
Viele Menschen mit chronischen Rückenschmerzen oder einer sogenannten Spinalkanalverengung (Spinalkanalstenose) können früher oder später die Empfehlung zu einer Operation erhalten. Nicht selten heißt es dann, dass eine Versteifung notwendig sei. Diese Vorstellung löst bei vielen Patienten Unbehagen aus. Sie fragen sich, ob ihr Rücken danach dauerhaft steif ist, ob sie noch Sport treiben können und wie lange der Heilungsprozess dauern wird.
Die gute Nachricht ist, dass eine Versteifung heute in vielen Fällen nicht mehr erforderlich ist. Dank moderner minimalinvasiver Techniken kann in der Wirbelsäulenchirurgie der Nerv oft gezielt entlastet werden, ohne dass ganze Wirbelsäulenabschnitte dauerhaft versteift werden müssen. In meiner täglichen Arbeit erlebe ich, dass viele Patientinnen und Patienten von diesen neuen, schonenderen Verfahren profitieren, weil sie sich schneller erholen und langfristig beweglicher bleiben.
Die lumbale Spinalkanalverengung ist eine der häufigsten Ursachen für Rückenschmerzen im Alter. Dabei verengt sich der Raum im Wirbelkanal, in dem die Nerven verlaufen. Es kommt zu Beschwerden wie Beinschmerzen, Gefühlsstörungen oder Gangunsicherheit. Auch das sogenannte Wirbelgleiten (Spondylolisthesis) kann auftreten, bei dem sich ein Wirbel leicht nach vorne verschiebt. Lange Zeit galt dies als klare Indikation für eine Versteifung der Wirbelsäule.
Heute weiß man jedoch, dass viele dieser Fälle auch ohne Versteifung erfolgreich behandelt werden können. Moderne mikrochirurgische oder endoskopische Verfahren ermöglichen es, den betroffenen Nerv gezielt zu entlasten, ohne Schrauben oder Implantate einzusetzen. Der Eingriff erfolgt über kleine Hautschnitte und unter Schonung der Rückenmuskulatur.
Die Vorteile solcher Eingriffe sind deutlich spürbar. Patienten haben nach der Operation weniger Schmerzen, der Krankenhausaufenthalt ist kürzer, und die Erholungsphase verläuft meist schneller. Vor allem aber bleibt die Beweglichkeit der Wirbelsäule erhalten, was für viele Patienten von großem Wert ist.
Auch bei einem begleitenden Wirbelgleiten kann in vielen Fällen auf eine Versteifung verzichtet werden, sofern keine instabile Bewegung der Wirbelkörper vorliegt. Voraussetzung ist eine sorgfältige Diagnostik mit Bildgebung und gegebenenfalls Röntgenaufnahmen unter Belastung. Wenn keine echte Instabilität nachgewiesen werden kann, reicht häufig eine gezielte Dekompression der betroffenen Nervenwurzel aus.
Wissenschaftliche Studien aus Schweden und anderen Ländern haben gezeigt, dass Patienten mit einer alleinigen minimalinvasiven Dekompression (Entlastung) langfristig ähnliche Ergebnisse erzielen wie Patienten mit Versteifung. Gleichzeitig treten nach einer Versteifung häufiger sogenannte Anschlussprobleme auf. Das bedeutet, dass die angrenzenden Segmente stärker belastet werden und sich dort neue Beschwerden entwickeln können. In einigen Fällen muss später eine zweite Operation durchgeführt werden.
Natürlich gibt es auch Situationen, in denen eine Versteifung sinnvoll oder sogar erforderlich ist. Dies gilt zum Beispiel bei ausgeprägter Instabilität, bei starken Rückenschmerzen ohne ausstrahlende Beschwerden oder bei bestimmten Fehlstellungen der Wirbelsäule. Aber die Entscheidung für oder gegen eine Versteifung sollte immer individuell getroffen werden, basierend auf dem Beschwerdebild, den Bildbefunden und dem persönlichen Alltag des Patienten.
Ich empfehle Patientinnen und Patienten, sich gut über ihre Diagnose und die möglichen Therapieoptionen zu informieren. Häufig erlebe ich in meiner Sprechstunde, dass bereits eine Operation mit Versteifung empfohlen wurde, ohne dass über alternative Verfahren gesprochen wurde. In solchen Fällen lohnt es sich fast immer, eine Zweitmeinung einzuholen.
Die moderne Wirbelsäulenmedizin bietet heute viele Möglichkeiten, individuell und schonend zu behandeln. Mein Ziel ist es, Patientinnen und Patienten die bestmögliche Therapie anzubieten, mit dem geringstmöglichen Risiko und dem größtmöglichen Nutzen. Dazu gehört auch der verantwortungsvolle Umgang mit operativen Verfahren. Eine Versteifung kann helfen, wenn sie richtig indiziert ist. Aber sie sollte nicht vorschnell eingesetzt werden.
Wenn Sie unter Rückenschmerzen leiden oder bei Ihnen eine Spinalkanalverengung oder ein Wirbelgleiten diagnostiziert wurde, sprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt über alle Möglichkeiten. Fragen Sie gezielt nach minimalinvasiven Alternativen und lassen Sie sich erklären, ob in Ihrem Fall wirklich eine Versteifung notwendig ist.
Ich empfehle grundsätzlich, sich eine fundierte Zweitmeinung einzuholen. Denn oft lässt sich durch eine schonende Behandlung eine große Operation vermeiden. Die Wirbelsäule ist ein zentrales Organ unserer Bewegung und verdient eine Therapie auf dem neuesten Stand der Medizin.
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