Der Kniegelenkersatz (Knieendoprothese) ist für viele Patienten bei fortgeschrittenem Verschleiß des Kniegelenks eine erfolgreiche Operation. Ca. 15 % der Patienten sind aber nicht ganz zufrieden oder sogar unzufrieden mit dem Ergebnis. Dies hat viele Ursachen. So können unter anderem eine Infektion, ein Knochenbruch oder eine Instabilität zu bleibenden Beschwerden führen.
Häufig lässt sich bei Patienten mit bleibenden Beschwerden nach Kniegelenkersatz jedoch keine der angegebenen Ursachen als Beschwerdeauslöser feststellen. Und zusätzlich zeigen sich im Röntgenbild keine Auffälligkeiten und ein gerades Bein.
Wie funktioniert der konventionelle Einbau einer Knieprothese?
Beim konventionellen Einbau einer Knieendoprothese ist das Ziel, dass jeder Patient nach der Operation ein gerades Bein hat. Unabhängig davon ob vorher ein X- oder O-Bein vorlag. Dies bedeutet, dass alle Knie unabhängig von individuellen Unterschieden nach dem gleichen Schema operiert werden (Abbildungen A und B).
Menschen mit einem ganz geraden Bein und einer senkrecht dazu stehenden Gelenklinie sind aber selten. Die Mehrzahl hat ein mehr oder weniger stark ausgeprägtes O- oder X-Bein. Daneben verläuft die Gelenklinie zwischen Ober- und Unterschenkelknochen auch beim gesunden Knie nicht streng senkrecht zur Beinachse. Sie fällt meist etwas nach innen ab (Abbildung C). Dies liegt daran, dass der Mensch beim Gehen zur besseren Gewichtsverteilung eher schmalspurig und nicht breitbeinig geht. In dieser Stellung kommen die meisten Menschen ihr Leben lang gut zurecht.
Was können die Folgen vom konventionellen Einbau der Knieprothese sein?
Durch das Geradestellen des Beins und die Veränderung der Gelenklinie mit der konventionellen Implantationstechnik einer Knieendoprothese wird die vorherige Anatomie des Kniegelenkes weitgehend ignoriert. Diese Veränderung der Kniegelenksgeometrie kann zu einer Zwangsführung des Kniegelenkes mit unnatürlicher Bandspannung, schlechter Beweglichkeit und Schmerzen führen.
Gerade das Kniegelenk ist jedoch ein sehr komplexes Gelenk, welches empfindlich auf Formveränderungen reagiert. Bereits geringe Veränderungen von Gelenklinie und Beinachse können den Bewegungsablauf zwischen Oberschenkel und Unterschenkel empfindlich stören. Sie können insbesondere auch das Gleiten der Kniescheibe negativ beeinflussen. Nach unserer Überzeugung und Erfahrung ist es also wesentlich, dass beim Kniegelenkersatz – wie auch am Hüftgelenk – die natürliche Anatomie des Patienten Beachtung findet. Es sollte eben nicht für alle Patienten die gleiche Implantatposition angestrebt werden!
Was bedeutet kinematisches Alignment?
Vor über 15 Jahren wurde in den USA eine Technik entwickelt, welche zum Ziel hat die Kniegelenksanatomie individuell wieder so zu rekonstruieren, wie sie vor der Arthrose war. Man nennt diese Technik „kinematisches Alignment“ (von Kinematik = Bewegungslehre; Alignment = Ausrichtung). Beim kinematischen Alignment wird die Knieendoprothese bei jedem Patienten individuell entsprechend seiner natürlichen Anatomie eingesetzt, um die gesunde Kniegelenksbewegung wieder herzustellen.
Das kann man am Beispiel eines Patienten mit O-Bein (welches durch den verschleißbedingten Knorpelverlust im Rahmen der Arthrose meist noch zunimmt) erklären. Bei einem O-Bein wird das Knie im Rahmen der Operation mit einer milden O-Stellung rekonstruiert. Stärkere Fehlstellungen werden selbstverständlich korrigiert! Diese Einstellung der Knieprothese wird dabei nicht nur in Streckung gewählt, sondern über den gesamten Bewegungsverlauf.
Dadurch wird auch die natürliche Spannung der Bänder über den gesamten Bewegungsablauf wiederhergestellt. Eben so, wie es der Patient sein Leben lang gewohnt war. Dies führt zu einem sehr stabilen und harmonischen Bewegungsablauf des Kniegelenks ohne Instabilitäten oder Überspannungen. Im Gegensatz zur konventionellen Ausrichtung werden die Bänder während der Operation nicht verlängert. Stattdessen behalten sie ihre ursprüngliche Spannung (Abbildungen C und D).
Welchen Vorteil bringt das kinematische Alignment für den Patienten?
Die positiven Auswirkungen der kinematischen Ausrichtung der Knieendoprothese konnten in mehreren wissenschaftlich hochwertigen Studien belegt werden. Sie zeigten, dass der Anteil von Patienten mit bleibenden Beschwerden deutlich reduziert werden kann. Insbesondere haben die Patienten häufiger ein sogenanntes „vergessenes künstliches Kniegelenk“. Das heißt, dass sie ihr Kniegelenk im Alltag wie das natürliche Kniegelenk verwenden können. Sie müssen nicht daran denken, dass sie ein Kunstgelenk tragen.
Durch die Schonung der Bänder und Muskeln können die Patienten beim kinematischen Alignment meist schneller mobilisiert werden. Ferner konnte in biomechanischen Studien bestätigt werden, dass durch eine Ausrichtung mittels kinematischem Alignment auch der Gelenkdruck sinkt und damit die Belastung auf das Implantat abnimmt.
Zusammenfassend wird beim kinematischen Alignment das künstliche Kniegelenk entsprechend der natürlichen Anatomie des Patienten individuell eingesetzt. Das führt zu einer schnelleren Mobilisation und besseren Ergebnissen. Am ECOM – Excellent Center of Medicine in München –führen Ärzte die Implantation von Knieprothesen nach kinematischem Alignement seit Jahren mit großem Erfolg durch.
Ihre positiven Erfahrungen mit dieser modernen Operationstechnik decken sich dabei mit den guten Ergebnissen der klinischen Studien. Und nicht zuletzt profitieren die Patienten dabei von einer schnelleren Genesung, einem geringeren Operationstrauma und einem Kniegelenkersatz, der sich in vielen Fällen natürlicher anfühlt.
Abbildung A: Schematische Darstellung eines linken Beines: Dabei ist ein leichtes O-Bein dargestellt, wie es häufig vorkommt. Die Bänder sind in Bblau dargestellt. Die Gelenklinie fällt etwas zur Innenseite ab. In Rot sind die Schnittebenen für die konventionell eingesetzte Prothese dargestellt, welche nicht symmetrisch sind.
B: Beim konventionellen Einbau der Prothese wird jedes Bein geradegestellt. Die Gelenklinie wird ebenfalls unabhängig von der individuellen Anatomie senkrecht zur Beinachse eingestellt. Das führt im Beispiel zu einer Überdehnung des Innenbandes (in Gelb) und zu einem lockeren Außenband (in Orange). Zur Korrektur der Bandspannung muss das Innenband dann operativ aufgedehnt werden.
C: Beim kinematischen Alignment werden die Schnitte für die Prothese parallel zur Gelenklinie des Patienten individuell angepasst. Unter Berücksichtigung des Verschleißes wird genau soviel von der Oberfläche entfernt, wie durch das Implantat wieder ersetzt wird. Es handelt sich also um einen echten Oberflächenersatz.
D: Die Knieprothese wird entsprechend der natürlichen Anatomie des Patienten eingesetzt. Dadurch bleibt die Gelenklinie leicht nach innen abfallend. Die Geometrie des Beines bleibt anatomisch, mit einem milden O-Bein. Und die Bandspannung bleibt identisch zu dem wie sie natürlich war.
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