Team jameda
Wenn man sich verbrennt, spürt man direkt Schmerz, zuckt mit der Hand zurück und verhindert weiteren Schaden. Wenn man etwas Verdorbenes schluckt, hat man Magen- und Darmverstimmungen und scheidet die vergiftete Nahrung aus. Man hat Durchfall.
Man kann hier von Symptomen reden, man kann aber auch, wenn man die Logik dahinter verstehen will, von normalen physiologischen Reaktionen des Körpers reden, die sinnvoll sind und einen bestimmten Zweck erfüllen.
Nun sind in allem Munde die so genannten psychosomatischen Symptome. Was ist das und wie kann man die Logik, den ursprünglichen Sinn, dieser Symptome verstehen?
Im Gegenteil zu somatopsychischen (vom Körper zur Psyche) Zusammenhängen löst bei psychosomatischen (von der Psyche zum Körper) Zusammenhängen die Psyche bestimmte Reaktionen im Körper aus. Ganz wichtig vorab bereits an dieser Stelle wegen fundamentaler Bedeutung in der Diagnostik und Behandlung: Dass es die eigene Psyche ist, die im Körper bestimmte Reaktionen auslöst, muss der Mensch, dem die Psyche gehört, ganz und gar nicht mitbekommen! Das Unbewusste ist aus bestimmten ganz wichtigen Gründen sogar sehr darum bemüht, dies streng geheim vom Menschen zu halten. Er soll also fest glauben, dass die körperlichen Symptome (s. weiter unten) einzig und alleine vom Körper kommen, und dass es mit seiner Psyche ganz und gar nichts zu tun hat. Und seien Sie versichert: Er glaubt das. Solange die innere Zensur sich es eines Tages, wiederum aus guten Gründen, nicht anders überlegt. Dazu aber später.
Nun aber zunächst zum normalen, physiologischen, Sinn der psychosomatischen Zusammenhänge.
Stellen wir uns vor, ein Gladiator begegnen im Ring einem wilden und aggressiven Tier. Als Erstes wird er akute Gefahr registrieren und bekommt es sofort mit der Angst zu tun. Wenn er den Kampf gewinnen will, dann wird er auch Aggression entwickeln müssen.
Welche körperlichen (psychosomatischen) Reaktionen wären dann sinnvoll? Derjenige wird überleben, wer schnellstmöglich am besten für den Kampf vorbereitet ist. Bei geringster Veränderung der Situation muss man nach minimalem Reiz maximal schnell reagieren, man muss also leicht reizbar sei. Man muss möglichst schnell körperlich reagieren, also muss der Muskeltonus erhöht werden, insbesondere (Verspannung) im Nacken-Schulter und Lendenwirbel-Bereich. Die Muskeln müssen vermehrt mit sauerstoffreichem und zuckerreichem Blut versorgt werden. Auch das Gehirn braucht Zucker für die schnellen Reaktionen. Also wird der Blutzucker erhöht, und man bekommt es mit Atemnot bzw. Luftnot zu tun damit man schneller atmet und der Sauerstoff ins Blut übergeht. Das Blut soll unter Druck an die Muskeln herangetragen werden – also wird der arterielle Blutdruck erhöht. Der Durchfluss des Blutes über Muskeln muss gesteigert werden, also kommt es zum erhöhten Herzschlag (Herzrasen). Alle Organe, die nicht unmittelbar für das Überleben wichtig sind, werden von der Versorgung abgeschaltet, also verkrampfen sich die Gefäße im Magen (mulmiges Gefühl im Magen), und das hier gesparte Blut wird für die Versorgung der Muskeln verwendet. Die blasse Haut (kalte Finger, kalte Füße) ist sinnvoll, da die verkrampften Gefäße in der Haut bei Verletzungen weniger Blutverlust bedeuten, und außerdem haben dadurch die Muskeln mehr Blut. Denkbar wäre, dass derjenige inneres Zittern oder sogar sichtbaren Tremor (zur Erwärmung der Muskeln vor dem massiven Einsatz) bekommt. Womöglich wird er vor dem Kampf an Schlafmangel leiden. Schweißausbrüche erfüllen den Zweck, dass der Körper die nötige Abkühlung bekommt. Und so weiter.
Das Prinzip dürfte klar geworden sein: Es sind primär Gefühle, wie Angst und Aggression, die diese und weitere ähnliche zahlreiche körperliche Reaktionen auslösen!
Es ist also keine willkürliche Sammlung von zufälligen Symptomen. Zunächst einmal sind es normale und sinnvolle Reaktionen des Körpers bzw. der Psyche, die dem Zweck der besseren Anpassung und des Überlebens dienen und einen inneren logischen Zusammenhang haben.
Es sind Reaktionen des so genannten vegetativen (dem bewussten Willen nicht zugänglichen) Nervensystems, wie Herzrasen, Muskelverspannung, Speichelfluss etc. Beim Angriff oder Flucht, wenn der Mensch Angst hat, wird über Adrenalinausschüttung der so genannte sympathische Teil des vegetativen Nervensystems aktiviert. Dann bekommt der Mensch Herzrasen, erweiterte Pupillen (zum besseren sehen in der Dunkelheit), Bluthochdruck etc… In Ruhe, wenn die Muskeln sich entspannen sollen und die Nahrung verdaut wird, wird der parasympathische Teil des vegetativen Nervensystems aktiviert.
Natürlich ist nicht immer jedes einzelne Symptom, das wir oben als psychosomatisch ansehen, wirklich psychosomatisch.
Was psychosomatisch im Sinne einer behandlungsbedürftigen Symptomatik ist, wann man von einer Erkrankung also ausgehen muss, und vor Allem: Warum im Ursprung normale körperliche Reaktionen zu Symptomen einer Erkrankung werden, darüber im nächsten Artikel über den psychologischen Sinn der psychosomatischen Zusammenhänge.
An dieser Stelle noch einmal ein ausdrücklicher Hinweis: Diagnosestellung ist und bleibt einzig und alleine eine ärztliche Angelegenheit, und dies hier ist keine Behandlungsanleitung, sondern ein Beispiel einer Aufklärung so, wie ich diese mit meinen Patienten durchführe. Denn: Wissen ist gut, verstehen ist besser.
W. Peters, Psychiater und Psychotherapeut. Köln
PS: Über die kritischen oder auch positiven Rückmeldungen, aber auch Fragen, zu meinen Artikel würde ich mich freuen. So versuche ich immer verständlicher komplexe Zusammenhänge zu erklären, um Ihnen den besseren Überblick zu ermöglichen.
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