Team jameda
jameda spricht mit Frau Dr. Birgit Gergelyfy, Internistin mit den Schwerpunkten Ernährungs- medizin, Gastroenterologie und Rheumatologie über das Thema Abnehmen mit dem Magenballon.
Frau Dr. Gergelyfy ist seit Januar 2009 als niedergelassene Ärztin tätig. Ihre Privatpraxis befindet sich in der Theatinerstraße in München, in Laufweite zum Marienplatz. Seit September 2009 ist sie Mitglied im MEDIPLEX Fachärztenetzwerk.
Liebe Frau Dr. Gergelyfy, Sie sind Expertin für Ernährungsmedizin. Übergewicht ist ein Thema, das viele angeht. In welchen Fällen empfehlen Sie Ihren Patientinnen und Patienten einen Magenballon?
Bei deutlichem Übergewicht handelt es sich nicht nur um ein kosmetisches, sondern auch ein echtes gesundheitliches Problem. Krankhaftes Übergewicht führt unter anderem zu Diabetes, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und als Spätfolge möglicherweise auch zu Herzinfarkt und Schlaganfall. Übergewicht verschlechtert bestehende Gelenk- und Wirbelsäulenerkrankungen. Was die meisten nicht wissen: Übergewicht ist auch ein eindeutiger Risikofaktor für die Entstehung vieler Krebserkrankungen. Zudem führt vermindertes Selbstwertgefühl zunehmend zu Depressionen und Problemen in Partnerschaft und Beruf.
Abnehmen über eine Diät bringt kurzfristigen Erfolg, reduziert das Gewicht aber oft nicht nachhaltig und frustriert in der Folge nicht selten durch den so genannten ‘Jo-Jo-Effekt’: Das Gewicht reduziert sich während der Diät, um sich danach (schnell) wieder in Höhe des Ausgangsgewichtes einzupendeln.
Der Magenballon ist eine realistische Hilfe für Menschen, die zu übergewichtig für eine alleinige Diät sind, aber noch kein Magenband oder einen anderen operativen Eingriff wie eine Magen-Bypass-Operation benötigen, um ihr Gewicht zu reduzieren. Man kann sagen, dass sie ca. 10 bis 25 – in Einzelfällen bis zu 35 – Kilo abnehmen müssten, um ihr Idealgewicht zu erreichen.
Mit welchem Ausgangsgewicht stellen sich Patientinnen oder Patienten bei Ihnen vor?
Das ist sehr unterschiedlich und stark abhängig davon, ob es sich um eine Patientin oder einen Patienten handelt, und natürlich davon, wie groß die Patienten sind. Eine gute Leitgröße ist der so genannte Body-Mass-Index (BMI). Der BMI setzt Körpergewicht und Körpergröße ins Verhältnis. Als untergewichtig gelten nach Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO Menschen mit einem BMI unter 18,5, als übergewichtig gelten Menschen, deren BMI über 25 liegt. Patienten mit einem BMI im Bereich zwischen 28 und 44 - in besonderen Fällen auch 26 bis 46 – sind grundsätzlich für den Magenballon geeignet.
Ist der Magenballon für jeden Patienten geeignet?
Grundsätzlich sollte vor dem Eingriff abgeklärt werden, ob der Magen gesund ist, also z. B. keine Ma-gengeschwüre vorliegen. Essstörungen wie Bulimie, schwere psychische Störungen, vorausgegangene Operationen oder Fehlbildungen an Speiseröhre und Magen, eine bestehende Schwangerschaft oder Alkohol- oder Drogenabhängigkeit sowie die Einnahme von Blutgerinnungshemmern/Blutverdünnern stellen Kontraindikationen dar. Im Einzelfall gibt es auch weitere Hinderungsgründe. Jeder Patient muss gründlich auf mögliche Risiken befragt und untersucht werden. Die Einnahme von Aspirin® oder so genannten nicht-steroidalen Antirheumatika wie Voltaren® stellen keine Kontraindikation dar; allerdings sollten sie unter Magenschutz eingenommen werden.
Wie muss man sich das Einsetzen des Magenballons vorstellen - ist das eine kleine Operation?
Der Magenballon aus dem Kunststoff Silikon wird ohne einen chirurgischen Eingriff im Magen platziert. Im Rahmen einer Magen- spiegelung wird der zunächst noch eng zusammengefaltete Ballon problemlos durch die Speiseröhre in den Magen eingeführt.
Sobald der Ballon in den Magen eingeführt ist, wird er mit steriler Kochsalzlösung aufgefüllt. In gefülltem Zustand ist der Ballon zu groß, um in den Darm oder die Speiseröhre zu wandern. Er sitzt knapp unterhalb des Mageneingangs. Je nach Patient variiert die Füllungsmenge zwischen 400 – 700 ml.
Ist eine Vollnarkose notwendig?
Eine Vollnarkose ist nicht nötig. Der Patient wird in einen kurzen Dämmerschlaf versetzt und ist schon kurz nach dem Eingriff wieder bei vollem Bewusstsein.
Verursacht der Eingriff Schmerzen?
Nein, durch die leichte Narkose ‘verschläft’ der Patient den kurzen Eingriff, so dass er von der ganzen Prozedur nichts mitbekommt.
Wie lange dauert der Eingriff?
Der Eingriff dauert ca. 25 Minuten und wird ambulant – also ohne Krankenhausaufenthalt – durchgeführt.
Kann der Patient sofort nach dem Eingriff wieder Auto fahren?
Wegen der Dämmerschlafspritze darf der Patient 24 Stunden im Anschluss an den Eingriff selbst nicht Auto fahren. Für den Nachhauseweg sollten Sie zu Ihrer eigenen Sicherheit entweder ein Taxi nehmen oder sich von jemandem abholen lassen.
Fühlt sich der Patient nach dem Eingriff sofort wieder normal und kann alle Alltagsarbeiten ganz normal durchführen?
In den ersten Tagen nach dem Einsetzen des Magenballons kommt es bei fast allen Patienten zu erheblichem Unwohlsein, starker Übelkeit mit oft mehrmaligem Erbrechen, in etwa wie bei einer starken Magenverstimmung. Der Patient erhält aber Medikamente, die diese Symptome lindern. In den ersten drei Tagen sollte jede Art schwerer körperlicher Betätigung sowie starke Anstrengung vermieden werden.
Wieviel kann man mit dem Magenballon abnehmen?
In Kombination mit einer kompetenten Ernährungsberatung und dem Willen, etwas körperliche Aktivität zu entwickeln, ist eine Gewichtsreduktion von 15 bis 30 Kilo möglich. Je motivierter der Patient ist, desto größer werden seine Erfolge sein!
Verhindert man den ‘Jo-Jo-Effekt’ durch den Magenballon?
Ziel des Magenballons ist es, ein frühzeitiges Sättigungsgefühl zu erzeugen – schon nach Aufnahme einer kleinen Portion an Nahrung fühlt man sich satt. Das quälende Hungergefühl, mit dem viele Diäten verbunden sind, ist mit dem Magenballon kein Thema mehr. Ohne Hungerstress und die damit verbundenen negativen Gefühle lernen die Patienten wieder auf die ‘im Übergewicht verschütteten’ Signale des eigenen Körpers zu hören und ein normales, gesundes Essverhalten zu entwickeln. Der Magenballon ist quasi ein Hilfsmittel für eine eigene Verhaltensänderung, denn das Problem beim Abnehmen ist nicht ein zu großer Magen – das Abnehmen beginnt im Kopf. Dadurch lässt sich der bei vielen Diäten zu verzeichnende Jo-Jo-Effekt vermeiden.
Wie schnell stellt sich der Abnehmerfolg ein?
Der Abnehmerfolg stellt sich am Anfang recht schnell ein: Die meisten meiner Patienten verlieren in den ersten 3 Monaten ungefähr 2/3 der gesamten Menge des geplanten Abnehmgewichts. Zum Ende der Behandlung flacht die Abnehmkurve allerdings ab, das heißt, die Patienten verlieren in den verbleibenden 3 Monaten dann noch 1/3 des geplanten Abnehmgewichts.
Übernimmt die Krankenkasse die Kosten?
Nein, bedauerlicherweise zahlt die Krankenkasse diesen Eingriff nicht.
Muss man die Ernährung umstellen, nachdem man den Magenballon implantiert bekommen hat?
Die Ernährung wird stufenweise mit Flüssigkeit in Teelöffel-Portionen und Brühe aufgebaut. Die Ernährungsgewohnheiten sollten auf jeden Fall umgestellt werden. Vermieden werden müssen fette Speisen, Fast Food, Süßigkeiten, „Kalorienbomben“ in flüssiger Form wie Cola, Limonade oder Fruchtsäfte und Saftschorlen. Auch Milch in großen Mengen und praktisch jeder Alkohol – insbesondere Bier, Wein und Cocktails. Stattdessen sollten die Patienten mageres Fleisch, viel Fisch – gegrillt, gedünstet, in der Folie gegart, aber nicht paniert –, Gemüse, Obst, in kleinen Mengen auch Nudeln, Reis und Kartoffeln zu sich nehmen. Das Gemüse sollte am besten blanchiert oder gedünstet, Obst als Kompott zubereitet werden – rohes Gemüse und Obst werden oft schlecht vertragen. Auch Salat kann meist nur in kleinen Mengen vertragen werden. Als Getränk eignet sich am besten stilles Mineralwasser – kohlensäurehaltiges Wasser wird im Allgemeinen schlecht vertragen –, Tee, stark verdünnte Saftschorlen (Mischungsverhältnis 1:4).
Kann man weiterhin Sport treiben?
Ja, es empfiehlt sich sogar sehr, Sport zu treiben, da sich der Abnehmeffekt dadurch noch effizienter erzielen lässt – Anhänger von Winston Churchills „No Sports“ werden nur 50 % der möglichen Gewichtsabnahme erzielen. Mindestens drei- bis viermal pro Woche sollten die Patienten 45 Minuten Ausdauersport, wie Joggen, Radfahren, Schwimmen, Crosstrainer oder Nordic Walking, betreiben.
Wie sieht es mit besonderen Sportarten z. B. Tauchen oder Boxen aus?
Laut Aussage des Herstellers ist Tauchen mit dem Ballon in bis zu 40 Meter Tiefe möglich. Für Sportarten wie das Boxen und Reiten gilt: Eher geht der Mensch kaputt als der Ballon, man kann also boxen (oder geboxt werden), vom Pferd fallen etc.
Wie lange bleibt der Ballon denn im Magen?
Der Ballon kann bis zu 6 Monate im Magen verbleiben. Dann wird er während einer kurzen Magenspiegelung punktiert, entleert und auf demselben Weg entfernt, wie er eingesetzt wurde. Der Eingriff dauert ungefähr 25 Minuten. Vor dem Eingriff sollte der Patient 12 Stunden keine Nahrung zu sich genommen haben. Die Weiterführung der Zusammenarbeit mit einem Ernährungsberater ist zu empfehlen. Dadurch kann das Idealgewicht in einem Großteil der Fälle gehalten werden.
Was passiert, wenn der Magenballon beschädigt wird?
Die im Magenballon enthaltene Kochsalzlösung ist blau gefärbt. Sollte der Ballon beschädigt sein, tritt diese Flüssigkeit aus und färbt den Urin des Patienten. In diesem Fall sollte der behandelnde Arzt unverzüglich aufgesucht werden, um die Reste des Ballons mit Hilfe des Endoskops zu entfernen.
Neben dem flüssigkeitsgefüllten Ballon gibt es auch eine luftgefüllte Variante - warum geben Sie dem flüssigkeitsgefüllten Ballon den Vorzug?
Das hat verschiedene Gründe: Zum einen trägt das fühlbare Gewicht des flüssigkeitsgefüllten Ballons zum Erfolg bei, indem nicht nur durch die Größe sondern auch durch das Gewicht von 500 – 700 g ein Völlegefühl und damit ein Gefühl von Sättigung erzielt wird, das mit dem nur 30 g leichten luftgefüllten Ballon nicht erreicht wird. Und dann gibt es den Sicherheitsaspekt: es ist bekannt, dass sich der luftgefüllte Ballon in einem relativ hohen Prozentsatz unbemerkt entleert und es sind leider mehrere Fälle bekannt geworden, in denen es infolge dessen zu einem Darmverschluss mit der Notwendigkeit einer Operation gekommen ist. Der flüssigkeitsgefüllte Ballon ist dagegen sehr sicher. Mir ist es in den vergangenen Jahren nie passiert, dass ein Ballon undicht geworden ist.
Was passiert, wenn der Magenballon doch einmal undicht wird?
Die im Magenballon enthaltene Kochsalzlösung ist blau gefärbt. Sollte der Ballon beschädigt sein – was, wie gesagt, extrem selten ist – tritt diese Flüssigkeit aus und färbt den Urin des Patienten blau. In diesem Fall sollte der behandelnde Arzt unverzüglich aufgesucht werden, um den Ballon mit Hilfe des Endoskops zu entfernen.
Gibt es Einschränkungen für die Anwendung, z. B. bei Patienten mit einem Diabetes?
Der Magenballon kann grundsätzlich auch bei Patienten mit einem Diabetes angewendet werden. Bei der begleitenden Ernährungsberatung sollte dieser Aspekt selbstverständlich berücksichtigt werden.
Gibt es eine Altersgrenze nach oben oder nach unten?
Die Patienten sollten mindestens 18 Jahre alt sein – mein ältester Patient war 72 Jahre alt.
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