Artikel 07/05/2013

Schaufensterkrankheit und Knöchel-Arm-Index

Dr. med. Boris Leithäuser Internist, Kardiologe, Angiologe
Dr. med. Boris Leithäuser
Internist, Kardiologe, Angiologe
was-ist-die-schaufensterkrankheit

Es gibt Menschen, die bleiben nicht wegen der Auslagen vor einem Schaufenster stehen, sondern aufgrund von Schmerzen in den Beinen, die das Weitergehen unmöglich machen. Die Beschwerden treten während des Gehens, also unter Belastung der Muskulatur der Beine auf und werden unerträglich, vor allem die Muskeln der Waden fühlen sich dabei knochenhart an.
Während der Gehpause kommt es innerhalb von einigen Minuten zur Besserung und der Betroffene kann die nächsten wenigen hundert Meter vorankommen, bis der Schmerz erneut auftritt. Niemand bleibt freiwillig mitten in der Fußgängerzone stehen, um sich den fragenden Blicken von Passanten auszusetzen. Es wartet sich unauffälliger vor dem Schaufenster auf die Linderung der Schmerzen und die Möglichkeit weiterzugehen. Daher hat die Erkrankung ihren Namen.

Der Volksmund meint damit die periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK), die Durchblutungsstörung der Extremitäten, von der weit überwiegend die Beine betroffen sind. Die Bezeichnung sagt schon, dass es sich um eine Erkrankung der Arterien handelt. Arterien leiten das sauerstoffreiche Blut vom Herzen in die Peripherie zu den ‘Verbrauchern’. Die Venen bringen das Blut zurück zum Herzen und zur Lunge. In den Arterien ist der Blutdruck deutlich höher und das Blut fließt wesentlich schneller als in den Venen. Die Wand der Arterien ist kräftiger - im wahrsten Sinne, denn viele Muskelzellen in der mittleren Wandschicht sorgen dafür, dass sich Arterien verengen und erweitern können. Dadurch werden die Höhe des Blutdruckes und die Fließgeschwindigkeit des Blutes beeinflusst.

Je höher der Druck und je schneller der Fluss, desto größer ist die Belastung für die Gefäßwand. Kommen weitere schädigende Faktoren hinzu (vor allem Zigarettenrauchen, hoher Blutzucker (Diabetes) und hohe Blutfette), werden die Arterien steif (‘Arteriosklerose’, Sklerose = Verhärtung), Verkalkungen entstehen, welche zu Verengungen und schließlich zum vollständigen Gefäßverschluss führen (siehe auch Artikel ‘Vaskuläre Demenz’).

Ein Verschluss beispielsweise der großen Oberschenkelarterie führt zu einer Verringerung der Durchblutung im Unterschenkel. Unter Belastung, also beim Gehen, braucht die arbeitende Wadenmuskulatur mehr Sauerstoff, der aufgrund der verschlossenen Arterie im Oberschenkel nicht geliefert werden kann. Der Sauerstoffmangel im Muskel verursacht die Schmerzen, die sich während der Ruhe in der Gehpause erholen, wenn der Sauerstoffbedarf geringer ist.

Bei Patienten mit einer weit fortgeschrittenen PAVK können Sauerstoffmangel und damit verbundene Schmerzen schon in Ruhe bestehen. Schlimmstenfalls stirbt dauerhaft unterversorgtes Gewebe an den Füßen ab und es entstehen nicht heilende Wunden. Kann die Durchblutung durch ärztliche Maßnahmen nicht wieder hergestellt werden, droht die Amputation des Beines.
Dieses Schicksal trifft häufig langjährige Raucher, daher der Begriff ‘Raucherbein’ aus dem Volksmund.

Der Knöchel-Arm-Index - ein Maß für die Schwere der Erkrankung

Normalerweise wird der Blutdruck am Oberarm gemessen. Es geht aber auch am Unterschenkel, in dem die Blutdruckmanschette knapp oberhalb der Knöchel angelegt wird. Der Druck in den Unterschenkeln ist beim gesunden Menschen etwa gleich groß oder etwas höher ist als der in den Armen.
Teilt man den oberen (systolischen), am Knöchel gemessenen Blutdruckwert durch den vom Arm, erhält man ein Ergebnis mit großer diagnostischer Aussagekraft (Index). Der errechnete Wert ist beim Gesunden größer als Eins. Werte kleiner als 0,9 weisen auf eine Durchblutungsstörung der Beine hin.
Je weiter sich dieser Index verringert, desto größer sind meist auch die Beschwerden. Unterhalb von 0,4 besteht eine kritische Durchblutung, d. h. Amputationsgefahr. Die Gefäßerkrankung ist in den seltensten Fällen allein auf die Arterien der Beine beschränkt. Meist sind alle Arterien des Körpers, also auch die Herzkranz- und Hirnarterien davon betroffen.

Patienten mit einer PAVK haben vermehrt Herzinfarkte und Schlaganfälle, und zwar umso häufiger, je niedriger der Knöchel-Arm-Index ist. Große Studien haben mittlerweile die letzte wesentliche Konsequenz aufgezeigt: Je niedriger der Knöchel-Arm-Index, desto geringer die Lebenserwartung. Das Vorhandensein einer PAVK verringert die Lebenserwartung durchschnittlich um etwa zehn Jahre. Bei Menschen mit Risikofaktoren für eine Arterienerkrankung sollte die Bestimmung des Knöchel-Arm-Index zur Vorsorgeuntersuchung gehören.

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