Artikel 29/06/2017

Vitamin D: Mythos oder Multitalent? Was tun bei Vitamin-D-Mangel?

Dr. med. Keihan Ahmadi-Simab Internist, Rheumatologe, Gastroenterologe
Dr. med. Keihan Ahmadi-Simab
Internist, Rheumatologe, Gastroenterologe
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Früher gab es Lebertran, weil schon unsere Groß- und Urgroßeltern wussten, dass Kinder ohne ausreichende Vitamin-D-Zufuhr in Gefahr waren, eine Knochenkrankheit namens Rachitis zu entwickeln. Besonders gefährdet waren die Kinder, die aufgrund ihrer sozialen Lage weder genug Nahrung noch Sonnenlicht erhielten.

Das ist lange her. Nun erfährt die Diskussion um Vitamin D allerdings auf anderer Ebene eine Renaissance. Überall ist von Vitamin-D-Mangel die Rede. Vitamin D ist im wahrsten Sinne des Wortes in aller Munde und die Gabe des Wundervitamins Colecalciferol, das eigentlich ein Hormon ist, sehr weit verbreitet.

Denn auch der Mangel, den man jetzt messen kann, ist häufig. Unter anderem wurden schon vor vielen Jahren extrem niedrige Vitamin-D-Spiegel bei Krankenhausärzten festgestellt. Gleichzeitig entdeckt die Wissenschaft immer neue wichtige Eigenschaften dieses Hormons, das so vielen von uns fehlt.

Was macht Vitamin D?

Vitamin D ist wirklich ein Multitalent. Es besteht Einigkeit darüber, dass das Hormon auf bis zu 200 Gene in Darm-, Prostata-, Nerven- oder Brustdrüsenzellen einwirkt - überall im Körper hat man Rezeptoren nachweisen können.

In der Tat ist Vitamin D unersetzlich, um Kalzium aus dem Darm und für die Knochenmineralisation aufzunehmen. Es hat aber auch Einfluss auf das Immunsystem. Ein Zusammenhang mit verstärktem Auftreten oder verstärkter Aktivität von Autoimmunerkrankungen und rheumatischen Erkrankungen wird diskutiert. Es gibt auch Hinweise darauf, dass Vitamin D eine positive Rolle in der Regulierung von Entzündungsprozessen, so auch bei der molekularen Steuerung von Entzündungs- und Immunprozessen an der Haut spielt. Schuppenflechte kommt in nördlichen Breiten sehr viel häufiger vor als im Süden.

Neuere Arbeiten belegen einen Zusammenhang von Vitamin-D-Mangel und chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Ein ausreichender Vitamin-D-Spiegel soll außerdem das Dickdarmkrebsrisiko senken. Auch für eine neurologische Systemerkrankung, die Multiple Sklerose, gilt mittlerweile, dass niedrige Vitamin-D-Spiegel mit schwererem Krankheitsgeschehen und häufigeren Schüben einhergehen.

Das sind nur einige Beispiele für Studien über positive Effekte von Vitamin D. Und wie ist es mit der sogenannten saisonal abhängigen Winterdepression durch Lichtmangel? Ein Zusammenhang von gedrückter Stimmung und Vitamin-D-Mangel konnte inzwischen belegt werden, ebenso die Verbindung zum sogenannten Erschöpfungssyndrom. Und selbst Ausprägung und Verlauf von kognitiven Störungen, wie z.B. Demenzerkrankungen, soll von Vitamin D beeinflusst sein.

Wie können wir nun eine ausreichende Versorgung sichern?

Vitamin D können wir unter UVB-Bestrahlung in der Haut bilden, weshalb es eigentlich kein Vitamin ist. Wieviel wir davon bilden, ist abhängig von Alter und Hauttyp sowie von der Intensität der Sonneneinstrahlung.

In unseren Breitengraden kommt eigentlich nur im Sommer ausreichende UV-Strahlung an, aber auch ihr halten wir uns weitgehend fern: Wir verbringen den Großteil unserer Zeit in geschlossenen Räumen. Wir haben gelernt, uns mit Sonnenschutzmitteln gegen UV-Strahlung zu schützen, um das Hautkrebsrisiko zu minimieren, und wir wissen, dass UV-Strahlung die Hautalterung voran treibt, so dass konsequenter UV-Schutz längst Bestandteil persönlicher Anti-Aging-Konzepte geworden ist. Wir können aber versuchen, weniger empfindliche Hautregionen im Sommer möglichst täglich einige Minuten der Sonne auszusetzen.

Trotz noch so gesunder Ernährung können wir leider kaum ausreichende Mengen Colecalciferol mit der Nahrung aufnehmen. Deshalb wird empfohlen, Colecalciferol als Nahrungsergänzung einzunehmen. Die generelle Empfehlung liegt bei etwa 10.000 bis 20.000 I.E. wöchentlich, was heutzutage bequem mit einer Kapsel alle ein bis zwei Wochen zu erledigen ist. Allerdings sollte dies ärztlich begleitet werden, um Überdosierungen und Nebenwirkungen zu vermeiden.

Die Bestimmung des Vitamin-D-Spiegels und die Supplementierung von Vitamin D gehört zu den wesentlichen Bestandteilen einer ganzheitlichen Gesundheitsberatung und Vorsorgemedizin und wird auch bei Check-ip- Untersuchungen regelmäßig zum Thema.

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