Das Thema Kahnbein an der Hand (am Fuß gibt es das Kahnbein auch, da heißt es os naviculare), dem os scaphoideum, birgt zahlreiche Veränderungen, die hier jeweils nur zusammenfassend abgehandelt werden können.
Ganz schnell müssen Probleme der Kahnbeinregion der Hand bei besonderen Spezialisten wie dem Traumatologen (Unfallchirurgen)/Handchirurgen, dem Rheumatologen, in jedem Fall aber dem handorthopädiekundigen Orthopäden zugewiesen werden – und das tatsächlich direkt nach dem Unfall oder bei Beschwerden ohne Unfall, wenn die Beschwerden nach kurzer Zeit nicht weggehen, oder stärker werden.
Das Kahnbein ist eine lasttragende Verbindung und verläuft zwischen dem daumenseitigen Handgelenk, über das Dreiecksbein bis zum Daumensattelgelenk und damit den Daumen. Es ist das zentrale Element aller menschentypischen Funktionen der Hand. Daher beeinflussen Verletzungen des Kahnbeins, des Bandapparates zu den Nachbarknochen und auch entzündliche Veränderungen schnell immer auch die Funktion der ganzen Hand schwer.
Das Kahnbein ist durch seine Position zu großen Teilen mit Gelenkknorpel bedeckt. Nur da, wo kein Gelenkknorpel oder keine Gelenkkapseln sind, kann ein Knochen mit Blut versorgt werden. Dies führt dazu, dass das Kahnbein nur aus wenigen Gefäßen, oft gar nur aus einem relevanten Gefäß, versorgt wird.
Daher ist jede Verletzung, jede Einschränkung der Durchblutung des Knochens auch durch entzündliche Schwellungen in dieser Region eine große Gefahr für das Kahnbein.
Beim Sturz auf die überstreckte Hand bricht oft die Elle am handgelenknahen Ende; man spricht von einem Handgelenkbruch, dem täglich Brot eines jeden Unfallchirurgen. Was selbst dem sonst sachkundigen, aber nicht handchirurgischen Unfallchirurgen gar nicht so selten entgeht, sind die Begleitverletzungen am Kahnbein, oder gar Verletzungen am Kahnbein und der Kahnbeinbänder ohne Handgelenkbruch.
Hier besteht dann große Gefahr, dass etwas übersehen wird. Zumal der Ruheschmerz beim Kahnbeinschaden überschaubar bleibt, ganz im Gegenteil zu den Schmerzen bei einem Handgelenkbruch.
Warnsignale:
Schmerzen in der sogenannten Tabatière, der Stelle, an der früher der Tabak zum Schnupfen aufgebracht worden ist, sind immer ein Warnsignal, und kann einen Kahnbeinbruch anzeigen.
Der derzeitige Goldstandard der Diagnose bei Verdacht auf Kahnbeinbruch ist dann nicht etwa das Röntgenbild, das oft erst nach zehn bis vierzehn Tagen positiv wird, sondern ein rasches MRT, das sehr gut auch ausgeprägte, aber noch nicht verschobene Brüche zeigt. Auch die Einschränkung der Durchblutung und Bandverletzungen lassen sich im MRT bereit in der Frühphase einschätzen.
Bei unterschobenen Brüchen mit dann ja meist intakter Durchblutung ist zunächst ein Gips mit Einschluss des Ellenbogens bis zum Daumengrundgelenk indiziert. Betroffene müssen es meist für sechs Wochen, gelegentlich auch kürzer, und dann eine weitere Zeit von bis zu sechs Wochen mit einem Unterarmgips unter Daumeneinschluss tragen. Es finden dann Röntgen- und auch MRT-Kontrollen statt.
Bei einem Bruch, der abrutschgefährdet ist – selbst im Gips drohen solche Brüche abzurutschen – kommt die sogenannte Herbert-Schraube zum Einsatz. Diese kleinste kanülierte Schraube führt minimalinvasiv zu einem so guten winkelstabilen Halt, dass die Gipstragedauer oft erheblich reduziert werden kann. Sie wird zunehmend und vermehrt verwendet. Aus diesem Grund hat sich die Herbert-Schrauben-OP zu einem Gold-Standard entwickelt.
Beim verschobenen Bruch mit oder ohne Durchblutungsstörung ist in den allermeisten Fällen eine operative Korrektur, oft auch offen, mit Teileinblicken auf den Knochen, und oft auch Band- und Kapselnähten nötig. Die Stabilisierung erfolgt meist mit Schräubchen und kleinen Drähten, die entweder belassen werden, oder nach einiger Zeit entfernt werden. Dann sind die Drähte meist aus der Haut rausschauend und können ambulant und ohne Narkose einfach entfernt werden.
Die die ganze Hand am umfassendsten störende Verletzung ist der (Teil)riss des sogenannten Scapo-lunären (SL)Bandes, die sehr starke Bandverbindung zwischen Kahnbein und Mondbein. Dieser Bandapparat ist als essentieller Teil eines ganzen Bandapparates im Zentrum des Handgelenks dafür zuständig, dass z. B. bei Liegestützen oder stützenden oder drückenden Bewegungen der Hand unter Last, schon ab wenig Gewicht, dafür zuständig, dass nicht die ganze Handwurzel bis zum totalen Kollaps auseinanderweicht.
Es sollte unbedingt vermieden werden, eine solche Bandverletzung zu übersehen. Im MRT (s.o. als Goldstandard jetzt immer indiziert) ist eine solche Bandverletzung jedoch meist gut zu sehen.
Auch funktionelle Untersuchungen der Instabilität in diesem Bereich, heute bereits auch mittels Ultraschalluntersuchung oder klassisch unter Durchleuchtung (Röntgenbilder unter Bewegung), lassen das Ausmaß der Instabilität einschätzen. Bei leisem Zweifel sollte aber immer der primären Bandnaht, also der Bandnaht direkt im Anschluss an die Verletzung gegen verzögerte Versorgung, der Vorzug gegeben werden.
Diese Bandverletzung wird durch einfache Bandnaht bis zu den Sehnentransplantaten operiert.
Durchblutungsstörungen und schwere Vielfragmentfrakturen des Kahnbeins müssen oft zusätzlich mit gestielten (gefäßbesetzen) Knochentransplantaten mikrochirurgisch versorgt werden.
Nach unerkannten, zu spät erkannten oder unpassend behandelten Brüchen, Bandverletzungen und auch bei rheumatischen Grunderkrankungen kommt es unweigerlich zu krankhaften Veränderungen erst der direkten Kahnbeinumgebung und des Kahnbein selbst. Im schlimmsten Fall reichen sie bis zur völligen Deformierung des Kahnbeins, des Mondbeins bis zum oben angesprochenen ‘Karpalen Kollaps’, bei dem die Hand im Handwurzelbereich zusammenrutscht und die zweireihige Aufbaustruktur der Handwurzel kollabiert. Dass dies zu einer halbwegs normalen oder auch nur einigermaßen tolerierbaren Restfunktion der ganzen Hand nicht passen kann, ist relativ gut nachzuvollziehen.
Dann müssen sogenannte ‘Rettungsoperationen’ wie ausgedehnte Versteifungen, oder, wenn dies noch geht, auch ein künstliches Handgelenk eingebaut werden.
Ist die Veränderung auf das Kahnbein limitiert, ist eine Arthrodese des Scapho-Trapezium-Trapezoid-Gelenkes (STT-Arthrodese) derzeit noch immer der Goldstandard, um einen ausreichend kräftigen und schmerzarmen Daumengriff überhaupt wieder möglich zu machen. Bei der STT-Arthrodese handelt es sich um eine Versteifung der daumenseitigen Säule aus Kahnbein-Dreiecks-Bein und dreieckförmigem Bein.
Die zwischenzeitlich häufiger durchgeführte Implantation eines Silikonplatzhalters für das Kahnbein hat sich aus der Sicht der meisten Handchirurgen nicht durchgesetzt.
In jedem Stadium der Veränderungen am Kahnbein und der Kahnbeinumgebung gilt es also, rasch, stadiengerecht und fachgerecht zu reagieren und zu therapieren.
Warten Sie nicht zu lange!
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