Artikel 22/04/2010

Phytopharmaka (pflanzliche Arzneistoffe) bei Herz-Kreislauferkrankungen

Team jameda
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phytopharmaka-arzneipflanzen

Seit Urzeiten bedienen sich die Menschen elementarer Heilfaktoren wie Wärme, Kälte, Erde, Wasser, Luft und Pflanzen. Dem Mittelalter verdanken wir u.a. aus der Klosterheilkunde einen erheblichen Wissens- bzw. Erfahrungszuwachs hinsichtlich phytotherapeutischer Anwendungen und inzwischen hat sich die Naturheilkunde zunehmend (wieder) auch auf universitärer Ebene als integraler Bestandteil einer modernen Medizin etabliert. So wird z.B. Johanniskraut bei leichten bis mittelschweren Depressionen eingesetzt, Fencheltee nach abdominellen Eingriffen verordnet und Blutegel sind therapeutisches Konzept in der Transplantationschirurgie.

Möglichkeiten und Grenzen einer naturheilkundlichen Therapie müssen jedoch genau abgesteckt werden, um einer ebenso ‘modernen’ Scharlatanerie vorzubeugen. Nicht das Portemonnaie des Therapeuten steht im Vordergrund, sondern die Gesundheit unserer Patienten.

Bei Erkrankungen des Herzkreislaufsystemes stehen zahlreiche naturheilkundliche Therapieansätze zur Verfügung. Wie die Hydro-/Thermo-Therapie, Ordnungs- und Ernährungs- sowie die Bewegungstherapie gehört auch die Phytotherapie zu den in Deutschland klassischen komplementärmedizinischen Behandlungsoptionen.

Für den hier nur orientierend dargestellten Bereich von Herz-Kreislauferkrankungen sind ebenfalls phytotherapeutische Optionen existent, wenngleich limitiert.

Das Ausmaß der Arteriosklerose als Ausdruck des Alterungsprozesses des Organismus auf Gefäßebene ist von zahlreichen Faktoren abhängig (Rauchen, Diabetes, Fettstoffwechsel, körperliche Bewegung…). Essentielle Fettsäuren – in unserem Organismus Bestandteile von Biomembranen - sind als Fertigpräparate erhältlich und haben u.a. sklerosehemmende Effekte. Studien zur vergleichenden Wirkung von Knoblauchpräparaten (Allii sative bulbus) und Fibraten mit erstaunlichen Ergebnissen existieren (1) und auch die positive Wirkung von Sojaphospholipiden (Lecithinum ex soja) auf den Fettstoffwechsel ist pharmakologisch ebenso dokumentiert wie die von Flohsamen/Flohsamenschalen (psylii semen).

Zur Behandlung des Bluthochdruckes existieren keine anerkannten Therapiekonzepte. Versuchsweise kommt hier die Rauwolfiawurzel (Rauwolfiae radix) sowie erneut die Knoblauchzwiebel zur Anwendung. Die Datenlage zur Behandlung der Hypotonie sowie der orthostatische Fehlregulation ist ebenfalls spärlich. Präparate, die Besenginsterkraut (Cytisi scoparii herba) oder Campher (plus Weißdornbeeren) enthalten, können kreislauftonisierende Wirkungen entfalten. Darüber hinaus existieren fixe Kombinationen aus Adonis-, Maiglöckchenkraut sowie Meerzwiebel und Oleanderblätter. Letztere werden – aufgrund ihrer schlechten Resorptionsquote -  auch als Digitalisglykoside zweiter Ordnung eingestuft (3).

Tatsächlich ist die Datenlage bei der chronischen Herzinsuffizienz umfangreicher. Herzglykoside des Fingerhutes (Digitalis purpurea) gehören seit Jahrzehnten zum therapeutischen Ensemble der Herzinsuffizienz, ferner können standardisierte Crateagus-Präparate (Weissdornblätter mit Blüten, Crataegi folium cum flore) hier, je nach Schweregrad der Symptomatik, flankierend zur Anwendung kommen (2).

Die akute Herzinsuffizienz entzieht sich einer rationalen phytotherapeutischen Behandlungsoption ebenso wie Herzklappenerkrankungen und die koronare Herzerkrankung (Herzkranzgefäßverkalkung). Auch Herzrythmusstörungen müssen konventionell schulmedizinisch therapiert werden. Lediglich ergänzend können das Besenginsterkraut oder das Herzgespannkraut (Leonuri cardiacae herba) zur Anwendung kommen, allerdings auch hier immer unter Berücksichtigung des – vergleichsweise sehr geringen – Nebenwirkungsprofiles.

Bei funktionellen Herzbeschwerden kommen erneut Weissdornpräparate zum Einsatz, entscheidend ist insbesondere hier – wie auch in der Herzinsuffizienztherapie - die ausreichend hohe Dosierung. Auch Herzsalben, die u.a. ätherische Öle wie Rosmarin, Campher, Eukalyptus, Arnika – und Weissdornextrakte enthalten, finden Anwendung. Artischocken- oder Baldrianprodukte (Valerianae radix) können über ihre entblähende Wirkung Linderung verschaffen (Roemheld-Syndrom).

Zur Durchblutungsförderung bei arterieller Verschlusskrankheit wurden standardisierte Extrakte aus Gingko-biloba positiv monographiert.

Und - gut zu wissen: Bioaktive Polyphenole (Reservatrol) in Weinen (v.a. Rotwein) gelten als Ursache für das sogen. 'french paradoxon“, dem reduzierten Herzinfarktrisiko bei Franzosen trotz deren Nikotinkonsum und fettreicher Ernährung.

Zusammenfassend gilt: Phytotherapeutika  haben in der Herzkreislaufmedizin ihren Stellenwert primär als ergänzende Therapie. Eine kritische schulmedizinische und leitliniengerechte Therapie unter der Kontrolle eines erfahrenen bzw. hierfür spezialisierten Arztes sollte die Basis jeglicher therapeutischer Bemühungen sein.

Literatur:
1. Holzgartner H. et al., Arzneim Forschung/Drug Res 42, 1473 – 1477, 1992)
2. Survival and Prognosis: Investigation of Crataegus Extract WS 1442 in congestive heart failure (SPICE), (Holubarsch C.J.F. et al. European Journal of heart failure 2 (2000) 431-437)
3. Andre´-Michael Beer (Hrsg), Stationäre Naturheilkunde (2005), 206 - 217

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