Team jameda
Chronische Ohrgeräusche sind weit verbreitet und können zu einer starken Beeinträchtigung der Lebensqualität führen. Sie führen zu Stressreaktionen im Körper und diese verstärken wiederum den Tinnitus. Ziel jeder Behandlung ist es daher, den Teufelskreis aus nervendem Tinnitus und vegetativer Anspannung zu durchbrechen. Dabei spielen neben Entspannungsmaßnahmen vor allem auch akustische Therapieformen eine entscheidende Rolle. Ihr Effekt beruht auf einer gezielten Beeinflussung der zentralen Hörverarbeitung mit dem Ziel, den störenden Tinnitus auf neuronaler Ebene zu unterdrücken (akustische Neuromodulation). Vor allem drei Verfahren sind wissenschaftlich gut dokumentiert:
1. Noiser
Der Einsatz von Noisern geht auf die Forschungsarbeiten von Prof. Jastreboff in den 90er Jahren zurück. Ein neutrales weißes oder braunes Rauschen vermischt sich mit dem Tinnitus, so dass ein neutrales Gesamtgeräusch entsteht, das von der Hörverarbeitung im Gegensatz zum Tinnitus unterdrückt wird. Kurzfristig wird der Tinnitus durch den Ablenkungseffekt leiser. Langfristig lernt die Hörverarbeitung, den Tinnitus auch mit immer weniger Noiser-Rauschen zu unterdrücken, so dass sich der Noiser im Laufe der Zeit im Idealfall selbst überflüssig macht (Habituation).
Noiser werden in Form von Hörgeräten angeboten und sind verordnungsfähig. Die Kosten werden zum größten Teil von den gesetzlichen und privaten Krankenkassen übernommen. Da ihr Effekt nicht frequenzspezifisch ist, können sie bei allen Arten von Tinnitus eingesetzt werden. Bei gleichzeitiger Schwerhörigkeit sind auch Kombinationsgeräte (Noiser mit Hörgerät) erhältlich. Noiser sind vor allem dann indiziert, wenn es tagsüber zu häufig wechselnden akustischen Situationen kommt und bieten eine Art ?akustisches Sicherheitsnetz?.
2. Notched-noise-Therapie
In Studien von Pantev und Lugli konnte in den letzten Jahren gezeigt werden, dass sich ein tonaler Tinnitus (also ein Tinnitus, der auf einen umschriebenen Frequenzbereich beschränkt ist) durch das Ausschneiden der Tinnitusfrequenz aus einem Rauschen oder aus Musikstücken langfristig bessern lässt. Das beruht einerseits auf einer Schonung der Nervenfasern, die den Tinnitus ständig übertragen, und andererseits auf einer Hemmung dieser Nervenzellen durch die Nachbarzellen (laterale Hemmung).
3. Coordinates reset stimulation
Durch die zusätzliche Verstärkung von Frequenzen, die dem Tinnitus direkt benachbart sind, wird dieser Effekt noch verstärkt und die neuronale Übertragung noch stärker gehemmt. Der Tinnitus wird dadurch im Laufe der Zeit immer leiser.
Seit Anfang 2014 ist die eine Therapie auf dem Markt, die alle drei akustischen Therapieprinzipien in einer individuell auf die Tinnitusfrequenz abgestimmten MP3-Datei vereinigt und als CD für 45,- Euro erhältlich ist. Die Tinnitusfrequenz kann selbst auf einer Website oder beim spezialisierten HNO-Arzt bestimmt werden.
Da es sich bei allen Verfahren um Lernprozesse handelt, sollte die Therapie im Idealfall mehrere Stunden täglich und über einen längeren Zeitraum erfolgen. Der Effekt kann vor allem bei älteren Patienten durch eine hochdosierte Ginkogabe (240 mg am Tag) noch verstärkt werden, da Ginko die neuronalen Umbauprozesse und damit den Lernvorgang unterstützt.
Grundsätzlich sollten akustische Tinnitustherapien im Rahmen eines strukturierten Gesamtkonzeptes (z.B. “Tinnitus - na und?!“ vom HNOnet NRW und der Deutschen Tinnitusliga) mit anderen Therapiebausteinen kombiniert werden. Im weiteren Sinne zu den akustischen Therapieverfahren gehören das Hörtraining bei einer Geräuschüberempfindlichkeit (Hyperakusis) und hörverbessernde Maßnahmen bei einer Hörminderung. Diese sollten den oben genannten Maßnahmen grundsätzlich vorausgehen:
Ausgewählte Literatur
Tass PA, Adamichic I, Freund HJ, von Stackelberg T, Hauptmann C: Counteracting tinnitus by acoustic coordinates reset neuromodulation. Restor Neurol Neurosci 2012; 2: 137-9
Okamoto H, Stracke H, Stoll W, Pantev C: Listening to tailormade notched music reduces tinnitus loudness and tinnitus related auditory cortex activity. Port Natl Acad Sci USA 2010; 107: 1207-10
Lugli M, Romani R, Ponzi S, Bacciu S, Parmigiane S: The window sound therapy: a new empirical approach for an effective personalized treatment of tinnitus. Int Tinnitus J 2009;15 (1): 51-61
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