Artikel 19/03/2014

Herz und Hirn im Stolpertakt - Vorhofflimmern und Depression

Dr. med. Boris Leithäuser Internist, Kardiologe, Angiologe
Dr. med. Boris Leithäuser
Internist, Kardiologe, Angiologe
vorhofflimmern-und-depression

Vorhofflimmern ist die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung. Je höher das Lebensalter, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass Vorhofflimmern auftritt. Der unregelmäßige Herzschlag hierbei bedeutet keine unmittelbare Gefahr. Manche Menschen bemerken dies nicht einmal und wissen daher nicht, dass sie Vorhofflimmern haben. Andererseits kann ein sehr schneller und stolpernder Herzschlag (Herzrasen) zu ausgeprägten und unangenehmen Beschwerden im Brustkorb führen. Fast immer ist die Rhythmusstörung mit einem Verlust an körperlicher Leistungsfähigkeit verbunden. Etwa 20-25% der Herzkraft gehen verloren, was dazu führen kann, dass schon beim Treppensteigen in die erste Etage Atemnot entsteht. Die wesentlich schwerwiegenderen Folgen entstehen durch Blutgerinnsel, die sich innerhalb der Vorkammern des Herzens bilden und in die Blutbahn gelangen können (siehe auch „Alternative zur Blutverdünnung bei Vorhofflimmern“ bei jameda). Wenn diese in den Blutgefäßen des Gehirns stecken bleiben, kommt es zur plötzlichen Durchblutungsstörung und zur Schädigung von Hirngewebe. Ein Schlaganfall entsteht. Man kann sagen: Je größer das Blutgerinnsel, desto schwerer der Schlaganfall. Die Gefahr eines Schlaganfalles ist unabhängig davon, ob Vorhofflimmern im Wechsel mit einem normalen Herzschlag auftritt oder dauerhaft besteht. Um die Entstehung von Blutgerinnsel in der linken Vorkammer zu verhindern, werden Patienten mit Vorhofflimmern mittels „Blutverdünnung“ behandelt (siehe auch „Blutverdünnung - eine Begriffsklärung“ bei jameda). Diese Art der Behandlung hat leider auch ihre Risiken.

Wie bei anderen Erkrankungen des Herzens und des Kreislaufs wirken bestimmte über Jahre bestehende Umstände (Risikofaktoren) begünstigend auf die Entstehung von Vorhofflimmern. Neben dem Lebensalter steht der Bluthochdruck unter diesen Risiken an oberer Stelle. Darüber hinaus gibt es weitere Faktoren die Einfluss auf autonome (unbewusste) Regelvorgänge des Körpers ausüben oder Entzündungsvorgänge auslösen. Hierzu gehören die Zuckerkrankheit (Diabetes) und das Übergewicht. Zwar gibt es noch keinen eindeutigen wissenschaftlichen Beweis, dass Angstzustände oder Depressionen direkt zur Entstehung von Vorhofflimmern führen können. Hinweise für eine indirekte Beteiligung mehren sich jedoch. Patienten schildern nicht selten Angstzustände oder Stresssituationen als Auslöser für Episoden mit Herzstolpern. Der umgekehrte Fall ist aber auch nicht selten: Anfallsartig auftretendes und kurz anhaltendes Vorhofflimmern kann Angst auslösen. Immer wieder kommt es zu psychischen Fehldiagnosen bei betroffenen Patienten.

Menschen bei denen Vorhofflimmern über längere Zeit besteht, beklagen häufiger eine Unzufriedenheit mit allgemeinen Lebensumständen (berufliche Situation, Sexualleben, Sozialkontakte, Freizeitaktivitäten). Dabei gibt es zum Teil große Unterschiede in der Bewertung zwischen Männern und Frauen. Mittlerweile ist es gut erforscht, dass Menschen mit dauerhaft bestehendem Vorhofflimmern häufiger unter Depressionen oder Angstsymptomen leiden. Es ist also die berühmte Frage nach der Henne und dem Ei. Was war zuerst? Die Psyche oder das Vorhofflimmern? Die systematische Erforschung dieses Phänomens steht erst am Beginn.

Ob die Herzrhythmusstörung im Laufe der Zeit zu psychischen Beeinträchtigungen führt, hängt auch davon ab, wie gut der oder die Betroffene über das Wesen der Erkrankung informiert ist. Ärztliche Aufklärung und therapeutische Führung sind dabei von großer Bedeutung. Je größer das Vertrauen in Behandlung, je höher die Akzeptanz auch gegenüber einer langfristigen medikamentösen Therapie, desto geringer sind die Beschwerden bzw. umso höher ist die Lebensqualität trotz der Rhythmusstörung. Andererseits entscheidet das Vorhandensein einer Depression oder Angststörung über den langfristigen Erfolg einer Therapie des Vorhofflimmerns. Das trifft besonders zu für die Elektrotherapie (Katheter-Ablation) bei der die Stabilität eines normalen Herzrhythmus wiederhergestellt werden kann. Bei Patienten mit einer Depression kommt es häufiger zum Rezidiv also zum erneuten Auftreten von Vorhofflimmern. Es ist bisher nicht ausreichend untersucht, ob die Behandlung mit Antidepressiva einen positiven Effekt auf den Verlauf der Rhythmusstörung hat. Leider gibt es bisher nur wenige integrierte Konzepte, also Therapieformen bei denen Patienten mit der Kombination von Vorhofflimmern und psychischen Beschwerden umfassend behandelt werden.

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