal ausgehenden Nervenbahnen lösen eine schmerzhafte Entzündung der Gefäße der Hirnhaut aus. Über den Trigeminuskern erreichen die schmerzhaften Impulse das Gehirn. Bei manchen Menschen können Trigger wie Alkohol, histaminhaltige Lebensmittel, Blendlicht und organische Lösungsmittel das Auslösen von Attacken begünstigen.
Clusterkopfschmerz ist immer einseitig in der Umgebung des Auges angesiedelt. Innerhalb von Minuten erreichen die als unerträglich beschriebenen stechenden oder bohrenden Schmerzen ihre volle Intensität. Eine Attacke dauert zwischen 15 Minuten und drei Stunden. Auch ihre Frequenz ist schwankend: Manche Menschen leiden achtmal täglich unter Schmerzattacken, bei anderen treten sie nur jeden zweiten Tag auf. Typische Begleiterscheinungen sind eine Augenrötung, begleitet von Tränenfluss sowie einer laufenden Nase, Schwitzen und starke körperliche Unruhe. Obwohl die Symptome recht eindeutig sind, dauert es bis zu sieben Jahren, bis die richtige Diagnose gestellt wird. Hauptsächlicher Grund dafür ist die mangelnde Bekanntheit der Erkrankung.
Zur Behandlung von Clusterkopfschmerzen stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung. Zu den Akutmedikamenten gehören die beiden Migränemittel Sumatriptan (als Spritzen unter die Haut) und Zolmitriptan (als Nasenspray). Bei 70 Prozent der Betroffenen wirkt auch die Inhalation von Sauerstoff über eine Gesichtsmaske. Zur Vorbeugung von Kopfschmerzattacken sowie bei der chronischen Form werden Verapamil, Lithium, Topiramat, Pregabalin und Gabapentin mit unterschiedlicher Wirksamkeit und zum Teil schlechter Verträglichkeit eingesetzt.
Die nicht-medikamentösen Verfahren gehören in den Bereich Neuromodulation, wo gezielt für die Schmerzen verantwortliche Zentren im Kopfbereich angesteuert werden. Ein Beispiel ist die okzipitale Nervenstimulation (ONS), bei der mittels einer in die Kopfhaut implantierten Sonde der Okzipitalnerv blockiert wird. Circa 50 Prozent der Patienten sprechen auf diese Therapie an. Seit Jahrzehnten gibt es medizinische Verfahren, die am Ganglion sphenopalatinum (SPG) ansetzen, einem Nervenbündel, das sich seitlich hinter der Nasenhöhle befindet und bei der Auslösung der schmerzhaften Entzündung eine zentrale Rolle spielt. Zwar erzielten einige der älteren Therapien eine Blockade der Schmerzleitung, doch gingen diese häufig mit einer schmerzhaften Schädigung des Oberkiefernervs einher. Seit Anfang 2013 steht erstmals eine Therapie zur Verfügung, mit der es gelingt, das Nervenbündel vorübergehend auszuschalten ohne es zu schädigen: Die SPG-Stimulationstherapie. Das System besteht aus einem Mikrochip und einer Fernbedienung. Der circa mandelgroße Chip wird dem Patienten während eines kurzen Eingriffs über einen Einschnitt im Zahnfleisch eingesetzt und vom Arzt programmiert. Im Anschluss kann der Patient die Therapie selbst steuern. Sobald eine Clusterattacke auftritt, hält er die Fernbedienung an die Wange: Sie stimuliert den Chip, und die Attacke ebbt ab. Die bislang gesammelten Erfahrungen zu SPG-Stimulationstherapie sind gut und zeigen, dass sie zwei von drei Patienten hilft. Und zwar in zweierlei Hinsicht: Sie beendet die Schmerzattacke in der akuten Phase, kann aber auch präventiv das Entstehen neuer Attacken verhindern.
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