Artikel 19/10/2015

Wenn Gluten Stress auslöst - sensible Aufklärung und Betreuung

Team jameda
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Die Ernährung spielt auf vielfältige Art und Weise eine Rolle in unserem Leben, unter anderem beeinflusst sie auch verschiedene Erkrankungen. Patienten sehen sich auf einmal der Frage gegenüber, was ihre Ernährung mit der Krankheit zu tun hat. Um dieser Frage nachzugehen, ist die Eigenbeobachtung der Befindlichkeit nach dem Essen nötig, aber auch Labor- oder kinesiologische Untersuchungen sowie anamnestische Fragestellungen in der Sprechstunde.

Intensive Untersuchungen führen zu einer Diagnose

Unterschiedliche Untersuchungen sind Teil der diagnostischen Vorgehensweise. Zum einen finden Laboruntersuchungen statt  (Blut: z.B. IgG4-Unverträglichkeitsüberprüfung, Zonulin. Stuhl: Zustand der Darmschleimhaut, Enzymtätigkeit, Verdauungsleistung sowie Zustand der Darmflora zur Vorverwertung der Nahrung). Zum anderen werden aber auch kinesiologische Untersuchungen durchgeführt, die via Muskeltest prüfen, welche Nahrungsmittel blockieren, d.h. in einen überaktiven Zustand versetzen, oder schwächen. Körperliche Untersuchungen sowie die gründliche Anamnese ergänzen das Bild.

Gerade bei Patienten, die unter chronischen Erkrankungen, wie Rheuma, Schuppenflechte, Morbus Crohn, Hashimoto oder Neurodermitis leiden, aber auch bei Allergikern - um nur einige wenige Beispiele aus dem Gesamtspektrum zu nennen - ist der Umgang mit der Ernährung ein Basisbaustein auf dem Weg zur Gesundung.

Oft folgt eine weitreichende Umstellung

Steht die Diagnose fest, sind weitreichende Folgen möglich. Diese können sehr unpopulär sein, da selbstverständliche Familien-Gewohnheiten beleuchtet und nötigenfalls verändert werden sollten. Das heißt, dass beispielsweise eine Glutenunverträglichkeit beim Frühstück und Abendbrot ein hohes Maß an Neuorientierung erfordert. Um mit einem Missverständnis aufzuräumen: Hier ist nicht die - meist genetisch bedingte - Zöliakie oder Sprue gemeint, die bei Glutenverzehr sehr dramatische Auswirkungen auf die Darmschleimhaut zeigt und tatsächlich lebensbedrohend sein kann.

Glutenunverträglichkeit als Langzeitallergie

Glutenunverträglichkeit als Teilursache einer Allergie oder chronischen Erkrankung gehört eher zur Abteilung der „silent inflammation“, die zu den sogenannten Langzeitallergien hinzugerechnet werden kann. Wie der Name schon sagt, geschieht die Entzündung der Darmschleimhaut in diesem Beispiel leise, also nicht unbedingt direkt spürbar. Der Darm funktioniert, jedoch eher im unterschwelligen Funktionsbereich. So werden Nahrungsmoleküle nur unzureichend aufgespalten und über die gereizte Darmschleimhaut entweder in ungünstiger Zusammensetzung oder auch zu geringer Menge aufgenommen. Das Stichwort hierzu ist: Leaky Gut (zu durchlässige, da geschwollene Darmschleimhaut).

Für das Patientenverständnis ist ein fataler Umstand der Langzeitallergien zu erläutern: Nach Kontakt oder Aufnahme des Auslösers (hier: Gluten) kann es 1 bis 4 Tage dauern, bis sich eine Immun-Reaktion einstellt. Das Pizzabrötchen beim Italiener kann also innerhalb der nächsten 4 Tage das Immunsystem auf Überreaktion einstellen, um eine Symptomatik ansteigen zu lassen. Das ist nicht immer deutlich erinner- oder spürbar.

Der Patient braucht Information, Aufklärung und Betreuung

Was ist da zu tun? Teil der therapeutischen Leistung muss in diesem Fall die Ernährungsberatung sein. Dem Patienten mitzuteilen, er solle zukünftig auf Gluten verzichten, ist richtig, jedoch fast immer zu kurz gegriffen. Denn nur wenige Menschen wissen genau, worin Gluten enthalten ist. Es findet sich nicht nur in Getreide wie Weizen, Dinkel, Roggen, Gerste, Hafer und Grünkern. Sondern auch in Produkten, in denen diese Sorten offen oder versteckt enthalten sind. Wichtig für den Patienten ist, dass man ihm mit Verständnis begegnet, wenn die Tragweite der Erkrankung bewusst wird. Damit der Patient seine Ernährung anpassen kann, ist die ausgiebige Beratung nötig, hier helfen auch Broschüren oder Internetlinks. Auch Rezepte für Frühstück und Abendbrot sind Hilfestellungen, die den Einstieg erleichtern.

Allerdings ist gerade der grundsätzliche Aspekt der Veränderung von Essgewohnheiten sehr sensibel zu vermitteln. Natürlich gibt es Patienten, die mit dem Vorwissen in die Praxis kommen, dass Nahrungsbestandteile möglicherweise kritisch sind, und die sich gerne auf die Ernährungsempfehlung des Therapeuten einlassen. Die Menge der Patienten, denen dieser Gedanke völlig fremd ist und die sich eine Ernährungsumstellung nicht vorstellen können, ist jedoch aus meiner Praxis-Erfahrung weitaus größer.

Hier ist Sensibilität des Therapeuten gefordert. Denn unter Umständen soll verändert werden, was seit Generationen fester Bestandteil einer gesunden Familienstruktur und -erfahrung ist. Und wenn bei einem Geburstagsmahl im Kreis der Familie plötzlich abgelehnt werden muss, was dem Rest der Familie schon immer geschmeckt hat, rührt dies unter Umständen am Zugehörigkeitsgefühl des Patienten. Auch hier sind Beistand und Ideen des Therapeuten gefordert, wie er mit solchen Situationen umgehen kann. Wichtig für den Patienten ist es, das Ziel vor Augen zu haben. Zwar ist eine Sofortbesserung kaum zu erwarten, dennoch brauchen langfristige Erfolge Zeit.

Verbesserungen und Erfolge wahrnehmen

Da im Zusammenhang mit chronischen Erkrankungen, Allergien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten häufig auch eine Darmsanierung mit der Gabe hochpotenter Probiotika, Beta-Glucanen und evtl. enzymatische Unterstützung wichtig ist, sollte vermittelt werden, dass innerhalb eines Zeitraumes von ca. 6 Monaten Besserungstendenzen erwartet werden können. Wie hoch diese Tendenzen ausfallen, ist einerseits abhängig von der Bereitschaft des Patienten, die erfahrenen Maßnahmen umzusetzen. Allerdings auch von der Vermittlung des Therapeuten, die erreichten Verbesserungen in diesem Zeitraum bewusst zu machen.

Mit einer Skalierung der Symptome (1: gesunder, gewünschter Zustand des Patienten bis 10: maximales Erkrankungsbild) kann von Beginn der Behandlung aufgezeigt werden, wie sich ein Symptombild verändert. Dies ist eine sinnvolle Unterstützung, um die Compliance des Patienten zu erhalten. Denn gerade bei ganzheitlichen, komplementären Methoden ist der angestrebte Weg der Wiederherstellung der Selbstheilungskräfte eine Basisarbeit, die oft kleinschrittige, dafür aber nachhaltige Besserungseffekte zeigt.

Zukunftsaussichten

Manchem Patienten gelingt es, nach Durchführung der Maßnahmen auch Gluten wieder in die Ernährung aufzunehmen ohne Symptome auszulösen. Für einige ist der komplette Verzicht notwendig.

Die meisten Patienten entwickeln über die Zeit ein Gefühl, wann sie zukünftig auf Gluten verzichten und wann/wie oft sie es im Ernährungsalltag hinzunehmen. Letztendlich ist dies ein Ziel, dass ich in der Praxis gerne offenlege: Dem Patienten Eigenverantwortung und Entscheidungsfähigkeit für sich selbst zu vermitteln und mit angemessener Aufmerksamkeit einen gesunden Alltag zu leben.

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