Ärzte haben einen besonderen Blick auf die Welt der Medizin. Damit Patienten hinter die Kulissen des Gesundheitswesens blicken können, stellt jameda Herrn Prof. Dr. med. Stefan Holtmann interessante Fragen zu seinen Erfahrungen als Hals-, Nasen-, Ohrenarzt.
jameda: Herr Prof. Dr. Holtmann, was hat Sie motiviert, Hals-Nasen-Ohren-Arzt zu werden?
Herr Prof. Dr. Holtmann: Sicherlich maßgeblich mein Vater, der mein Vorgänger war und schon 1963 die Praxis gegründet hatte. Schon zur damaligen Zeit hatte auch er sehr viel operiert und schon Korrekturen der äußeren Nase vorgenommen. Darüber hinaus ist die HNO-Heilkunde ein schönes, anspruchsvolles und sehr vielseitiges Fachgebiet. Man kann es besonders gut als niedergelassener Arzt in der Praxis ausüben.
jameda: Was macht Ihnen im Praxisalltag am meisten Freude? Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Herr Prof. Dr. Holtmann: Für mich ist es der Mix, die Abwechslung. Zum einen hat man langjährige, innige Beziehungen zu Patienten, ja zu ganzen Familien, die zum Teil schon bei meinem Vater Patienten waren und einem ans Herz gewachsen sind. Oft wird mehr über persönliche und private Dinge gesprochen als über fachliche. Zum anderen ist man gelegentlich Psychologe, Berater und Beichtvater, oft auch Manager oder Handwerker, gerade wenn man einen operativen Schwerpunkt hat.
jameda: Welchen Vorurteilen begegnen Sie häufig in Ihrer Praxis?
Herr Prof. Dr. Holtmann: Nachvollziehbarerweise befinden sich Menschen, die vor einem Arzt sitzen, in einer Ausnahmesituation und sind zunächst eher reserviert, manchmal sogar misstrauisch und ängstlich. Und selbstverständlich haben auch nicht alle Patienten immer nur gute Erfahrungen mit Ärzten gemacht, was nicht immer die Schuld der Ärzte ist. Manchmal kann es auch an der schwierigen Sachlage liegen. So gesehen ist es für jeden Arzt hilfreich, wenn er selber mal wirklich krank und hilfebedürftig war, weil er sich dann wieder besser in seine Patienten hineinversetzen kann.
jameda: Manche Krankheiten und Therapien sind unangenehm und verlangen viel Durchhaltevermögen vom Patienten. Was raten Sie Patienten in solchen Situationen?
Herr Prof. Dr. Holtmann: Mit Zuwendung und Aufklärung lässt sich viel erreichen. Letztlich muss man den mittel- bis langfristigen Vorteil vermitteln können.
jameda: Wie reagieren Sie, wenn Sie merken, dass ein Patient Ihren Therapieplan nicht befolgt?
Herr Prof. Dr. Holtmann: Ich suche die Schuld zunächst bei mir. Offensichtlich war es mir nicht gelungen, meinen Patienten richtig zu informieren oder richtig zu überzeugen. Dann gehen Aufklärung und Information wieder von vorne los.
jameda: Wenn Sie das Gesundheitssystem ändern könnten, was würden Sie als Erstes tun?
Herr Prof. Dr. Holtmann: Der Zugang zum Medizinstudium muss neu gestaltet werden und die Ausbildung muss stärker organbezogen erfolgen, wie dieses private Universitäten schon stärker organisieren. Ich bin mir auch sicher, dass die Entwicklung hin zu Ambulatorien, Zentren und Großpraxen eine Fehlentwicklung ist. Die Betreuung von Kranken und Hilfesuchenden wird immer unpersönlicher, uneffizienter, unmenschlicher und letztlich unärztlicher. Verantwortlichkeiten werden delegiert und lassen sich gar nicht mehr zuordnen.
jameda: Kein Mensch ist perfekt. In welchen Bereichen haben Ärzte Ihrer Meinung nach Verbesserungspotential?
Herr Prof. Dr. Holtmann: Ich will mich da bewusst nicht ausnehmen: Ich glaube, als Arzt ist es besonders wichtig, dass man sich im Umgang mit seinen Patienten quasi von außen immer wieder selbst beobachtet und somit selbstkritisch bleibt. Nur dann wird es einem gelingen, freundlich und einfühlsam zu bleiben. Auch sollte man vielleicht häufiger versuchen, einem gewissen Trott zu entgehen und seine medizinischen Gepflogenheiten zu hinterfragen. Dazu zählt auch, möglichst immer ehrlich zu sein und sich und seinen Patienten gegenüber zuzugeben. Z. B. wenn man bei einer Kehlkopfuntersuchung kaum etwas sehen konnte, weil der Patient so stark gewürgt hatte.
jameda: Die Welt der Medizin verändert sich ständig. Gibt es neue Therapien oder Geräte, die Sie in Ihrer Praxis anwenden?
Herr Prof. Dr. Holtmann: Ja, so verwende ich mittlerweile für die Bearbeitung des Knochens bei Nasenkorrekturen ein Piezotom, mit dem man unter Schonung des Weichgewebes zumindest teilweise auf Raspeln sowie Hammer und Meißel verzichten kann. Man sollte aber die Technik nicht überbewerten. Sie ersetzt nie das Zuhören, die Erfahrung und eine genaue körperliche Untersuchung. Manchmal ist die Technik auch ein Fluch. Das gilt zum Beispiel für die vielen, zum Teil gar nicht mehr nachvollziehbaren Auflagen, die man als Arzt erfüllen muss, beispielsweise die neue sogenannte elektronische Gesundheitskarte.
jameda: Gibt es einen Patienten oder ein Erlebnis in Ihrer Praxis, das Sie nie vergessen werden?
Herr Prof. Dr. Holtmann: Auch wenn ich jetzt wieder auf meinen Vater zu sprechen komme: Er war ja selber HNO-Arzt und dann in seiner früheren Praxis, mittlerweile meiner Praxis, vor vielen Jahren mein Patient mit einem bösartigen Hauttumor auf der Nase und ich musste ihn fünfmal operieren. Man kann sich vielleicht vorstellen, dass das keine leichte Situation war! Die meisten Dinge, an die ich mich aber gerne erinnere, waren sehr schöne Erlebnisse.
jameda: Welchen Gesundheitstipp möchten Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben?
Herr Prof. Dr. Holtmann:
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