Artikel 10/06/2017

Vergrößerte Mandeln bei Kindern und Erwachsenen: Symptome, Ursachen und Therapie

Team jameda
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Schon wieder hat Ihr Kind Fieber und entzündete Mandeln und Sie fragen sich, ob es Zeit wäre, die lästige Mandelvergrößerung operativ zu beseitigen? Lesen Sie hier, wann die Mandelentfernung eine gute Idee ist und welche alternativen Behandlungsmethoden es gibt.

Wenn die Mandeln krank sind

Die Mandeln, auch Tonsillen genannt, sind Abwehrorgane im Bereich der Mundhöhle und des Rachens. Es handelt sich um Ansammlungen von Lymphknötchen, die Erreger bekämpfen.

Bei Kindern vergrößern sich die Gaumenmandeln insbesondere in den ersten 3 Lebensjahren und danach bilden sie sich zurück. Sie haben viele Vertiefungen, so dass die Oberfläche der Gaumenmandel beim Erwachsenen fast 300 cm2 erreicht.

Die Mandeln sind anfällig für Entzündungen, die sogenannte Tonsillitiden, die Halsschmerzen und Fieber verursachen.

Oft bilden sich adenoide Wucherungen auf den kleinen Abwehrorganen, die „Hyperplasien des lymphatischen Rachenrings“ genannt werden. Wenn sie die Rachenmandeln betreffen, heißen sie „Adenoide“ oder „Polypen“ und wenn es Wucherungen gleichzeitig auf den Gaumenmandeln gibt, spricht man von einer „Tonsillenhyperplasie“. Sind alle Mandeln betroffen, handelt es sich um eine Rachenringhyperplasie.

Die möglichen Ursachen der Wucherungen sind eine genetische Veranlagung, immer wiederkehrende Infektionen und eine Fehl- oder Überernährung. Bei Erwachsenen vergrößern sich die Mandeln wieder, wenn sie an AIDS erkranken.

In den Mandeln können sich auch Steine bilden, die zwar harmlos sind, aber einen unangenehmen Mundgeruch verursachen.

So fühlt sich eine Mandelvergrößerung an

Menschen mit dauerhaft vergrößerten Gaumenmandeln halten den Mund immer offen, was einen dümmlichen Gesichtsausdruck verursacht. Sie schlafen schlecht und schnarchen, weshalb sie tagsüber müde und teilnahmslos sind. Auch Appetitlosigkeit und eingeschränkte Beweglichkeit gehören zu den Symptomen der Erkrankung.

Weitere Folgen bei Kindern:

  • körperliche Wachstums- und Konzentrationsstörungen
  • schlechte Schulleistungen
  • chronische eitrige Entzündungen des Nasen- und Rachenbereichs, der Nasennebenhöhlen und der Bronchien
  • Sprachstörungen
  • Schluck- und Atembeschwerden

Während der Mandelentzündungen kommt noch Fieber dazu und die Lymphknoten an den Kieferwinkeln schwellen an, ein- oder beidseitig, mit oder ohne Schmerzen.

Folgende Komplikationen können von einer chronischen ausgeprägten Mandelvergrößerung verursacht werden:

  • Mittelohrentzündung, auch Otitis media genannt
  • Schwerhörigkeit
  • Sprachentwicklungsstörungen
  • Fehlstellung des Kiefers und der Zähne
  • Entwicklungsstörungen

Die Diagnostik der Erkrankung ist für den erfahrenen Arzt recht einfach. Mit einem Spiegel untersucht er Mundhöhle, Rachen und Gaumen und kann so feststellen, ob die Mandeln vergrößert oder entzündet sind. Ergänzend werden Röntgenaufnahmen gemacht.

Wann und wie operiert der Arzt?

Bei der Mandel-OP, auch „Tonsillektomie“ genannt, werden die Gaumenmandeln vollständig entfernt. Die Teilentfernung der Mandeln ist als „Tonsillotomie“ bekannt. Ursprünglich wurden Tonsillotomien zur Beseitigung von Infektionsherden oder Abszessen durchgeführt.

Die Indikation für eine Mandel-OP hat sich in den letzten Jahrzehnten mehrmals geändert. Die Tonsillektomie wurde sehr oft prophylaktisch durchgeführt, damit sich die Bakterien von den Mandeln im Rahmen eines rheumatischen Fiebers nicht auf Herz und Nieren ausbreiten. Heutzutage ist diese Indikation nicht mehr gerechtfertigt.

Später wurden folgende Kriterien festgelegt:

  • 7 oder mehr Mandelentzündungen im letzten Jahr
  • 10 oder mehr Mandelentzündungen in den letzten 2 Jahren
  • 9 oder mehr Mandelentzündungen in den letzten 3 Jahren

Die Mandelentzündungen müssen ärztlich dokumentiert sein und außer Halsschmerzen muss es mindestens ein zusätzliches Symptom geben, wie zum Beispiel:

  • Fieber höher als 38,8 Grad Celsius
  • Lymphknotenschwellung, die druckschmerzhaft oder größer 2 cm ist
  • weiße Beläge auf den Mandeln

Halsschmerzen reichen nicht für die Diagnose einer bakteriellen Mandelentzündung, weil nur ungefähr 15 Prozent der Halsschmerzen im Kindesalter durch eine Streptokokken-Mandelentzündung ausgelöst werden. Die restlichen Fälle sind virale Rachenentzündungen.

Wegen der Einführung neuer Antibiotika in den 1960er und 1970er Jahren wurden immer weniger Mandel-OPs durchgeführt. In den 1990er Jahren jedoch hat die Häufigkeit wieder zugenommen, weil sie als Therapie der Schlafapnoe eingeführt wurde. Außerdem muss eine Tonsillektomie immer bei einem Verdacht auf Krebs der Mandeln oder bei einem Lymphom durchgeführt werden.

Die Häufigkeit der Mandel-OPs veränderte sich mit den sich wandelnden OP-Indikationen. In Deutschland wird Tonsillektomie seltener als früher durchgeführt, aber die Tonsillotomie kommt häufiger zum Einsatz. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lag die OP-Zahl der Tonsillektomie im Jahr 2005 bei 77.765 Eingriffen und ging 2013 kontinuierlich auf 58.955 zurück. 3.790 Eingriffe betrafen Kinder im Alter zwischen 5 und 10 Jahren, 7.099 wurden an männlichen und 15.266 an weiblichen Patienten im Alter zwischen 15 und 25 Jahren durchgeführt.

Die OP erfolgt in der Regel stationär unter Vollnarkose und selten mit Lokalanästhesie. Sie dauert 20 bis 30 Minuten und kann mit Skalpell, Laser oder mit thermischen Schneideverfahren durchgeführt werden.

Der Haken der Mandel-OP

Sicher fragen Sie sich, wieso Experten sich so sehr den Kopf zerbrechen, bevor sie die Entscheidung für oder gegen eine so einfache OP treffen. Der Grund sind die Nachblutungen, die häufigste Komplikation einer Tonsillektomie. Sie treten in 1 bis 6 Prozent der Fälle auf und kommen entweder am 1. oder 2. Tag oder aber am 5. oder 6. Tag nach der OP vor. 2,8 Prozent der unter 5-Jährigen, 4,4 Prozent der 5- bis 10-Jährigen und 5,3 Prozent der 10 bis 15-Jährigen waren im Jahr 2010 in Deutschland davon betroffen. Die Nachblutungsrate aller Altersgruppen betrug 7 Prozent bei Männern und 5 Prozent bei Frauen.

Deswegen ist es sinnvoll, nach einer Mandel-OP im Krankenhaus zu bleiben, wo es Überwachungs- und Behandlungsmöglichkeiten gibt. Bei starken Nachblutungen muss der Chirurg sofort eingreifen, denn sie können ohne Behandlung lebensbedrohlich werden.

Weitere OP-Komplikationen, die selten auftreten, sind Verletzungen der Zunge, des weichen Gaumens, des Zäpfchens und der Zähne. Bleibt ein Mandelrest zurück, sind erneute Entzündungen möglich. Auch Geschmacks- und Sprechstörungen sind mögliche Komplikationen einer Mandel-OP, wenn der Zungennerv geschädigt wird.

Was tun bei Mandelentzündungen?

Bei einer bakteriellen Mandelentzündung verschreibt der Arzt Antibiotika.

Bestimmte Teesorten, die stoffwechselanregende, abwehrsteigernde oder vitaminreiche Pflanzen enthalten, wie zum Beispiel Brennnessel, Ackerschachtelhalm, Holunder, Linde, Hagebutte oder schwarze Johannisbeere, sind hilfreiche ergänzende Hausmittel bei wiederholt entzündeten Mandeln. Darüber hinaus ist es sinnvoll, zuckerreiche Nahrungsmittel zu vermeiden und für ein normales Körpergewicht zu sorgen.

In der Homöopathie werden folgende Mittel gegen Mandelvergrößerung angewendet: Barium carbonicum, Barium jodatum, Guaiacum, Kalium bichromicum und Kalium chloratum.

Fazit

Die Mandeln sind kleine Abwehrorgane, die uns von Krankheitserregern schützen. Entzünden oder vergrößern sie sich, kann es zu Problemen kommen. Je nach Schweregrad hilft Ihnen der Arzt zu entscheiden, ob eine Mandel-OP sinnvoll für Sie oder Ihr Kind ist oder nicht. So einfach sie auch erscheinen mag, birgt eine Tonsillektomie Risiken. Deswegen sollten vorher andere Möglichkeiten ausgeschöpft werden.

Links

Berufsverband der Deutschen Hals-Nasen-Ohrenärzte
Deutscher Hausärzteverband
Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie

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