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Magersucht kann lebensbedrohlich sein. Erfahren Sie alles über Symptome, Ursachen und Therapiemöglichkeiten!
Magersucht ist eine psychisch bedingte Essstörung. Betroffene reduzieren ihr Körpergewicht, indem sie sehr wenig essen, sich übertrieben viel bewegen, absichtlich erbrechen sowie Abführmittel und andere Medikamente missbrauchen. Als Folge können Unterernährung, Stoffwechselstörungen und weitere psychische Erkrankungen auftreten. Nicht selten geraten Magersüchtige in einen lebensbedrohlichen Zustand.
Magersucht tritt klassischerweise bei Mädchen und Frauen auf. Sie sind zehnmal häufiger betroffen als Jungen und Männer. Aus der besonders gefährdeten Gruppe der 14-18-jährigen Mädchen ist bis zu 1 % erkrankt.
Die Behandlung ist langwierig. Im Durchschnitt dauert es sechs Jahre, bis Betroffene geheilt sind. Bei bis zu 20 % der Magersüchtigen nimmt die Krankheit einen chronischen Verlauf. Hier wechseln sich Heilung und Rückfälle über viele Lebensjahrzehnte ab.
Patienten mit Essstörungen sind auf Nahrung und Nahrungsaufnahme fixiert. Dabei fungieren Diäten oft als Einstieg in ein krankhaftes Essverhalten. Magersüchtige essen extrem wenig und sehr langsam, oft riechen sie nur an Lebensmitteln. Bei Tisch schneiden sie die Speisen sehr klein und kauen lange auf einem Bissen herum. Manche Betroffene trinken viel Wasser, um den Hunger zu betäuben, andere schränken auch die Flüssigkeitsaufnahme ein.
Ein Magersüchtiger vom restriktiven Typ hält diese Einschränkungen eisern durch. Patienten vom bulimischen Typ nehmen, wenn der Heißhunger zu groß wird, große Mengen an Nahrungsmitteln zu sich, um sie dann mittels Erbrechen und Abführmitteln wieder loszuwerden.
Um zusätzlich Kalorien zu verbrennen, treiben Magersüchtige übermäßig Sport und tragen bei kühlem Wetter dünne Kleidung. Der ständige Bodycheck gehört zum Alltag. Dabei wird der Körper im Spiegel, im Schaufenster, auf der Waage und mit dem Maßband überprüft.
Betroffene entwickeln Untergewicht. Der Body-Mass-Index beträgt bei Erwachsenen 17,5kg/m2 oder weniger, Kinder liegen auf der 10. Perzentile oder darunter.
Magersüchtige leiden an Nährstoffmangel, der sich körperlich und seelisch bemerkbar macht. Anzeichen sind trockene Haut, brüchige Nägel und Haarausfall. In extremen Fällen bedeckt eine feine flaumartige Behaarung den Körper (Lanugo). Das Herz schlägt langsamer, der Blutdruck und die Körpertemperatur sinken. Weitere Symptome sind Osteoporose, eine ausbleibende oder nicht einsetzende Menstruation bei Frauen und Impotenz bei Männern. Da sich der Magen sehr langsam entleert, rufen schon kleinste Bisse ein Völlegefühl hervor.
Durch den Proteinmangel lagert der Körper Wasser ein, die Nieren können versagen und das Hirnvolumen nimmt ab. Verstärkt werden diese teilweise lebensbedrohlichen Folgen durch den Einsatz von Abführmitteln, die zu Durchfall führen und den Elektrolythaushalt stören.
Der Missbrauch von Entwässerungsmitteln entzieht dem Körper Flüssigkeit und Mineralstoffe. Auch Schilddrüsenhormone werden genommen, um den Stoffwechsel anzuregen und so den Kalorienverbrauch zu erhöhen.
Anorektische Patienten leiden auch psychisch. Auch wenn das Hungern anfangs zu einem vermeintlich guten Gefühl der Kontrolle und des Selbstbewusstseins verhilft, schlägt die Stimmung in Gereiztheit, Hoffnungslosigkeit und Gleichgültigkeit um, wenn die Krankheit fortgeschritten ist. Psychische Erkrankungen wie Depression, Angst-, Zwangs- und Verhaltensstörungen können sich entwickeln. Das Sterberisiko erhöht sich bei Magersüchtigen um das Zehnfache. Etwa 10-15% der Erkrankten sterben in Folge der Krankheit.
Die Entstehung von Magersucht ist komplex. Eine große Rolle dabei spielen Faktoren wie Veranlagung, Familienstruktur, Persönlichkeitsmerkmale, Entwicklungen in der Pubertät und gesellschaftliche Vorstellungen.
So hat man eine familiäre Häufung von Essstörungen festgestellt, ohne allerdings ein eigenes Gen dafür zu finden. Die Familienstruktur wurde früher als Hauptursache für die Entstehung von Magersucht angesehen, z. B. die Kindheit mit einem autoritären Vater und einer ängstlichen Mutter. Heute geht man davon aus, dass sich Magersucht in jeder Familie entwickeln kann. Betroffene sind in ihrer Persönlichkeit eher zurückhaltend bis ängstlich. Sie haben einen Hang zum Perfektionismus. Ihr Selbstbewusstsein ist gering und sie passen sich leicht an gesellschaftliche Normen an.
Die Pubertät stellt Jugendliche vor große Herausforderungen. Besonders für Mädchen kann die Entwicklung ihres Körpers mit Gewichtszunahme und weiblichen Rundungen unangenehm sein, weil sie ihre Figur mit dem von der Gesellschaft propagierten Schlankheitsideal nicht vereinbaren können. Im Verlauf der Erkrankung verschiebt sich bei Magersüchtigen die Eigenwahrnehmung ihres Körpers drastisch. Diese Körperbildstörung führt dazu, dass sich die Betroffenen immer noch als dick und hässlich ansehen, obwohl sie schlank bis abgemagert sind.
Folgender Test kann einen Hinweis auf eine Magersucht geben, allerdings ersetzt er eine ärztliche Diagnose nicht. Schon wenn nur eine oder zwei Aussagen zutreffen, sollte man sein Essverhalten überprüfen und gegebenenfalls um Hilfe bitten.
Die Hürde, um Hilfe zu bitten, ist relativ hoch. Angst, Scham und Uneinsichtigkeit halten oft davon ab. Eine erste Unterstützung erhalten Eltern, Angehörige und Betroffene bei qualifizierten Beratungsstellen. Diese beraten telefonisch, online oder im direkten Gespräch, meist unentgeltlich. Wer möchte, kann anonym bleiben. Man erhält praktischen Beistand, Informationen zu Behandlungsangeboten und Hilfe bei der Therapieauswahl.
Die Behandlung der Magersucht beinhaltet verschiedene Fachgebiete. Beteiligt sind Internisten, (Jugend-)Psychologen und spezialisierte Ärzte wie z. B. Ernährungsmediziner, Psychiater und Ärzte für Psychosomatik. Die Heilung geht in der Regel langsam voran, denn Betroffene und Angehörige müssen viel Geduld aufbringen und dürfen sich durch Rückschläge nicht entmutigen lassen. Um körperliche Folgen der Mangelernährung zu überwachen, werden Magersüchtige internistisch betreut. Dabei werden Blutdruck, Gewicht sowie Blut- und sonstige Laborwerte regelmäßig geprüft.
Das zentrale Element der Behandlung ist die Psychotherapie. Dabei können verschiedene Therapieformen zum Einsatz kommen wie kognitive Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und systemische Familientherapie.
Die oberste Priorität hat anfangs die Gewichtszunahme der Betroffenen. Sie ist Voraussetzung für die Heilung der körperlichen und seelischen Störungen. Mit einem Gewichtsvertrag verpflichten sich die Patienten, an einer kontinuierlichen Gewichtszunahme mitzuarbeiten. Über strikte Ernährungspläne lernen sie, Nahrung zu sich zu nehmen, sich ohne Kalorienzählen ausgewogen zu ernähren und Trinkmengen in vernünftigem Rahmen zu halten.
Ziel ist ein BMI von mindestens 18kg/m2 bzw. die 25. Perzentile bei Kindern und Jugendlichen. Im weiteren Verlauf der Psychotherapie werden Themen wie Selbstwertgefühl, Leistungsdruck, Perfektionismus und Wahrnehmung von Gefühlen besprochen. Auch Therapieformen wie Körper-, Kunst- oder Tanztherapie können Betroffenen bei der Genesung helfen. Bei Kindern ist eine Familientherapie angezeigt. Ambulant lässt sich eine Behandlung durchführen, wenn der BMI deutlich über 15kg/m2 liegt.
Hier kann die Aussicht, nicht in eine Klinik zu müssen, Betroffene motivieren und die Heilungschancen verbessern. Haben Patienten jedoch hochgradiges Untergewicht oder konnten sie in einer ambulanten Therapie innerhalb von drei bis sechs Monaten nicht an Gewicht zunehmen, müssen sie stationär aufgenommen werden. Anfangs kann eine Ernährung über Sonde nötig sein. Nach der Entlassung werden Patienten über mehrere Jahre nachbetreut, Selbsthilfegruppen geben hier zusätzlich Halt.
Aufgabe von Eltern und Freunden ist es, den Patienten immer wieder zur Therapie zu motivieren. Sie sollten sich über die Krankheit informieren, sich selbst bei Beratungsstellen Hilfe holen und zum Team der behandelnden Ärzte Kontakt halten. Es gilt, Magersucht als Erkrankung zu akzeptieren und nicht als willentlich provozierendes Verhalten des Betroffenen anzusehen. Einen neuen Zugang zu den Themen Essen, Figur, Gewicht und Selbstverantwortung erarbeitet der Patient in der Therapie. Innerhalb der Familie dagegen sollte weder Essverhalten noch Körpergewicht des Patienten kommentiert oder kontrolliert werden.
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