Artikel 06/09/2020

Rücken- & Beinschmerzen? Wann sich der Gang zum Gefäßmediziner lohnt

Dr. med. Sven Hausen Internist, Kardiologe, Angiologe
Dr. med. Sven Hausen
Internist, Kardiologe, Angiologe
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Nicht selten führen Rückenbeschwerden, vor allem im Bereich der Lendenwirbelsäule, häufig gepaart mit Schmerzen im Oberschenkel, den Patienten zum Orthopäden.

Oft stecken dahinter verschiedene Erkrankungsbilder des Bewegungsapparates, die erfolgreich auf verschiedenste Art und Weise behandelt werden können.

Was hat nun der Angiologe damit zu tun?

Der Gang zum Gefäßmediziner kann sich lohnen. Ca. vier bis fünf Millionen Menschen in Deutschland leiden an einer speziellen Form einer Gefäßerkrankung in den Beingefäßen, der sogenannten „pAVK“ (periphere arterielle Verschlusskrankheit, im Volksmund auch Schaufensterkrankheit genannt). Ursache hierfür ist die so genannte Arteriosklerose (Sklerose = Verhärtung).

Dabei handelt es sich um eine zunehmende Verkalkung der Arterien unseres Körpers, die wiederum unterschiedliche Ursachen haben kann. Man kann sagen, es handelt sich um eine vorzeitige „Gefäßalterung“, die sich in unterschiedlichen Organen manifestieren kann. Sie ist Ursache für weitere Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall.

Was hat nun das Schaufenster mit der Arteriosklerose zu tun?

Je nach Ausprägung und Schwere der Gefäßverkalkung kann es zu mehr oder weniger starken Durchblutungsstörungen infolge einer Verstopfung von Gefäßen kommen. Die Folge ist eine Sauerstoffarmut in dem betroffenen Gebiet. Das kann im Fall der pAVK zu Schmerzen im Bereich des Rückens, des Gesäßes sowie der Beine führen. Um diese Unannehmlichkeit vor anderen Mitmenschen zu verbergen, bleibt man vor den Auslagen der Schaufenster stehen.

In dieser Zeit kann sich der Muskel wieder erholen. Der Sauerstoffgehalt nimmt zu und die Schmerzen verschwinden. Solange bis die nächste Etappe gegangen wird und die Schmerzen nun wieder zum Stehenbleiben zwingen. Diese Symptomatik nennen die Gefäßspezialisten claudicatio intermittens.

Was führt nun zu der vorzeitigen Gefäßalterung?

Gefäßrisikofaktoren begünstigen die Entstehung der Arteriosklerose und somit das Fortbestehen dieser Erkrankung.

Das Risiko steigt allen voran durch

Mit jedem weiteren Risikofaktor erhöht sich das Risiko für HerzinfarktSchlaganfall sowie Durchblutungsstörungen der Beine.

Was passiert genau?

Die Gefäßwand wird rissig und porös. Damit beginnt die zunehmende Ablagerung durch zirkulierende Blutfette, allen voran das LDL-Cholesterin. Das Tückische daran ist, dass der frühzeitige Schaden in den Gefäßen oft nicht erkannt wird, da keine Beschwerden auftreten.

Dennoch nimmt das Risiko von Tag zu Tag zu, Betroffene merken oft gar nichts davon. Das Gute ist, je eher wir das genaue Risiko und das „Gefäßalter“ kennen, desto eher können wir etwas dagegen tun und den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen. Das ist das Erfolgsrezept in der Behandlung der Arteriosklerose, die auf verschiedene Weise in unserem Körper wütet.

Was kann man also tun?

Der Angiologe, als Spezialist auf dem Gebiet der Gefäßmedizin, ist in diesem Fall der richtige Ansprechpartner. Neben der körperlichen Untersuchung als erste unverzichtbare Maßnahme kommt der sogenannten ABI-Messung große Bedeutung zu (ABI = Arm-Bein-Index). Diese Messung erlaubt, als erste diagnostische Maßnahme, einen Verdacht auszuschließen oder weiter zu erhärten. Bei dieser Methode werden lediglich die Blutdrücke an Armen und Beinen mit einer Manschette gemessen.

Der daraus ermittelte Index lässt eine weitere wichtige ergänzende Beurteilung zu. Zudem ist sie eine einfache, unkomplizierte und schmerzfreie wichtige Methode zu Erkennung eines individuellen Herz-Kreislauf-Risikos. Häufig wird diese Messung nun mit der Ultraschalluntersuchung der Gefäße kombiniert. Gegebenenfalls ergänzt durch weitere diagnostische Maßnahmen wie die Computertomographie (CT) und/oder der Magnetresonanztomographie (MRT), um hier den eindeutigen „Beweis“ der Gefäßverstopfung zu führen.

Was sind nun die weiteren Schritte, nachdem eine Gefäßverstopfung erkannt wurde?

In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, dass eine Arteriosklerose nicht „geheilt“ werden kann. Das bedeutet, dass die Risikofaktoren, die zu Gefäßverkalkungen führen, erkannt werden müssen.

Die Behandlung dieser Faktoren wird das Voranschreiten der Gefäßerkrankung zwangsläufig aufhalten. Das heißt, die Therapie basiert auf zwei Bausteinen. Zum einen geht es um die Risikominimierung, indem die Risikofaktoren erkannt werden. Zum anderen sollte je nach Ausprägung und Schwere der Beschwerden das „Gefäßproblem“ beseitigt werden.

Nicht immer muss operiert werden

Mittlerweile stehen weitere so genannte „minimal-invasive“ Maßnahmen zur Verfügung, die eine Gefäßverstopfung beseitigen können. In diesem Zusammenhang ist die Gefäßweitung mit Hilfe eines Ballons und Stents über einen Katheter zu nennen. Das Gehtraining steht dabei immer als begleitende oder sogar wichtigste Maßnahme im Vordergrund. Seine Wirksamkeit ist wissenschaftlich belegt.

Was hat das Gehtraining damit zu tun?

Bei gleichen Trainingseinheiten von ca. 30 bis 45 Minuten am Tag stimulieren wir unseren Körper dazu, neue kleine Gefäße zu bilden. Sie dienen als eine Art natürlicher „Bypass“ und verhelfen so dazu, länger und schmerzfreier zu gehen.

Neben den genannten Maßnahmen kommt nicht selten eine begleitende medikamentöse Therapie zur Anwendung. Hier ist die Blutverdünnung in Form eines sogenannten „Plättchenhemmers“ (z. B. ASS, Clopidogrel) sowie einem Blutfettsenker (so genannte „Statine“) anzuführen.

Fazit

Rücken-, Gesäß- und Beinschmerzen müssen nicht immer orthopädische Ursachen haben. Gefäßverstopfungen, verursacht durch Arteriosklerose, können zu dem Bild der Schaufensterkrankheit führen (sogenannte pAVK). Häufig liegen nicht erkannte Risikofaktoren vor (z. B. Bluthochdruck, Rauchen, erhöhtes Cholesterin, Zuckerkrankheit), die zu einer frühzeitigen Gefäßalterung führen und das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall dadurch signifikant erhöhen.

Das Tückische: Zu Beginn liegen keine Beschwerden vor. Die „schmerzlosen“ Erkrankungen wie z. B. Bluthochdruck oder Fettstoffwechselstörungen führen in ihrer unterschiedlichsten Ausprägung bereits früh zur Manifestation einer Arteriosklerose. Eine frühzeitige Erkennung der Risikofaktoren lässt die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten zum Teil tödlicher Ereignisse wie dem Herzinfarkt und oder Schlaganfall deutlich sinken.

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