Artikel 13/11/2017

Schmerzen, Lähmungen, Kribbeln: Ursachen, Symptome und Therapie von Nervenstörungen

Team jameda
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Nervenschädigungen können viele verschiedene Ursachen und Symptome haben, je nachdem welcher Nerv gestört ist. Lesen Sie hier mehr über die Hintergründe und die Behandlungsmöglichkeiten.

Definitionen und Häufigkeit

Periphere Neuropathien sind Nervenschädigungen, die jeden Nerv betreffen können, der Informationen zu Gehirn oder Rückenmark leitet. 2,4 Prozent der Bevölkerung leidet darunter. Ältere erkranken häufiger.

Periphere Neuropathien können akut oder chronisch verlaufen. Betreffen sie einen einzelnen Nerv, spricht man von einer Mononeuropathie. Wenn mehrere Nerven geschädigt sind, handelt es sich um eine Polyneuropathie.

Ursachen: Entzündungen, Autoimmunerkrankungen und vieles mehr

Viele unterschiedliche Ursachen können zu einer peripheren Neuropathie führen, darunter Erb- und Stoffwechselkrankheiten, Entzündungen und Abwehrsystemstörungen:

  • Charcot-Marie-Tooth-Hoffmann-Krankheit: Die Erbkrankheit wird von einer genetischen Mutation verursacht, die den Aufbau von Nerventeilen verhindert, so dass Nervenimpulse nicht weitergeleitet werden können. Die Anweisungen des Gehirns erreichen die Muskeln nicht richtig, was zu Schwäche und zum Abbau der betroffenen Muskulatur führt.
  • Friedreich-Ataxie: Die degenerative Erkrankung des zentralen Nervensystems äußert sich meistens vor dem 25. Lebensjahr mit neurologischen, psychischen, orthopädischen und kardiologischen Symptomen.
  • Diabetes
  • Vitaminmangel wegen einer falschen Ernährung
  • Amyloidose: Bei dieser Erkrankung lagern sich veränderte Proteine in verschiedenen Organen an.
  • Urämie: Das Blut der Betroffenen wird nur unzureichend von giftigen Harnbestandteilen gereinigt, was zu Juckreiz (urämischen Pruritus) führen kann.
  • Tumoren
  • Entzündungen wie AIDS, Diphtherie, Lepra, Lyme-Borreliose, Syphilis und Leberentzündungen
  • Guillain-Barre Syndrom: Diese plötzliche entzündliche Erkrankung der peripheren Nerven entsteht durch eine Fehlfunktion des Abwehrsystems und äußert sich unter anderem mit Zittern.
  • Polyarthritis nodosa: Bei dieserAutoimmunerkrankung der mittelgroßen Blutgefäße entstehen Entzündungsknötchen insbesondere an Blutgefäßen der Waden, der Unterarme und der inneren Organe.
  • Rheumatoide Arthritis und Lupus erythematodus: Beides sind auch Autoimmunerkrankungen, wobei die erste sich mit chronischen Entzündungen der Gelenke äußert und die zweite mit Hautausschlägen. Der systemische Lupus erythematodes kann jedoch alle Organe befallen.
  • Sarkoidose: Bei dieser Erkrankung bilden sich wegen einer verstärkten Immunantwort mikroskopisch kleine Knötchen in dem betroffenen Organ
  • Sjögren-Syndrom: Das Abwehrsystem richtet sich besonders gegen die Speichel- und Tränendrüsen, aber auch gegen das Nervensystem.
  • Intoxikationen, die Einnahme bestimmter Medikamente, Chemotherapie und Alkoholmissbrauch
  • Verletzungen nach einem Unfall, durch Druck oder Nervenquetschung
  • Spritzen: Wird bei einer Spritze in den Gesäßmuskel der Nerv getroffen, treten direkt nach der Injektion Lähmungserscheinungen in Unterschenkel und Fuß auf. Das Bein fühlt sich taub an und die Kniebeugung ist schwierig, wobei die Beugung des Beines im Hüftgelenk und die Drehung nach innen schmerzhaft sind.

Darüber hinaus verschlechtern Rauchen und Stress den Verlauf der peripheren Neuropathie.

Gesichtslähmung: Mundwinkel hängt, Auge bleibt offen

Die Gesichtslähmung entsteht, wenn der Gesichtsnerv verletzt ist, der die für die Mimik zuständigen Muskeln steuert. Der Gesichtsnerv beeinflusst auch die Tränen- und die Speichelproduktion.

In 80 bis 90 Prozent der Fälle tritt die Gesichtslähmung ohne eine erkennbare Ursache auf. In den restlichen Fällen ist die Erkrankung auf eine Borreliose oder eine Virusinfektion zurückzuführen. Die Borreliose ist eine bakterielle Infektionskrankheit, die von Zecken übertragen wird.

Die Gesichtslähmung äußert sich mit einem herabhängenden Mundwinkel, der sich beim Lachen oder Reden nicht mitbewegt, mit Überempfindlichkeit gegenüber Geräuschen sowie mit Geschmacks- und Tränenproduktionsstörungen. Betroffene können die Stirn nicht runzeln und das Auge nicht schließen.

Für die Diagnostik ist eine neurologische Untersuchung wichtig sowie Blut- und Hirnwasseruntersuchungen, damit Antikörper aufgespürt werden, falls die Ursache eine vorangegangene Infektion ist. Während einer klinischen neurologischen Untersuchung such der Arzt nach nervenbedingten Störungen der Schmerzempfindlichkeit, Reflexdifferenzen, Sensibilitätsstörungen und Beeinträchtigungen der Motorik.

Oft ist die Gesichtslähmung reversibel, das heißt sie bildet sich automatisch zurück. Bis dahin muss das Auge mit Hilfe von Tropfen oder einer Salbe vor dem Austrocknen geschützt werden. Die Aktivierung der gelähmten Muskulatur fördert die Wiederherstellung der Nervenfunktion und deswegen ist die tägliche Gesichtsgymnastik hilfreich.

Die medikamentöse Therapie besteht aus Cortison, das für 5 bis 10 Tage verabreicht wird. Bei hartnäckigen Fällen ist ein neurochirurgischer Eingriff hilfreich, der den verletzten Gesichtsnerv wieder funktionsfähig macht.

Karpaltunnelsyndrom: wenn das Handgelenk nicht mitmacht

Das Karpaltunnelsyndrom ist die häufigste Nervenschädigung, die durch Druck entsteht. Es betrifft den mittleren Arm-Nerv, der durch den Arm bis zum Handgelenk verläuft, wo er sich in Äste aufteilt und Daumen-, Zeige- und Mittelfinger versorgt.

Die häufigste Ursache des Karpaltunnelsyndroms ist eine entzündliche Schwellung und Verengung des Handwurzelkanals. Weitere Ursachen sind ein Bruch der Speiche, eine chronische Polyarthritis, mechanische Überlastung, Schwangerschaft, Schilddrüsenunterfunktion oder ein Tumor der Hirnanhangsdrüse.

Das Karpaltunnelsyndrom äußert sich mit Kribbeln oder Schmerzen in Daumen, Zeige- und Mittelfinger, die bis in die Schulter ausstrahlen, insbesondere nachts und früh morgens. Die Finger fühlen sich geschwollen und steif an, so dass die Betroffenen Schwierigkeiten haben, Gegenstände zu greifen.

Um die Diagnose zu stellen, nutzt der Arzt Röntgenaufnahmen und die Messung der Nervenleitungsgeschwindigkeit der Armnerven. Die elektrophysiologischen Untersuchungsmethoden, wie zum Beispiel die motorische und sensible Nervenleitgeschwindigkeit, die Amplitude der Aktionspotentiale und das Elektromyogramm, sind objektiv, sensitiv und reproduzierbar, jedoch nur für die Untersuchungen der größeren Nerven hilfreich.

Zur Entlastung des Arm-Nervs wird das Handgelenk während der Nacht mit Schienen fixiert. Belasten Sie es am besten so wenig wie möglich. Zwar wird auch Cortison gespritzt, aber zur Heilung führt meist die operative Spaltung des Sehnenbandes, das auf den Nerv drückt.

Bei einem mittelschweren Karpaltunnelsyndrom könnte auch die Akupunktur hilfreich sein. In einer Studie mit 80 Patienten wurde entweder eine echte oder eine Schein-Elektroakupunktur durchgeführt. Nach Abschluss von 16 Behandlungen hatte die echte Akupunktur die Symptome und die Untersuchungsbefunde verbessert.

Schädigung des Speichennervs: die Kusshand

Der Speichennerv verläuft von der Wirbelsäule durch den Ober- und Unterarm bis zum Handgelenk, wo er sich aufteilt und die Handrückenseiten der Finger versorgt. Ist der Speichennerv geschädigt, können Hand und Finger nicht mehr gestreckt und der Daumen nicht mehr abgespreizt werden, ein Phänomen, das auch „Fall- oder Kusshand“ genannt wird. Die Streckseite des Daumens und der Handrücken sind taub und manchmal hat der Betroffene ein pelziges Gefühl mit Schmerzen.

In den meisten Fällen bildet sich die Lähmung automatisch zurück. In der Zwischenzeit kann die Hand in einer Schiene entlastet werden. Bei hartnäckigen Fällen ist eine nervenentlastende OP möglich.

Peroneuslähmung: der Storchengang

Eine Peroneuslähmung ist die Folge einer Gesamt- oder Teilschädigung des gemeinsamen Wadenbeinnervs, die zur Lähmung der Muskeln führt, die die aktive Fuß- und Zehenhebung ermöglichen. Der Nerv ist anfällig für Kompression, zum Beispiel wegen eines Gipsverbands, längerer Bettlägerigkeit, durch häufiges Übereinanderkreuzen der Beine oder wegen Tumoren in diesem Bereich.

Die Peroneuslähmung äußert sich mit sensiblen Ausfällen an der Unterschenkelvorderseite, am Fußrücken und an der Streckseite der ersten bis vierten Zehe. Der seitliche Fußrand kann nicht aktiv gehoben werden und die Fußaußenkante ist gegenüber der Innenkante abgesenkt. Fuß- und Zehenspitzen hängen herab, weshalb beim Laufen der gesamte Fuß so weit angehoben werden muss, dass die hängende Fußspitze nicht am Boden schleift. Das daraus resultierende Gangbild wird „Hahnentritt“ oder „Storchengang“ genannt.

Die beste Therapie für die Peroneuslähmung ist die Physiotherapie zur Stärkung der Muskeln. Das Anlegen einer Peroneusschiene, die das Absinken der Fußspitze mechanisch verhindert, vereinfacht das Gehen deutlich.

Sind das lange Übereinanderschlagen der Beine oder eine falschen Körperlagerung die Ursachen der Lähmung, ist die Prognose gut. Hat ein Unfall eine Nervendurchtrennung verursacht, dann muss mit bleibenden Schäden gerechnet werden.

Fazit

Periphere Neuropathien sind häufig und nehmen im Alter zu. Die Diagnose ist für den erfahrenen Neurologen meistens einfach, die Feststellung der Ursache ist jedoch kompliziert. Deswegen sind oft mehrere Untersuchungen nötig, bevor die richtige Therapie ausgewählt wird.

Vom hängenden Mundwinkel bis zur Kusshand und dem Storchengang - geschädigte Nerven führen zu den unterschiedlichsten Beschwerden. Je nach Ursache verschwinden sie wieder von selbst oder müssen mit Cortison und Operationen behandelt werden.

Links

Berufsverband Deutscher Nervenärzte
Deutsche Gesellschaft für Neurologie
Berufsverband Deutscher Neurochirurgen
[Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie

](http://www.dgnc.de/)

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