Der Psychotherapeut (bzw. der Psychologe) als Person beeinflusst maßgeblich das Ergebnis der Therapie. Einige Therapeuten erzielen durchweg bessere Ergebnisse mit ihren Klienten als andere - unabhängig von ihrer therapeutischen Schule, ihrer Erfahrung oder dem spezifischen Problem des Klienten. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Forschung immer mehr dafür interessiert, was diese außergewöhnlich kompetenten Therapeuten von allen anderen unterscheidet.
Zum einen ist da ein kognitiver Unterschied: Erfolgreiche Therapeuten sind enorm wissbegierig und schätzen alles, was komplex und mehrdeutig ist. Sie bitten aktiv um Feedback, was ihre Performance angeht, und zweifeln konstruktiv (!) an sich selbst. Dann gibt es einen Unterschied auf emotionaler Ebene: Diese Therapeuten sind selbstbewusst und gelassen. Sie achten auf ihr eigenes Wohlbefinden und darauf, wie sich das auf ihre Arbeit auswirkt. Und schließlich ist da auch ein Unterschied auf der Beziehungsebene: In ihren therapeutischen Beziehungen sind sie äußerst engagiert dabei, eine starke Verbindung zu ihren Klienten aufzubauen.
Weniger wurde bisher allerdings untersucht, was diese hocheffektiven Therapeuten in den ersten Sitzungen ganz konkret eigentlich machen. Dabei ist durchaus bekannt, dass diese ersten Sitzungen entscheidend sind für den Erfolg einer Therapie. Denn hier wird zum einen der Grundstein für eine gute therapeutische Beziehung gelegt, zum anderen werden die Erwartungen an die Zusammenarbeit verhandelt und festgelegt.
Das herauszufinden war das Ziel einer neuen Studie aus UK, die kürzlich veröffentlicht wurde. Von einer Universitätsklinik wurde eine Therapeutin ausgewählt, die außerordentlich erfolgreich ist. Im Vergleich mit ihren 10 Kollegen erzielte sie konstant die höchsten Erfolgsraten bei der Behandlung von Depressionen und Ängsten - und das mit deutlichem Abstand. Für die Studie wurden zwei ihrer erfolgreichsten Fälle ausgewählt, die sie vollständig aufgezeichnet hatte. Was hat diese erfolgreiche Therapeutin in den ersten drei Sitzungen nun konkret gemacht? Und wie hat das dabei geholfen, die Therapie erfolgreich werden zu lassen?
Die Forscher haben drei Aspekte entdeckt in den ersten Sitzungen, die herausstechen. Als erstes hat die Therapeutin bei ihren Klienten ein ganz bestimmtes Gefühl aktiv gefördert, nämlich das Gefühl, etwas bewirken zu können. Das Gefühl von Kontrolle und von Handlungsfähigkeit. Sie hat zum Beispiel durch offene Fragen die Klienten ermutigt, tiefer über sich, über ihre Weltanschauung und ihre persönlichen Ambitionen nachzudenken. Dadurch konnten die Klienten sich selbst klarer sehen und nicht nur ihre Probleme. Sie hat auch immer wieder darauf hingewiesen, dass die Klienten (teilweise) ja auch in der Vergangenheit in der Lage waren, bestimmte Lebensumstände zu meistern. Die dabei erlebten psychologischen Ressourcen der Klienten hat sie betont und wertgeschätzt.
Die Therapeutin hat die Klienten außerdem als Experten für ihr eigenes Leben etabliert - kontinuierlich und auch auf subtile Weise. Zum Beispiel, wenn die Therapeutin sich dafür interessiert hat, wie die Klienten eigentlich selbst über den Ursprung ihrer Probleme denken. Oder wenn sie betonte, dass ihre eigenen Ideen nur Angebote sind, denen der Klient zustimmen kann oder auch nicht. Daneben hat sie dafür gesorgt, dass der Fokus der Therapie auch ein sinnvoller Fokus für die Klienten ist. Und solch ein Fokus kann sich eben auch ändern, wenn der Klient sich verändert. Zu entscheiden, was gerade dran ist, liegt beim Klienten. Therapie, zumindest die Therapie dieser erfolgreichen Therapeutin, war eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe.
Warum ist es eigentlich so wichtig für Klienten, ein Gefühl von Kontrolle und Handlungsfähigkeit zu erleben? Die Therapie ist ein Weg, jemandem die Fähigkeit zurückzugeben, mit Widrigkeiten umzugehen, (neue) Antworten zu finden und ein Gefühl von Selbstbestimmung wiederherzustellen. Wenn ein Klient sich selbst als Hauptperson/Akteur im eigenen therapeutischen Prozess erlebt, dann hat er mit der Zeit auch wieder die Hoffnung, im eigenen Leben die Hauptperson/Akteur zu werden.
Der zweite wesentliche Aspekt in der Arbeit der erfolgreichen Therapeutin war die Art, wie sie ihre Klienten dabei unterstützt hat, bedeutungsvolle Themen zu erkunden. Dabei ist sie mal ihren Klienten bei der Erkundung gefolgt, mal hat sie selbst neue Dimensionen angeboten. Immer wieder hat sie ihre Klienten ermutigt, innere Erfahrungen tiefer anzuschauen. Dabei hat sie sich an konkrete Situationen gehalten und versucht, abstrakte oder rationalisierte Erklärungsmuster zu vermeiden. Die Therapeutin war sehr sensibel gegenüber kleinsten verbalen und nicht-verbalen Hinweisen (zum Beispiel ein Lächeln), die ihre Klienten häufig dazu brachten, wichtige Themen zu entdecken oder zu vertiefen. Während sie so einerseits oft ihren Klienten in deren Erzählungen folgte, gab es dann wieder Momente, wo sie ein wenig geführt hat: Dann hat sie Verknüpfungen zwischen verschiedenen Erlebnissen angeboten, Feedback gegeben, Themen zusammengefasst und ihre Klienten hier und da vorsichtig herausgefordert.
Warum ist die Erkundung bedeutungsvoller Inhalte (oder “Exploration” im psychologischen Jargon) so wichtig? Sie erlaubt dem Klienten, sich schrittweise seiner selbst bewusst zu werden sowie der eigenen psychologischen Prozesse. Dieser Prozess wiederum ist in vielen psychotherapeutischen Schulen die wichtigste Schraube dafür, dass Veränderung stattfindet. Sich selbst besser zu verstehen und klarer zu sehen, ist außerdem ein aktiver Prozess, der dem Klienten Kontrolle und Handlungsfähigkeit zurückgibt - womit wir wieder beim ersten Aspekt sind.
Der dritte Aspekt bezieht sich auf das Klima, das die Therapeutin geschaffen hat: ein Klima von emotionaler Stabilität. Und wie hat sie das erreicht? Durch empathische Präsenz, durch Authentizität und durch bedingungsfreie, positive Wertschätzung - alles drei übrigens Kernelemente der personzentrierten Therapie.
Nicht nur, dass sie deutlich und spürbar anwesend war und dies durchweg gezeigt hat. Sie hat sich außerdem auch auf ihre eigenen inneren Empfindungen gestützt, die sie beim Zuhören erlebt hat, und diese quasi als Echo ihren Klienten zur Verfügung gestellt: Wenn der Klient etwas sagte, was sie sehr berührt hat, sprach sie das aus. Und wenn er etwas sagte, worüber sie nachdenken musste, sprach sie das ebenfalls an.
Ihre Empathie war die ganze Zeit über ein wesentliches Merkmal in der therapeutischen Arbeit. Sie zeigte Verständnis für ihre Klienten und ihre Welt durch einfühlsame Reflektionen und Vermutungen. Diese empathische Qualität drückte sich vor allem in Momenten von tiefer Verbundenheit aus, in denen die Klienten diese Vermutungen bestätigten - oder wenn sie einander die Sätze ergänzten. Damit verbunden war die bedingungsfreie Akzeptanz der Therapeutin, mit der sie die Erfahrungen ihrer Klienten und ihre nachvollziehbaren Gefühle anerkannt hat. All das schafft ein Umfeld von emotionaler Sicherheit, in dem sich die Klienten willkommen, verstanden und akzeptiert fühlen.
Warum ist nun dieses Klima von emotionaler Stabilität therapeutisch so wichtig? Einerseits ist es ein Wert für sich, weil so ein Gefühl von Nähe zu anderen Menschen zentral ist für unser Wohlbefinden und unsere psychische Gesundheit. Es hilft dem Klienten, präsenter zu werden, weniger defensiv und verbundener. Andererseits kann sich ein solches Klima wiederum sehr positiv auf die therapeutische Beziehung auswirken, durch die sich ein Klient dann wieder aktiv in den Prozess der Therapie einbringt - womit wir wieder beim zweiten Aspekt sind.
Wenn Sie also in den ersten Sitzungen erleben, dass der Therapeut erstens Ihre Handlungsfähigkeit herausstellt und auf Augenhöhe mit Ihnen spricht, Ihnen zweitens dabei hilft, bedeutsame Erfahrungen zu vertiefen und sich selbst besser kennenzulernen und drittens ein emotional sicheres Klima schafft, in dem Sie den Therapeuten mit seiner Empathie und bedingungsfreien Wertschätzung wirklich spüren - dann wissen Sie: Hier sind Sie richtig.
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