Artikel 28/06/2013

Fettleibigkeit, Diabetes und XXL-Getränkebecher

Dr. med. Boris Leithäuser Internist, Kardiologe, Angiologe
Dr. med. Boris Leithäuser
Internist, Kardiologe, Angiologe
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‘Fettleibigkeit wird zum größten Gesundheitsproblem in diesem Land’ sagte New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg im Mai 2012 und kündigte ein Gesetz zum Verbot von „XXL-Bechern“ mit zuckerhaltigen Getränken an. Im laufenden Jahr ist das Gesetz gerichtlich gestoppt worden - die Getränke-Industrie hatte erfolgreich geklagt. Seit vielen Jahren schon veröffentlicht die Gesundheitsbehörde in New York Aufklärungsvideos und warnt vor Diabetes, Herzkrankheiten und Krebserkrankungen verursacht durch den Genuss von stark zuckerhaltigen Getränken im Übermaß. „Trink Dich nicht krank“ lautet der Appell an die Bürger.

Diabetes mellitus heißt übersetzt „honigsüßer Durchfluss“. Der Begriff stammt aus der Zeit, als die „Zuckerkrankheit“ am süßen Urin erkannt wurde. Erhöht sich die Konzentration im Blut über einen bestimmten Wert, wird der Zucker über die Nieren mit dem Urin ausgeschieden. Heute unterscheiden die Mediziner zwei Diabetes-Erkrankungen: Bei dem Typ 1 oder juvenilen (Jugend-) Diabetes zerstört das Abwehrsystem des Körpers die eigenen Zellen in der Bauchspeicheldrüse die das Insulin produzieren. Diese so genannten Inselzellen sterben ab und die Insulinproduktion geht gegen Null. Ohne Insulin kommt der aufgenommene Zucker nicht in die Körperzellen hinein und kann daher auch nicht verbraucht werden. Daher steigt der Blutzuckerwert. Der Typ-1-Diabetes kann schon im Kindesalter auftreten und ist unabhängig vom Ernährungsverhalten.

Der Typ 2 oder auch Altersdiabetes hingegen entsteht durch ein jahrelanges Überangebot von Nahrung verbunden mit einer unzureichenden körperlichen Bewegung, also einem zu niedrigen Energieverbrauch durch nicht geforderte Muskelzellen. Der ständige Überfluss von Zuckermolekülen (Kohlenhydraten) führt einerseits zu einer Erschöpfung der Insulin-produzierenden Zellen, andererseits zu einer verminderten Empfindlichkeit der Körperzellen für Insulin. Die beiden Diabetes-Formen sind also im Hinblick auf ihre Entstehung zwei unterschiedliche Erkrankungen. Im Ergebnis der erhöhten Blutzuckerwerte sind sie vergleichbar. Menschen mit Typ-2-Diabetes unterscheiden sich von denen mit Typ 1 in den allermeisten Fällen durch ihr deutliches Übergewicht. Der Nahrungsüberfluss wurde über die Jahre in Speicherfett umgewandelt.

Wir sind von hoch zucker- und fetthaltigen Nahrungsmitteln umzingelt. Übergewicht ist eigentlich eine normale Reaktion auf eine nicht normale Umwelt. Über die gesamte Zeit der menschlichen Evolution hat es vergleichbare Verhältnisse des Nahrungsangebotes, wie sie in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts in den Industrieländern entstanden sind, nicht gegeben. Unser Verhaltensprogramm ist auf den Mangel eingestellt. Wenn es genug zu essen gibt, lautet der interne Befehl: „Hau rein! Leg´Dir Reserven für die nächste Dürreperiode an“. Die hat es allerdings seit 50 Jahren nicht mehr gegeben.

Gleichzeitig wurde die Beschaffung von Essbarem immer einfacher. Wir müssen uns für den Lebensunterhalt nicht mehr körperlich anstrengen. Die in zuckerhaltiger Marinade gebratenen Hühnerflügel werden uns am Drive-in in den Mund gesteckt. Die Natur hat dafür kein Stopp-Signal vorgesehen, in uns gibt es keine programmierte „Fressbremse“. Mit Hilfe unseres Verstandes müssen wir die zugeführte Nahrungsmenge regulieren.

Diese Erkenntnis hat die Frage aufgeworfen, ob es eine „Zuckersucht“ gibt, also eine psychische oder körperliche Abhängigkeit von der Substanz Zucker (zur Beschreibung des Begriffes „Sucht“ siehe „Rauchen und Psyche“ bei jameda). Die Wissenschaft ist sich einig, dass es Merkmale der Sucht beim Essverhalten von Übergewichten gibt. Hierzu zählt der Verlust der Kontrolle über die Nahrungsaufnahme und das Handeln entgegen besseren Wissens, also in dem Bewusstsein, dass übermäßiger Konsum zur Schädigung der Gesundheit führt. Das Gehirn reagiert auf Zucker ähnlich wie auf Alkohol oder Nikotin und schüttet vermehrt Botenstoffe aus, die das Belohnungssystem aktivieren. Es gibt aber keine Entzugssymptome bei fehlender Verfügbarkeit von Zucker - außer dem unspezifischen Hungergefühl - und deswegen auch keine Sucht.

Warum hat der Bürgermeister von New York die eingangs erwähnte Gesetzeskampagne gestartet? Weil die Folgen der Überernährung politisch bedeutsam werden. Die Zahl derer, die sich „krank essen und trinken“ steigt und bedeutet für die Gesundheitsversorgung in den USA eine scheinbar unlösbare Herausforderung. Dort sind 8,3 % der Bevölkerung (25,8 Millionen Menschen) an Diabetes erkrankt. Hierzulande sind es 7,2 % oder 4,6 Millionen. Auch für uns ist es an der Zeit das Ernährungsverhalten zu ändern - aber bitte aus der eigenen Verantwortung heraus und nicht mit einem neuen Gesetz.

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