Team jameda
,Die Schluckimpfung ist süß, Kinderlähmung ist grausam.‘‘ Das war das Motto der Impfkampagne gegen Polio vor einigen Jahrzenten, die Kinderlähmung aus Deutschland verdrängte. Sie glauben, wir sind außer Gefahr? Nicht, so lang es die Krankheit in anderen Ländern noch gibt und wir ohne ausreichenden Schutz reisen.
Die akute epidemische Kinderlähmung, auch als Poliomyelitis bekannt, ist eine Infektionskrankheit, die in einigen Fällen zu Lähmungserscheinungen führt. Dabei infizieren Polio-Viren die muskelsteuernden Nerven im Rückenmark und zerstören sie teilweise. Bestimmte Gehirnareale wie das Kleinhirn, die Brücke und das verlängerte Rückenmark befallen die Polio-Viren gelegentlich auch, was allerdings nur sehr selten Symptome auslöst.
Polio-Viren gehören zu der Gruppe der Entero-Viren, die im Darm vorkommen und mit dem Stuhl ausgeschieden werden. Drei Polio-Virus-Sero-Typen sind bekannt: Brunhild (Typ 1), Lansing (Typ 2) und Leon (Typ 3). Typ 1 verursacht etwa 85 % der Erkrankungen. Es gibt keine Kreuzimmunität zwischen den Erregertypen, daher schützt eine Infektion mit Typ 1 nicht von einer Infektion mit Typ 2 oder 3.
Die Erkrankung wird auch als spinale Kinderlähmung bezeichnet, weil hauptsächlich das Rückenmark davon betroffen ist und in der Regel 3- bis 8-jährige Kinder an Polio erkranken.
Eine zerebrale Kinderlähmung hingegen deutet auf Bewegungsstörungen, verursacht durch eine Hirnschädigung im frühen Kindesalter.
Die Polio-Impfung schützt vor der Infektion und der Lähmung. Das beweist die die Massenschluckimpfung in Europa: Sie hat die spinale Kinderlähmungen in den westlichen Ländern nahezu ausgerottet.
Aber in Entwicklungsländern ist die spinale Kinderlähmung noch immer eine ernst zu nehmende Gefahr. Poliomyelitis ist nicht nur in einigen afrikanischen und asiatischen Ländern nach wie vor ein Problem, sondern auch in der Ukraine wurden 2015 einige Fälle gemeldet! Daher ist eine Ansteckung über nicht ausreichend geimpfte Reisende noch immer möglich.
Das sollte nicht so sein: Die Weltgesundheitsorganisation hat sich schon 1988 das Ziel gesetzt, die Poliomyelitis weltweit auszurotten. Deutschland hat sich 1997 diesem Ziel angeschlossen.
Es gibt zwei Impfstoffe gegen Polio:
Eine Studie zeigte, dass die Kombination der beiden Impfstoffe am effektivsten ist, weshalb die Weltgesundheitsorganisation die kombinierte Impfung empfiehlt.
Die geimpften Polio-Viren aktivieren das Immunsystem, das spezifische Antikörper bildet, die von einer Ansteckung schützen. Zum vollständigen Schutz sind drei Impfungen in bestimmten Zeitabständen nötig, die nach zehn Jahren mit einer zusätzlichen Impfung aufgefrischt werden. Die Impfung gegen Poliomyelitis wird mit anderen Impfstoffen kombiniert, die gegen Tetanus, Diphtherie oder Keuchhusten schützen.
Die Polio-Viren breiten sich durch Schmier- oder Tröpfcheninfektion aus - die Ansteckungsgefahr ist sehr hoch. Die wichtigsten Infektionsquellen sind Speichel, Stuhl, infizierte Hände oder Gegenstände und Wasser.
Der Mensch ist der einzige natürliche Wirt der Polio-Viren. Nach einer Infektion sind sie im Rachensekret, im Stuhl und in der Gehirnflüssigkeit nachweisbar. Die Inkubationszeit zwischen der Ansteckung und dem Ausbruch der Krankheit beträgt sechs bis zehn Tage.
Die paralytische Form der Erkrankung ist selten. Sie hat drei Krankheitsphasen:
In den meisten Fällen aber verläuft die Infektion unbemerkt.
Die nicht-paralytische Form der Erkrankung äußert sich mit Fieber, Kopfschmerzen, Halsschmerzen, Erbrechen, Müdigkeit, Rücken- und Nackenschmerzen, Schmerzen an Händen und Füßen sowie Muskelschwäche. Lähmungen treten in diesem Fall nicht auf.
Die Symptome bei Erwachsenen, die als Kinder an einer akuten epidemischen Kinderlähmung erkrankt waren, sind sehr unterschiedlich: Bei einigen sind nur bestimmte Gliedmaßen schwach, andere sind auf den Rollstuhl angewiesen und manche können ohne künstliche Beatmung nicht leben.
Manche Betroffene erkämpfen sich aber auch überdurchschnittliche Leistungen. Berühmte Beispiele für erfolgreiche Polio-Patienten sind der US-Präsident Theodore Roosevelt und Margarete Steiff, Gründerin der Firma Steiff, die für ihre Teddybären bekannt ist.
Das Post-Polio-Syndrom ist eine Komplikation, die ungefähr 20 bis 30 Jahre nach der paralytischen Ersterkrankung auftritt und sich mit Müdigkeit, eingeschränkter Kälteverträglichkeit, Muskelschmerzen, -schwäche und -schwund, Atmungs- oder Schluckstörungen, Atemstillstand im Schlaf, Konzentrations- und Erinnerungsschwierigkeiten sowie Depressionen äußert.
Eine wirksame Therapie gibt es nicht. Besteht Verdacht auf Poliomyelitis, muss der Betroffene wegen der hohen Ansteckungsgefahr im Krankenhaus isoliert werden.
Die Behandlung der akuten Phase lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Für Erwachsene, die im Kindesalter an einer paralytischen Poliomyelitis erkrankt waren, sind folgende Maßnahmen hilfreich:
Kinderlähmung hat Deutschland in der Vergangenheit mit epidemischen Wellen geplagt. Heute leiden noch immer rund 50.000 Deutsche an den Spätfolgen. Einige sind auf den Rollstuhl angewiesen, viele sind pflegebedürftig und andere brauchen psychologische Unterstützung.
Die Ausbreitung der Erkrankung konnte dank der Impfstoffe ab 1960 eingedämmt werden. Drei Jahrzehnte hat die Ausrottung der Poliomyelitis in Anspruch genommen. Ist es jetzt vorbei?
Solange wir fremde Länder besuchen, Reisende aus dem Ausland nach Deutschland kommen und die Welt noch nicht poliofrei ist, lautet die Antwort: nein. Deshalb überprüfen Sie am besten, ob Sie und Ihre Liebsten ausreichend geschützt sind.
Quelen:
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