Ärzte haben einen besonderen Blick auf die Welt der Medizin. Damit Patienten hinter die Kulissen des Gesundheitswesens blicken können, stellt jameda Prof. Dr. med. Holzheimer interessante Fragen zu seinen Erfahrungen als Chirurg.
jameda: Prof. Dr. Holzheimer, was hat Sie motiviert, Chirurg zu werden?
Prof. Dr. Holzheimer: Ich hatte das Glück, in meinem Studium an der Universität Heidelberg Prof. Linder näher kennenzulernen. Er war Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik und hatte eine große Ausstrahlung und eine internationale Reputation. Prof. Wysocki, einer seiner Schüler, begeisterte mich durch seine operative handwerkliche Ausführung in der persönlichen Begegnung am OP-Tisch seiner Klinik. Mein Vater war ebenfalls Chirurg, ließ mir aber selbst die Entscheidung.
jameda: Was macht Ihnen im Praxisalltag am meisten Freude? Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Prof. Dr. Holzheimer: Ich freue mich am meisten, wenn ich Menschen, die monatelang Schmerzen haben, durch komplikationslose Eingriffe helfen kann. Ich freue mich auch, wenn es in meiner Praxis zu einem persönlichen Kontakt mit den Patienten kommt. Das erleichtert das Verständnis füreinander.
jameda: Welchen Vorurteilen begegnen Sie häufig in Ihrer Praxis?
Prof. Dr. Holzheimer: Da wir uns vornehmen, für das Gespräch mit dem Patienten ausreichend Zeit zu haben, entfällt ein häufiges Vorurteil, die Ärzte würden sich keine Zeit nehmen.
jameda: Manche Krankheiten und Therapien sind unangenehm und verlangen viel Durchhaltevermögen vom Patienten. Was raten Sie Patienten in solchen Situationen?
Prof. Dr. Holzheimer: Leider kommen Patienten – ohne eigene Schuld – mit chronischen Leistenschmerzen, auch nach laparoskopischen Leistenhernienoperationen, aus unterschiedlichen Gründen oft erst nach Monaten zur Untersuchung. Dadurch können auch in anderen Körperregionen schmerzhafte Veränderungen entstehen. Hier kann sich der Erfolg der Behandlung erst nach einigen Wochen zeigen oder es müssen weitere Ursachen behandelt werden. Da müssen Patient und Arzt Geduld haben.
jameda: Wie reagieren Sie, wenn Sie merken, dass ein Patient Ihren Therapieplan nicht befolgt?
Prof. Dr. Holzheimer: Ich versuche zu verstehen, warum es dazu kommt. Vielleicht haben wir etwas nicht ausreichend erklärt.
jameda: Wenn Sie das Gesundheitssystem ändern könnten, was würden Sie als Erstes tun?
Prof. Dr. Holzheimer: Ich habe Erfahrungen mitTätigkeiten im Bundesgesundheitsministerium und der Hessischen Krankenhausplanungskommission. Mich lehrte das, dass Veränderungen im Gesundheitswesen von vielen Faktoren abhängig sind. Ich konnte feststellen, dass ich das individuelle Interesse des Patienten im Auge habe, während andere oftmals nur noch die flächendeckende Versorgung sehen. Ohne dass man dabei berücksichtigen kann, was dem Einzeln fehlt.
jameda: Kein Mensch ist perfekt. In welchen Bereichen haben Ärzte Ihrer Meinung nach Verbesserungspotential?
Prof. Dr. Holzheimer: Ich denke, man sollte als Chirurg den Patienten nicht zu einer Operation überreden. Die Indikation, d.h. die Entscheidung für eine Operation, sollte nicht von vertraglich geforderten Vereinbarungen mit der Klinik abhängen. Als Chirurg sollte ich versuchen, meine Unabhängigkeit dahingehend zu bewahren, dass ich die Entscheidung zu einer Operation nicht aufgrund finanzieller Abhängigkeit von einer Klinik treffen muss.
jameda: Die Welt der Medizin verändert sich ständig. Gibt es neue Therapieverfahren oder Gerätschaften, die Sie in Ihrer Praxis anwenden?
Prof. Dr. Holzheimer: Fortschritt hört sich erst einmal gut an. Prinzipiell bin ich bei der Einführung neuer industrieller Produkte, sei es Medikamente oder sei es eine Gerätschaft, vorsichtig und setze sie nicht ungeprüft und ohne Erfahrung ein. Narben- und Narbenschmerzbehandlungen mit Radiowellen haben sich beispielsweise aber als sehr hilfreich erwiesen.
jameda: Gibt es einen Patienten oder ein Erlebnis in Ihrer Praxis, das Sie nie vergessen werden?
Prof. Dr. Holzheimer: Vor einigen Jahren kam ein Kollege wegen chronischer Schmerzen nach einer laparoskopischen Leistenbruchbehandlung zu mir. Leider hatte man mit einem Instrument den Nervus ilioinguinalis im Leistenbereich durchbohrt. Das führte zu einem ausgedehnten Nervennarbendefekt, der die Schmerzen auslöste. Leider konnte das erst nach zehn Jahren einer Behandlung zugeführt werden. Inzwischen hatte sich aber ein chronisches Schmerzsyndrom ausgebildet. Wir haben zum Glück allen anderen 400 Leistenschmerzpatienten, die in den letzten Jahren deswegen zu uns kamen, helfen können.
jameda: Welchen Gesundheitstipp möchten Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben?
Prof. Dr. Holzheimer: Wenn Sie zum Arzt gehen, hören Sie auch auf Ihr „Bauchgefühl“. Sie sollten Vertrauen haben können. Das entwickelt sich meist erst nach einem Gespräch, das nicht nur fünf Minuten dauert. Wenn Sie unsicher sind, sagen Sie es. Lieber vereinbaren Sie nochmals einen Termin, als vorschnell einem Eingriff zuzustimmen. Eine Operationstechnik sollte im Vergleich zu anderen erklärt werden, denn wie bei Medikamenten gibt es auch bei Operationen Risiken. Bei Medikamenten ist das dann oft eine Frage der Dosis und Dauer der Behandlung, bei Operationen eine Frage der Zeit, die für die Operation erlaubt ist, wie das Gewebe behandelt wird und welche Erfahrung der Operateur hat.
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