Man sollte meinen, der Menschheit fehlte es nicht an Erkrankungen. Akute und chronische, entzündliche und degenerative, neoplastische und psychosomatische, bösartige und ansteckende, behandelbare und therapieresistente … Und finanziell lukrative. Am besten solche, die für den geneigten Patienten zudem nicht wirklich bedrohlich sind. Solche, die bei genauerer Betrachtung eigentlich die Bezeichnung Krankheit nicht verdienen, aber doch von Nutzen anderer sein könnten. Krankheiten, die dadurch entstehen, dass Fakten in Beziehungen gesetzt werden, die für sich genommen zwar richtig sind, aber im Kontext der ‘Krankheit’ nur für Verwirrung beim Patienten sorgen. Erkrankungen, die für Unsicherheit, sogar Angst sorgen können, sich vermarkten lassen. Eine dieser Erkrankungen heißt Lactose-Intoleranz.
Die Rolle des Milchzuckers
Zunächst einmal stellt sich die Frage, was das für eine Erkrankung sein soll. Nun, das hängt ganz maßgeblich davon ab, in welcher Lebenssituation sich der Betroffene befindet. Zum Beispiel: der Säugling. In der Tat gibt es bei ihm den sehr seltenen Fall des sogenannten neonatalen Lactasemangels (Alactasie), einer echten Erkrankung, die zu gefährlichen Durchfällen führt.
Schauen wir auf die Begriffe ‘neonatal’ und ‘Lactasemangel’. Ersteres umschreibt den Lebensabschnitt (‘neugeboren’). Zweiteres den Mangel eines Verdauungsenzymes, einer körpereigenen Substanz, die in der Lage ist den Milchzucker (Laktose) in zwei Untereinheiten zu spalten, der sogenannten Glukose und der Galaktose.
Diese beiden Untereinheiten sind wichtige Energieträger, also für das neugeborene Kind von herausragender Bedeutung. Die von der Natur aus vorgesehene Nahrung dieses Lebensabschnittes ist die Muttermilch. Diese ist sehr milchzucker- also lactosereich. Im Übrigen wesentlich reicher an Milchzucker als die Kuhmilch. Fassen wir nun zusammen: Der Säugling benötigt das Enzym Lactase (mit a), um die Lactose (mit o) verdauen zu können, da er ja Muttermilch braucht - wer hätte das gedacht! Das ist bei Säugetieren so.
Mit der Zeit aber wird die Muttermilch als alleinige Quelle für Energie und Baustoffe immer weiter durch die feste Nahrung verdrängt, die das Menschenbaby wie auch das Tierbaby in der Lage zu verdauen sind. Es ist nicht mehr auf die mütterliche Milch angewiesen und verliert die Fähigkeit, ihren nur in der Milch vorkommenden Milchzucker spalten zu können. Es toleriert den Milchzucker nicht mehr und wird also lactoseintolerant.
Soweit bei den Säugetieren. Sie hören einfach auf, Muttermilch zu trinken. Sie vertragen sie auch nicht mehr. Das Bild des vom Menschen liebevoll (oder auch hartnäckig) hingestellten Milchschälchens für die Katze entpuppt sich als kontraproduktiv, da es bei diesen erwachsenen Geschöpfen Durchfälle hervorruft. Der Milchzucker, der unverdaute, bindet das Wasser in den Katzendärmen, wo es dann als Abführmittel seine Dienste tut. Dieser Effekt wird bis heute auch bei menschlichen Abführmitteln in Form von, man mag es kaum sagen, Milchzucker/Lactose genutzt und vermarktet. Ist also die Intoleranz des Milchzuckers eine Krankheit oder die sozusagen natürliche Reaktion auf ein Abführmittel?
Soweit, sogut. Durch jahrhundertelange Viehzucht und entsprechendem Milchkonsum passte sich ein Teil der Menschheit diesem für Säuger so ungewöhlichen Milchzuckereintrag an, mutierte diesbezüglich und wurde lactosepersistent. Nein, dies stellt keine neue Erkrankung dar. Statt lactosepersistent könnte man auch lactosetolerant sagen.
Eine Anpassung, die nur bei wenigen erwachsenen Menschen feststellbar ist, für die Milch nun als vollwertiges Nahrungsmittel zur Verfügung steht. Interessant ist, dass diese Menschen überwiegend aus Europa und Nordamerika stammen. Die Evolution schreitet also weiter fort, die Menschheit entwickelt sich weiter, wir dürfen noch hoffen. Den evolutionär Zurückgebliebenen verschließt sich also eine wertvolle Nahrungsquelle - das schon.
Das durch die mitteleuropäische Kulturgeeichte und mit Milchkonsum sozialisierte Kind und dessen Kindeskinder werden bis heute hartnäckig zum Milchtrinken gedrängt, sodass in den meisten Köpfen die Begriffe Gesundheit und Milch untrennbar miteinander verbunden sind. Bezogen auf den Säugling ist diese Verbindung auch richtig - vorausgesetzt es ist die Milch der eigenen Gattung und nicht die eines anderen Säugetieres.
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