Die instabile Kniescheibe (Patellainstabilität) mit akuten und rezidivierenden Luxationen stellt eine große therapeutische Herausforderung dar. Bei einer Patellaluxation kommt es durch unphysiologisch wirkende Kräfte zu einer Verlagerung der Kniescheibe nach außen. Eine intensive diagnostische Abklärung ist notwendig, um dann die richtigen Entscheidungen in Bezug auf konservative und/ oder operative Verfahren zur Stabilisierung zu wählen.
Das Kniescheibengelenk (Patellofemoralgelenk) ist ein komplex aufgebautes System. Die Patella wird im strecknahen Bereich hauptsächlich durch den Bandapparat stabilisiert. Bei zunehmender Beugung wird die Patella dann knöchern im Gleitlager des Oberschenkelknochens (Femur) geführt.
Die Fehlbildung des Gleitlagers (Trochleadysplasie) ist die häufigste Ursache einer Patellainstabilität. Sie stellt quasi die schlechteste Voraussetzung für eine stabile Patellaführung dar. Aufgrund der fehlenden oder fehlangelegten Gleitrinne für die Patella, muss die Führung über den weichteiligen Stabilisatoren erfolgen. Dies führt in der Mehrzahl der Fälle zu einer zunehmenden Überlastung dieser Strukturen, sodass im weiteren Verlauf eine dauerhafte Destabilisierung der Patella droht.
Eine Änderung der mechanischen Beinachse führt zu Veränderungen in der Führung der Patella. Bei X-Beinen oder einem 'nach innen gedrehtem Oberschenkel“ bzw. „nach außen gedrehtem Unterschenkel“ besteht eine nach außen gerichtete Kinematik der Patella mit entsprechend ‘instabilerer’ Situation.
Wenn die Patella zu ‘hoch steht’ (Patella alta), ist sie damit prinzipiell mehr gefährdet für (Sub-) Luxationsereignisse. Je mehr die Patella alta ausgeprägt ist, desto länger befindet sich die Patella in dieser weichteiligen und „anfälligen“ Situation, da sie während der Beugebewegung ‘später’ (bei höherem Beugegrad) in die trochleare Rinne „eintaucht“.
Unausgewogene Zugkräfte der Streckmuskulatur bewirken eine veränderte Kinematik mit veränderter Belastung des Patellofemoralgelenks. Sehr häufig findet sich eine Schwäche des inneren Kniestreckers (M. vastus mediales) bzw. Überaktivität des äußeren Kniestreckers, was zu einer signifikanten Tendenz der Patella nach außen führt. Die Ursache ist meist multifaktoriell.
Bei einer Luxation der Patella kommt es fast immer zu einer Ruptur des inneren Kniescheibenhaltebandes (Mediales Patellofemorales Ligament - MPFL). Sobald eine Insuffizienz oder Ruptur des MPFL vorliegt, ist der Lauf der Patella deutlich nach außen gerichtet.
Wenn keine hochgradige Grundpathologie vorliegt, sollte die Erstluxation der Patella konservativ behandelt werden. Das primäre Ziel der Therapie ist die Wiederherstellung der vollen Belastbarkeit im Alltag und im Sport. Ein sekundäres Ziel ist die Sicherheit der Behandlung mit Vermeidung einer erneuten Luxation und damit evtl. verbundenen Folgeschäden (z.B. Knorpelschäden).
Eine Bandheilung (MPFL) kann bei der konservativen Behandlung einer Patellaluxation nur indirekt über die mögliche Ausbildung einer Narbe erfolgen. Die Behandlungsmaßnahmen zielen darauf ab, diese Chance zu unterstützen, indem die Patella bis zum Abschluss ihres Heilungsvorgangs in eine optimale Position hierfür geführt wird. Nach einer akuten Luxation sollte eine äußerlicher Stabilisator für die Patella angelegt werden (Knieorthese), um die Bewegung der Patella zu stabilisieren und den Druck hinter der Kniescheibe zu minimieren.
Die Patienten können so durch die Reduktion der Beschwerden und dem verbesserten Gefühl der „Sicherheit“ mehr Vertrauen in ihr Knie gewinnen und das Funktionsniveau wieder erhöhen. Die Verordnung sollte immer in Kombination mit einem Übungsprogramm erfolgen, in dessen Verlauf der äußerliche Stabilisator stetig abtrainiert wird. Bei einer Hypermobilität mit dem Gefühl von rezidivierenden Subluxationen ist ein analoges Vorgehen mit Unterstützung einer patellastabilisierenden Knieorthese und intensiver physiotherapeutischer Betreuung zu empfehlen.
Die Verordnung sollte immer in Kombination mit einem Übungsprogramm erfolgen, in dessen Verlauf der äußerliche Stabilisator stetig abtrainiert wird.
Da die Reluxationsrate nach einer zweiten Luxation auf bis zu ca. 50% ansteigt, ist nun ein operatives Vorgehen indiziert. Die Orientierung an einem Therapiealgorithmus ist zu empfehlen. Zudem sind patientenindividuelle Parameter (z.B. Alter, Aktivitätsgrad, Leidensdruck, sonstige Pathologien am Knie und Bewegungsapparat, etc.) zu berücksichtigen.
Da die vollständige Luxation der Patella immer zu einer Schädigung des MPFL führt, ist der Ersatz des wichtigsten Medials - die Patella stabilisierende anatomische Struktur - im Verlauf der letzten Jahre sehr populär geworden. Der MPFL-Ersatz ist sicherlich der häufigste operative Eingriff zur Behandlung der rezidivierenden lateralen Patellaluxation.
Für den MPFL-Ersatz sind eine Reihe verschiedener Verfahren beschrieben. Die wissenschaftliche Evidenzlage lässt keine Aussagen zur Wertigkeit dieser Techniken untereinander zu. So sollte der Expertise des Operateurs obliegen, welche Technik angewendet wird.
Die Vertiefung der Gleitrinne (Trochleaplastik) ist in schwerwiegenden Fällen mit ausgeprägter Instabilität bei erheblicher Trochleadysplasie vorbehalten. Dabei besteht eine völlige Inkongruenz zwischen der Patella und ihrem Gleitlager. Luxationen und Subluxationen treten permanent schon bei Alltagsaktivitäten auf. Additiv zur Trochleaplastik ist zur medialen Stabilisierung der Patella in der Regel noch eine MPFL-Ersatzplastik notwendig.
Bei Patella alta und knöchernen Fehlstellungen der Beinachsen sind evtl. auch Osteotomien (Knochendurchtrennungen) am Ober- oder Unterschenkel notwendig, um die Fehlstellung ausreichend zu adressieren und die Biomechanik im Patellofemoralgelenk zu normalisieren.
Die Entscheidung, welche Therapie am besten zu Ihnen passt, kann nur individuell getroffen werden. Der operierende Orthopäde/ Unfallchirurg sollte regelmäßig Patienten mit einer Instabilität der Kniescheibe behandeln und somit bereits ausreichend Erfahrung auf diesem Gebiet mitbringen.
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