Team jameda
Beckenschmerzen werden als Schmerzen im Bereich unterhalb des Bauchnabels und oberhalb der Beine wahrgenommen.
Die Symptome können individuell sehr unterschiedlich ausfallen. Dabei können die Beschwerden diffus und dumpf sein, manchmal auch stechend, krampfartig oder wellenartig in der Intensität schwankend.
Der Schmerz kann ein- und beidseitig auftreten und oft strahlen sie in die Leiste, Hoden, Beine oder Gesäß aus. Häufig sind die Schmerzen nicht eindeutig lokalisierbar. Die Symptome können sowohl bei Männern als auch Frauen auftreten.
Wenn die Beckenbeschwerden in einem Zeitraum von über sechs Monaten immer wieder auftreten, werden sie als chronische Beckenschmerzen bezeichnet. Hierfür ist es nicht erforderlich, dass die Beckenschmerzen dauerhaft oder jeden Tag verspürt werden.
Vor der Diagnose eines cBBS müssen vorher andere ursächliche krankhaften Veränderungen im Becken wie Gewächse und Entzündungen ausgeschlossen werden.
Typisch sind die phasenweise auftretende Beschwerden über Tage oder Wochen mit anhaltenden Missempfindungen (Druck, Ziehen, oder Brennen) im Bereich des Beckens/Unterbauches, die in die Leisten/Hoden sowie in die Oberschenkelinnenseite ausstrahlen können.
Nicht selten sind die Hoden druckempfindlich. Charakteristisch ist ferner die Ausstrahlung der brennend oder stechend beschriebenen Schmerzen – meist unabhängig vom Wasserlassen – bis in die Penisspitze.
Weiterhin kann sich der Schmerz im Dammbereich (zwischen After und Hodenansatz) als Druck oder Fremdkörpergefühl bemerkbar machen. Das Beschwerdebild kann alle oder nur einzelne der oben beschriebenen Symptome beinhalten.
Meist treten die Beschwerden bewegungsunabhängig in Ruhe auf (sitzen, liegen, stehen). Bei körperlicher Anstrengung verschwinden sie häufig, solange kein Druck auf die Hoden oder Dammregion ausgeübt wird („Fahrradfahren“).
Manchmal projizieren sich die Missempfindungen in die Blase und Harnröhre und werden als Harndrang fehlgedeutet. Die Betroffenen versuchen dieses irritierende Gefühl durch ständiges Wasserlassen loszuwerden, was jeweils aber nur eine kurze Erleichterung bringt. Kennzeichnend sind auch die Beschwerden während der Kohabitation und dem Orgasmus/Ejakulation.
Da die Beschwerden stark wechselnd sind und häufig mit Miktionsauffälligkeiten einhergehen, erhalten nicht alle Betroffene einer korrekten Diagnose. Häufig werden wiederholte antibiotische Therapien unter dem Verdacht einer chronisch-rezidivierenden Infektion von Prostata oder Harnblase durchgeführt.
Die diagnostische Schärfe zwischen bakterieller und nicht bakterieller Prostataentzündung und dem nichtentzündlichen cBSS ist nicht vorhanden. In einer repräsentativen deutschen Bevölkerungsstichprobe (2012) wurde ein Anteil urogenitaler Schmerzen bezogen auf einen einwöchigen Zeitraum mit 9,6 % gefunden. In den USA (2013) wird der Anteil des cBSS mit 2-4 % angegeben.
Die der cBSS zugrunde liegenden pathophysiologischen Mechanismen sind unklar. Es werden aktuell verschiedene Ursachen diskutiert:
Man muss davon ausgehen, dass mehrere Faktoren eine Rolle spielen. Dabei können folgende Mechanismen beteiligt sein:
Die Beschwerden wie auch die vermutete Pathogenese umfassen sowohl im Unterbauch gelegene Organe und Strukturen als auch psychische Einflussfaktoren. Dieser Komplexität wird mithilfe eines multifaktoriellen Modells Rechnung getragen, das ein Zusammenspiel aus infektiologischen, urogenitalen, neurologischen und psychologischen Faktoren beachtet.
Mit dem „UPOINT“-System findet das eine konzeptionelle Umsetzung zur Klassifikation und ist in den aktuellen europäischen Leitlinien der urologischen Fachgesellschaft verankert (siehe Abbildung).
Die Diagnose ist letztlich eine Ausschlussdiagnose. Es müssen Erkrankungen der Beckenorgane wie Infektionen, Tumoren oder funktionelle Störungen ausgeschlossen werden.
Hierzu sind neben einer umfassenden Anamnese auch validierte Fragebögen hilfreich. Mikrobiologische und laborchemische Untersuchungen ergänzen die klinische Untersuchung neben einer Bildgebung der Beckenorgane.
Auch funktionelle Untersuchungen wie eine Harnstrahlmessung mit Restharnbestimmung oder Blasendruckmessung (Zystomanometrie) können zielführend sein. Grundsätzlich ist es sinnvoll, sich zur Untersuchung bei mit diesem Krankheitsbild vertrauten Ärzten vorzustellen.
Das „chronische Beckenschmerzsyndrom“ stellt für die Behandlung eine große Herausforderung dar. Funktionelle Beschwerden werden zunehmend als Auslöser diskutiert. Verschiedene somatische aber auch psychische Phänomene führen multifaktoriell zu den Beschwerden.
Die „eine“ gesicherte, evidenzbasierte Therapie existiert bis dato nicht. Vielmehr müssen unter Beachtung der potentiellen Beschwerdeauslöser und der Symptome, mehrschichtige und auf den Patienten individuell abgestimmte Therapiestrategien verfolgt werden.
Unmittelbare Wirkung zeigt Wärme (Wärmflasche/heißes Sitzbad/Sauna) und vermehrte Bewegung, wobei hier Druck auf den Damm (z. B. Fahrrad fahren) zu vermeiden ist. Wenn die Wärme die Beschwerden signifikant lindert, wird die Diagnose bestärkt.
Wenn sich die Beckenbodenmuskulatur überspannt, entstehen leicht Schmerzen ähnlich einem diffusen Ziehen der Nerven, nervalen Überreizungs- oder Druckgefühls sowie Brennens im Beckenbereich. All diese diffusen Störgefühle bis hin zu Schmerzen sind – wenn keine entzündlichen Prozesse vorliegen – häufig die Folge einer zu massiven Spannung der Beckenmuskulatur und der assoziierten Muskeln.
Durch gezielte myofasciale Muskel- und Dehntechniken lassen sich diese Probleme normalisieren. Gezieltes Erlernen der Entspannung der Beckenbodenmuskulatur gehört ebenso zur dieser Therapie. Die Behandlung sollte zu Beginn zwei bis drei Mal wöchentlich von einem Osteopathen durchgeführt werden. Im Verlauf der Behandlung erlernt der Patient Techniken und Übungen, um selbständig weiterzuarbeiten.
Entspannungstechniken (z. B. Yoga, oder Psychotherapie) und gezielte körperliche Aktivität (Physiotherapie) unterstützen den Therapieerfolg. Reizstromtherapie und Biofeedbackbehandlung können unterstützend bei einzelnen Patienten sinnvoll zum Einsatz kommen.
Pflanzliche Präparate enthalten einen Komplex aus Hyaluronsäure, Kürbissamen, Weihrauch und Sand-Strohblume. Angewendet wird das Medizinprodukt in Zäpfchenform.
Hyaluronsäure soll die Gewebeelastizität erhöhen und dadurch die Einwanderung von Zellen, wie Makrophagen und Fibroblasten, erleichtern. Sie sollen dafür sorgen, dass sich das das druck- und schmerzempfindliche Gewebe im Beckenbereich regenerieren kann.
Die lokale Therapie wird als initialer Behandlungszyklus für mindestens 30 Tage empfohlen. Es sollten pro Tag ein Zäpfchen bevorzugt abends vor dem Schlafengehen eingeführt werden.
Weiterhin können entzündungs- und schmerzhemmende Medikamente – sogenannte nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen, Diclofenac oder Etoricoxib – zeitweilig zur akuten Linderung der Beschwerden eingesetzt werden.
Es gibt Hinweise darauf, dass die Persönlichkeitsdimensionen und psychische Strukturen bei dem Krankheitsbild cBSS eine große Rolle spielen.
Insgesamt zeigten sich die cBSS-Patienten bei einer psychosomatischen Stichprobe (2015) hinsichtlich der gemessenen Persönlichkeitsaspekte nicht auffällig gegenüber den jeweiligen Normstichproben. Allerdings offenbart sich ein Zusammenhang zwischen der Steuerungsfähigkeit in Beziehungen sowie der subjektiven Schmerzwahrnehmung.
Diese Ergebnisse können die Betrachtungsweise des psychosozialen Faktors („P“ im UPOINT-System) mit Hinblick auf die psychodynamischen bzw. persönlichkeitsbezogenen Aspekte erweitern.
Insbesondere Subgruppen und Risikofaktoren müssen noch identifiziert werden, die dann für die Entwicklung von Indikationskriterien für eine spezifische psychologische Therapie genutzt werden können. Patienten mit cBSS können von einer Psychotherapie profitieren, insbesondere im Hinblick auf die subjektive Schmerzwahrnehmung.
Die Veröffentlichung dieser Inhalte durch jameda GmbH erfolgt mit ausdrücklicher Genehmigung der Autoren. Die Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und jede Art der Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtes bedürfen der schriftlichen Zustimmung der jeweiligen Autoren.
Die Inhalte der Experten Ratgeber ersetzen nicht die Konsultation von medizinischen Spezialisten. Wir empfehlen Ihnen dringend, bei Fragen zu Ihrer Gesundheit oder medizinischen Behandlung stets eine qualifizierte medizinische Fachperson zu konsultieren. Der Inhalt dieser Seite sowie die Texte, Grafiken, Bilder und sonstigen Materialien dienen ausschließlich Informationszwecken und ersetzen keine gesundheitlichen Diagnosen oder Behandlungen. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Meinungen, Schlussfolgerungen oder sonstige Informationen in den von Dritten verfassten Inhalten ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors darstellen und nicht notwendigerweise von jameda GmbH gebilligt werden. Wenn die jameda GmbH feststellt oder von anderen darauf hingewiesen wird, dass ein konkreter Inhalt eine zivil- oder strafrechtliche Verantwortlichkeit auslöst, wird sie die Inhalte prüfen und behält sich das Recht vor, diese zu entfernen. Eigene Inhalte auf unserer Website werden regelmäßig sorgfältig geprüft. Wir bemühen uns stets, unser Informationsangebot vollständig, inhaltlich richtig und aktuell anzubieten. Das Auftreten von Fehlern ist dennoch möglich, daher kann eine Garantie für die Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität nicht übernommen werden. Korrekturen oder Hinweise senden Sie bitte an experten-ratgeber@jameda.de.