Team jameda
Das Gleichgewichtsystem sorgt dafür, dass wir Menschen unseren Körper „im Gleichgewicht“ halten. Seit der Mensch aufrecht geht, sind die Anforderungen an das Gleichgewichtssystem sehr hoch. Wenn es ausfällt, kann es zu folgenreichen Stürzen mit einem hohen Verletzungsrisiko führen.
Als Jäger brauchten unsere Vorfahren ein funktionierendes Gleichgewichtssystem. Während sie liefen, konnten sie das Beutetier trotz ihrer eigenen Bewegungen und der ihrer Beute fest im Blick halten: Das Gleichgewichtssystem liefert das dazu nötige „Tracking-System“. Außer uns Menschen hat übrigens nur noch der Leopard diese Fähigkeiten.
Die Berechnung von Lage und Bewegung unseres Körpers im Raum und die Berechnung der Lage der einzelnen Körperteile untereinander ist sehr anspruchsvoll und erfordert den Einsatz vieler Sensoren und Muskeln. Außerdem ist ein leistungsfähiges Rechenzentrum erforderlich, das vom Rückenmark, Kleinhirn und Großhirn zur Verfügung gestellt wird. Zur Aufrechterhaltung des „Betriebes“ müssen sämtliche beteiligte Organe mit Blut und Nährstoffen versorgt werden.
Komplexe Systeme sind störanfälliger als einfache. Bei so vielen Beteiligten ist das Risiko eines Ausfalls naturgemäß höher. Wenn eine der Systemkomponenten ausfällt, dann kommt es zu einer Störung im Gleichgewichtssystem – zum Schwindel.
An der Art der Störung kann der Arzt bereits viele Informationen zur Art und zum Ort der Störung gewinnen. Die genaue Beschreibung des Schwindels ist ein wichtiges Hilfsmittel bei der Erstellung der Diagnose.
Die wichtigsten Messfühler für das Gleichgewichtssystem befinden sich mit dem Innenohr zusammen tief im Inneren des Schädels, geschützt durch ein dickes Knochenmassiv. Auch wenn wir von „dem Gleichgewichtsorgan“ sprechen, handelt es sich in Wahrheit um fünf einzelne Messfühler.
Zum Gleichgewichtsorgan, das wegen seiner Komplexität auch „Labyrinth“ genannt wird, gehören drei Bogengänge und zwei kleine Hohlräume, die mit Kristallen gefüllt sind. Die Kristalle in den Hohlräumen liegen immer unten und zeigen dem Körper an, wo sich der Mittelpunkt der Erde befindet. Die Sinneshärchen in den beiden Hohlräumen stehen senkrecht zu einander, sodass sich die Messgenauigkeit erhöht. Die drei Bogengänge stehen paarweise aufeinander senkrecht, sodass eine Drehung um jede denkbare Achse genau erfasst werden kann, indem die drei Komponenten der Gesamtdrehung einzeln erfasst und ausgewertet werden. Die Drehung wird mit Hilfe der trägen Flüssigkeit im Inneren der Bogengänge gemessen. Bei Beschleunigungen verschieben sich Flüssigkeit und „Schlauch“ gegeneinander und diese Verschiebung wird von Sinneshärchen erfasst.
Überhaupt kann das Gleichgewichtsorgan nur Beschleunigungen wahrnehmen, aber keine gleichförmigen Bewegungen. Das hat physikalische Gründe und ist kein ‘Baumangel’. Die beiden Hohlräume messen eine Linearbeschleunigung und die drei Bogengänge messen Winkelbeschleunigungen.
Wenn die Bogengänge eine Winkelbeschleunigung ausfindig gemacht haben, dann werden die Augen mit gleicher Winkelbeschleunigung in die Gegenrichtung geführt, sodass das Bild auf der Netzhaut stabil bleibt. Bei fortgesetzter Drehung lässt sich das aber nur für kurze Zeit aufrechterhalten. Dann erreichen die Augen eine Endstellung und können sich nicht weiterdrehen. Wenn die Endstellung erreicht wird, springen sie sehr schnell zurück und können nun für eine weitere kurze Zeit ein anderes Bild stabil auf der Netzhaut halten. Während des schnellen Rücksprungs wird das Bild im Gehirn ausgeblendet, sodass es unsere Wahrnehmung nicht stören kann.
Die Augenbewegung mit der langsamen „Tracking“-Komponente und dem schnellen Ausgleichsrücksprung – sie hat die Form einer „Sägezahnkurve“ – nennt man „Nystagmus“. Wenn wir uns bewegen, dann sind Nystagmen notwendig und normal. Berühmt ist auch der sogenannte „Eisenbahnnystagmus“, der immer auftritt, wenn ein Bahnfahrer aus dem Fenster sieht. Die Augen verfolgen einen Baum am Streckenrand so lange wie es geht und springen dann nach vorn zum nächsten Baum.
Wenn jedoch Nystagmen auftreten, obwohl sich der Körper nicht dreht oder bewegt, dann ist das ein Krankheitszeichen. „Spontannystagmen“ sind pathologisch, zeigen eine Störung im System an und gehen mit einem Drehschwindel-Gefühl einher. Aus der Richtung des Nystamus’ kann der Arzt auf den beteiligten Bogengang schließen.
Wenn es zu Störungen in den beiden Hohlräumen „Sacculus“ und „Utriculus“ kommt, dann hat man das Gefühl, der Boden stehe schief oder man bewege sich aufwärts oder zur Seite. Hier spricht man vom sogenannten „Liftschwindel“ oder dem „Schwankenschwindel“.
Ein Schwindelgefühl resultiert im Übrigen immer aus einem Missverhältnis, wenn zwei oder mehrere Messfühler zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, obwohl sie eigentlich dasselbe Resultat haben müssten.
Bei der „Seekrankheit“ ist das auch der Fall, obwohl die unterschiedlichen Messwerte nicht durch Krankheit entstehen, sondern durch äußere Umstände. Unter Deck können die Augen die Relativbewegungen des Schiffs zur Außenwelt nicht sehen; die Beschleunigungssensoren können die Bewegungen des Schiffes aber direkt messen und benötigen dazu keinen festen Vergleichspunkt. Wenn die Gleichgewichtsorgane „Bewegung“ melden und die Augen „Ruhe“, dann ist das Gehirn überfordert und reagiert gereizt mit einem mehr oder weniger starken Schwindelgefühl.
Wir haben schon angedeutet, dass das Gleichgewichtssystem in seiner Komplexität störanfällig ist und dass bestimmte Probleme zu bestimmten Folgen führen können. Die Störungen müssen auch nicht notwendig nur in den Gleichgewichtsorganen selbst liegen.
Störungen der Blutversorgung fallen in den Bereich der „inneren Medizin“; Hormonstörungen einschließlich „Diabetes mellitus“ oder Schilddrüsenerkrankungen ebenfalls. Störungen im Muskel- oder Nervensystem erfordern orthopädische und / oder neurologische Untersuchungen. Die Liste ist nicht vollständig.
Für die Diagnostik ist eine möglichst genaue Beschreibung des Schwindels wichtig.
Zur Schwindelbeschreibung gehören
Sie helfen Ihrem Arzt bei der Diagnosefindung, wenn Sie sich bereits zu Hause vorbereiten und versuchen, die Fragen zu beantworten.
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