Artikel 08/03/2017

Das jameda-Interview: 8 Fragen an Frau Dr. med. Waltraud Maria Ahr

Dr. med. Waltraud Maria Ahr Augenarzt
Dr. med. Waltraud Maria Ahr
Augenarzt
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Ärzte haben einen besonderen Blick auf die Welt der Medizin. Damit Patienten hinter die Kulissen des Gesundheitswesens blicken können, stellt jameda Frau Dr. med. Waltraud Maria Ahr interessante Fragen zu ihren Erfahrungen als Augenärztin.

jameda: Frau Dr. Ahr, was hat Sie motiviert, Augenärztin zu werden?
Dr. Ahr: Mich hat die Augenheilkunde bereits im Studium fasziniert. Eines meiner ersten Praktika fand in einer Augenklinik statt. Ich war begeistert, wie man den Patienten dort helfen konnte und wie dankbar die Patienten nach Hause gingen, weil sie nach der OP wieder viel besser sehen konnten. Diese Faszination hat mich durch zahlreiche augenärztliche Praktika im In- und Ausland begleitet. Eine Famulatur führte mich an die Augenklinik in Richmond, Virginia (USA). Als Wahlfach im letzten Studienjahr (Praktisches Jahr) wählte ich ebenfalls die Augenheilkunde, dieses Mal zog es mich aber in die Schweiz, an die Universitäts-Augenklinik Basel. Je mehr ich die Augenheilkunde kennenlernte, desto größer wurde der Wunsch, selbst Augenärztin zu werden, sodass ich direkt nach dem Staatsexamen mit der Weiterbildung zur Fachärztin für Augenheilkunde begann.

jameda: Was macht Ihnen im Praxisalltag am meisten Freude? Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Dr. Ahr: Das Auge ist ein sehr ästhetisches Organ, gerade auch unter Vergrößerung an der Spaltlampe in der Sprechstunde oder am OP-Mikroskop. Es macht jeden Tag Freude, sich die feinen Strukturen anzusehen und auch nach vielen Jahren bleibt die Faszination für dieses einmalige Sinnesorgan. Da mich feine und diffizile Arbeiten schon immer begeistert haben, macht mir das Operieren richtig Spaß – trotz und auch wegen der großen Routine, die ich in vielen Jahren gewonnen habe. Aber eine Herausforderung muss das Operieren trotzdem bleiben - schließlich muss jeder Patient individuell versorgt werden und erwartet zu Recht Konzentration und Präzision bei seiner Behandlung.

jameda: Welchen Vorurteilen begegnen Sie häufig in Ihrer Praxis?
Dr. Ahr: Vorurteilen begegne ich eigentlich fast nie. Eher kommt es vor, dass Patienten ihre Krankheitssymptome oder die ärztlichen Befunde nicht richtig einordnen können. Meine Patientinnen und Patienten verständlich zu informieren und für jeden individuell die passende Therapie zu finden, ist mir deshalb ein großes Anliegen. Aus diesem Grund biete ich auch regelmäßig Patienteninformationsveranstaltungen zu verschiedenen Themen an.

jameda: Manche Krankheiten und Therapien sind unangenehm und verlangen viel Durchhaltevermögen vom Patienten. Was raten Sie Patienten in solchen Situationen? 
Dr. Ahr: Ein gutes Beispiel ist die feuchte Makuladegeneration, auch feuchte AMD genannt. Die Behandlung wird durch Medikamenteninjektionen in das Auge durchgeführt. Die Patientinnen und Patienten müssen meist viele Male im Abstand von einigen Wochen zum Spritzen kommen. Das bedeutet für die meist älteren Menschen jedes Mal wieder Stress durch die Fahrt zur OP, die Vorbereitungen im OP, die Spritze selbst und auch die Kontrolluntersuchungen in der Praxis. Leider gibt es aber keine aussichtsreiche alternative Behandlung. Um Frustrationen zu vermeiden, muss vor Beginn der Behandlung mit den Patienten offen über Diagnose, Art der Behandlung, Anzahl der Behandlungen und Erfolgsaussichten gesprochen werden. Auch während der Behandlung, die sich ja über Monate und teils Jahre hinzieht, muss man immer wieder auf Fragen und Ängste von Seiten des Patienten eingehen. Sind die Patienten gut informiert und fühlen sie sich ernst genommen und verstanden, tolerieren sie die Behandlung in der Regel sehr gut und stellen sich zuverlässig zum Spritzen und zu den Kontrollen vor.

jameda: Wie reagieren Sie, wenn Sie merken, dass ein Patient Ihren Therapieplan nicht befolgt?
Dr. Ahr: Ich versuche immer herauszufinden, welche Hindernisse oder Ängste den Patienten davon abhalten, die Therapie richtig durchzuführen. Meist sind es einfach Verständigungsschwierigkeiten, der Patient hat die Therapieanweisung nicht richtig verstanden. Erneute Erklärungen und Informationen können dann dem Patienten helfen. Leider kommt es auch vor, dass Patienten aufgrund anderer Erkrankungen die ärztlichen Anweisungen nicht befolgen können. Ein gutes Beispiel sind Glaukom-Patienten, die an Erkrankungen der Hände leiden. Gerade bei älteren Menschen ist das nicht selten, z.B. bei Arthrose der Finger oder Rheuma. Diesen Patienten kann man oftmals durch den Wechsel auf Augentropfen helfen, die in anderen Tropfflaschen erhältlich sind. Manchen Patienten fehlt es auch an sozialer Unterstützung. Beispielsweise ist es ihnen unangenehm, wenn sie bei der Spritzenbehandlung jedes Mal ihre berufstätigen Angehörigen bitten müssen, sie zur OP zu fahren. Hier hilft oft ein Gespräch über die Behandlung mit den Angehörigen. Wichtig ist es, den Patienten nicht die Schuld für eine nicht oder nicht richtig durchgeführte Therapie zu geben, sondern mit ihnen gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

jameda: Die Welt der Medizin verändert sich ständig. Gibt es neue Therapieverfahren oder Gerätschaften, die Sie in Ihrer Praxis anwenden?
Dr. Ahr: Die Augenheilkunde hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten ungemeine Fortschritte gemacht. Früher mussten die Patienten bei der OP des Grauen Stars viele Tage in der Klinik bleiben, es wurden sehr große Schnitte gemacht und häufig nicht einmal eine Kunstlinse eingesetzt, sodass der Patient für den Rest seines Lebens auf eine sehr dicke Starbrille angewiesen war. Heute sind die Schnitte nur noch sehr klein, die OP wird ambulant durchgeführt und man kann gleichzeitig durch die Wahl der Linse viele Refraktionsfehler korrigieren, die der Patient vor der OP mit einer Brille ausgleichen musste. Genauso faszinierend ist die Entwicklung der Netzhaut-Glaskörper-Chirurgie, denn die Schnitte werden immer kleiner und der Heilungsprozess wird immer schneller. Auch in der konservativen Augenheilkunde wird die apparative Diagnostik immer präziser - wir bieten hier ebenso den neusten Stand.

jameda: Gibt es einen Patienten oder ein Erlebnis in Ihrer Praxis, das Sie nie vergessen werden?
Dr. Ahr: Während meiner Zeit an verschiedenen Kliniken, in diversen Praxen und OPs gab es sehr viele erfreuliche Erlebnisse, aber leider auch - wie immer in der Medizin - einige traurige. Insgesamt überwiegen in der Augenheilkunde aber bei weitem die erfreulichen Momente!

jameda: Welchen Gesundheitstipp möchten Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben? 
Dr. Ahr: Ich rate meinen Patienten, Vorsorgeuntersuchungen durchführen zu lassen. Damit lassen sich viele Sehverschlechterungen und Erblindungen verhindern, beispielsweise beim Grünen Star und bei Diabetikern. Sehr wichtig sind auch augenärztliche Untersuchungen bei Kleinkindern, da die Schwachsichtigkeit durch Schielen oder unterschiedliche Brillenstärken in den beiden Augen in den ersten Lebensjahren meist noch gut therapiert werden kann. Allgemein kann man auch sagen: Bei Symptomen, die man nicht einschätzen kann, sollte man einen Augenarzt aufsuchen. Ein gutes Beispiel ist die Wahrnehmung von Lichtblitzen: Sie kann auf ein Netzhautloch hindeuten. Wenn man dieses rechtzeitig entdeckt und lasert, ist die Sache meist erledigt. Hat sich schon eine Netzhautablösung entwickelt, muss diese operiert werden und die Sehschärfe wird trotzdem häufig nicht mehr 100 % betragen. Daher lieber einmal zu oft zum Augenarzt als einmal zu wenig.

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