Artikel 07/06/2013

„Blutverdünnung“ - eine Begriffsklärung

Dr. med. Boris Leithäuser Internist, Kardiologe, Angiologe
Dr. med. Boris Leithäuser
Internist, Kardiologe, Angiologe
blutverduennung

Wenn im Volksmund von „Blutverdünnung“ gesprochen wird, ist die Hemmung der Gerinnungsfähigkeit des Blutes gemeint. Der Mediziner spricht hier von Antikoagulation (griech. anti = „gegen“, lat. coagulatio = „zusammenführen, verbinden“). Man kann das Blut tatsächlich auch verdünnen (wie bei einer Suppe, der man Wasser beigibt), indem man in kurzer Zeit sehr viel trinkt oder eine wässrige Lösung mittels einer Infusion (lat. infundere = „eingießen“) in das Gefäßsystem des Körpers einlaufen lässt. Dann spricht der Mediziner von Hämodilution (griech. haema = „Blut“; lat. dilutus = „verdünnt“). Bei der Behandlung von Erkrankungen zielt die Antikoagulation also auf die Verhinderung der Bildung von Blutgerinnseln, während die Hämodilution eine Veränderung der Fließeigenschaften des Blutes bewirkt; zwei völlig verschiedene Umstände.

Schon Goethe schrieb in seinem Faust: „Das Blut ist ein ganz besonderer Saft“. Man kann es auch als flüssiges Körpergewebe bezeichnen. Die festen Bestandteile im Blut - die Blutzellen - sind nur nicht miteinander verbunden. Die Fähigkeit des Blutes, Gerinnsel zu bilden, ist eine der Grundlagen für die Existenz von Lebewesen auf diesem Planeten. Man findet die Blutgerinnung schon bei den primitivsten vielzelligen Lebensformen und ohne diese Eigenschaft hätte sich das Leben bis zur heutigen Form nicht weiterentwickelt. Wesentliche Erkenntnisse zur Funktion des Gerinnungssystems stammen beispielsweise aus Untersuchungen am Pfeilschwanzkrebs (Limulus polyphemus). Diese Tiere gehören zu den so genannten „lebenden Fossilien“. Sie haben sich in den letzten 250 Millionen Jahren nicht verändert.

Das Blutgerinnungssystem ist lebenswichtig. Es dient zur Vermeidung des Blutverlustes nach Verletzung (Blutstillung und Wundverschluss). Weiterhin schützt es den Organismus vor „schädigenden Eindringlingen“ (z. B. Bakterien oder Fremdkörper) indem diese in Blutgerinnsel eingeschlossen werden. Dabei wirken zwei verschiedene, sehr komplizierte Anteile zusammen. Der flüssige Teil des Blutes, genannt Plasma, enthält Gerinnungsfaktoren. Das sind Proteine (Eiweiße), die sich in einer Kettenreaktion gegenseitig aktivieren, ihre Struktur ändern und dadurch fest werden. Dies wird plasmatische Gerinnung genannt. Zur Veranschaulichung dient das Hühnerei: Wird es erhitzt, ändert sich die Eiweißstruktur und aus dem flüssigen Eiklar wird das feste Eiweiß. Daneben gibt es spezialisierte Blutzellen, die sogenannten Blutplättchen (Thrombozyten). Auch diese werden durch bestimmte Reize aktiviert, so dass sie sich miteinander verklumpen. Man nennt dies zelluläre Gerinnung. Meist besteht ein Blutgerinnsel also aus geronnenem Eiweiß und verklumpten Blutzellen. Es sind also beide Anteile des Blutgerinnungssystems beteiligt. Die rote Farbe kommt von den roten Blutkörperchen (Erythrozyten), die in dem Gerinnsel gefangen sind.

Leider gibt es Erkrankungen, die durch eine Aktivierung der Blutgerinnung entstehen: Thrombose, Lungenembolie, Herzinfarkt oder Schlaganfall. Schutz vor diesen Erkrankungen bietet die Antikoagulation. Wie zu Beginn dieses Artikels erwähnt wird das Blut hierbei nicht wortwörtlich verdünnt, sondern es werden Medikamente gegeben, die in eines der beiden Teile des Gerinnungssystems eingreifen. Sehr bekannte Präparate unterdrücken die Bildung von bestimmten Gerinnungsfaktoren in der Leber. Andere, neuere Substanzen blockieren die Wirksamkeit einzelner Faktoren. Wieder andere Medikamente verhindern, dass die Blutplättchen miteinander verklumpen (z. B. Acetylsalicylsäure, abgekürzt ASS). Es kommt darauf an, in welchem Bereich des Herz-Kreislaufsystems die Bildung von Blutgerinnseln verhindert werden soll, um zu entscheiden welches Medikament verordnet wird.

Die Therapie zum Schutz vor Blutgerinnseln hat einen Nachteil: Ein erhöhtes Risiko für das Auftreten einer Blutung. Dabei sind Blutungen ungefährlich, die durch kleine Verletzungen entstehen, z. B. beim Rasieren oder bei Küchen- und Gartenarbeiten. Kritisch wird es bei Blutungen in den inneren Organen, am schlimmsten im Gehirn. Im Allgemeinen ist das Risiko für eine schwere Blutung durch die Antikoagulation gering. Viel häufigere und schwerwiegendere Folgen für die Gesundheit entstehen durch das Auftreten von Blutgerinnseln. Manche Patienten haben jedoch aufgrund bestimmter Vorbedingungen und Risikofaktoren ein erhöhtes Risiko für eine Blutung, wenn gerinnungshemmende Medikamente eingenommen werden müssen (s. auch Artikel „Alternative zur Blutverdünnung bei Vorhofflimmern“). Das gilt besonders für die Präparate, die die Gerinnungsfaktoren hemmen. Hier muss das Risiko für jeden Patienten individuell eingeschätzt werden.

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