Während noch vor Jahrzehnten 10% der Schulkinder den Anforderungen der Bundesjugendspiele nicht gewachsen waren, erfüllen heute nur noch knapp mehr als 10% diese Anforderungen.
Dagegen sitzen 75% aller 7-10jährigen mindestens 1 Stunde pro Tag vor dem TV, 6% sogar mehr als 3 Stunden. Dabei sind PC und Gameboy oder Handy noch gar nicht mitgerechnet.
Häufig wird der Sport an deutschen Schulen zu wenig gefördert oder fällt aus und die Mitgliederzahl von Jugendlichen in Sportvereinen könnte deutlich grösser sein. So ist es nicht überraschend, daß die Zahl der übergewichtigen Kinder, natürlich auch dank der heutigen Ernährungsgewohnheiten ständig zunimmt. So haben 30% aller zuckerkranken Kinder in Deutschland einen Altersdiabetes, in den USA sind es bereits 50% - Tendenz steigend.
Seit mehr als 10 Jahren begleite ich als beratender Arzt eines Zentrums für gesundheitsorientiertes Krafttraining und Leiter einer Abteilung für medizinische Kräftigungstherapie Erwachsene und Jugendliche beim Kraft- und Muskelaufbau.
Krafttraining sinnvoll bei jugendlichen Skoliosepatienten
Zu Beginn setzte ich, bestärkt durch die Studienergebnisse von V. Mooney (2000), das Krafttraining v.a. bei jugendlichen Skoliotikern ein. Dieser konnte bei Patienten mit einem Cobb-Winkel bis zu 25 Grad eine Verbesserung von durchschnittlich 6 Grad weisen. Die in diesem Bereich möglichen Alternativen wie Krankengymnastik oder bei stärkeren Skoliosen zwischen 25 und 45 Grad Korsettversorgung hatten keine evidenzbasierten Studien vorzuweisen und waren zudem mit einer schlechten Compliance bei den meist Patientinnen versehen.
Entgegen dem Vorurteil vieler Eltern, Trainer und Sportlehrer, Krafttraining schädige den im Wachstum befindlichen Körper, beweist der aktuelle Stand der Forschung genau das Gegenteil. Als ehemaliger betreuender Arzt eines Kunstturnkaderzentrums konnte ich bereits Ende der 80iger Jahre sehen, wie regelmäßiges Krafttraining schon bei Kindern und präpubertären Jugendlichen ein Muskelwachstum bewirkt.
Verbesserung der allgemeinen Fitness und des Muskelkorsetts bei Jugendlichen
Heute soll das präpubertäre Krafttraining zunächst die allgemeine Fitness und das Wohlbefinden steigern. Daneben soll es bis zum Ende des Wachstums den muskulären Grundstein mit ausreichend vielen Muskelfasern legen, von dem der Mensch ein Leben lang zehren muss. Diese gilt auch für die Knochenmasse, die ebenfalls durch das Krafttraining auf Grund der Zug- und Druckbelastungen verbessert wird. Mit Einsetzen der Pubertät und Anstieg der Testosteronproduktion erhält der Aufbau der Muskelmasse einen deutlichen Schub.
Ungefähr nach Abschluss des Wachstums ist die Wabenstruktur des Knochens und die Muskelfaseranzahl des Bewegungsapparates festgelegt. Abgebaute Knochenbälkchen oder in Fett oder Bindegewebe umgewandelte Muskelfasern sind für immer verloren. Es können dann durch Training nur noch die vorhandenen Muskelfasern bzw. die Knochenbälkchen verdickt werden.
Kein Maximalkrafttraining
Das jugendliche Krafttraining ist auf keinen Fall ein Maximalkrafttraining wie beim Erwachsenen. Ein Haurucktraining ist zu vermeiden. Die Wiederholungen sollen bewußt langsam und konzentriert durchgeführt werden, wozu Jugendliche in hohem Maße fähig sind. Das Training sollte als Einsatztraining 1-2x/Woche an 10 Maschinen mit einer Trainingsdauer zwischen 120 und 150 sek durchgeführt werden.
Diese Vorgaben beziehen sich u.a. auf die Arbeiten von Falk 1996 und Feigenbaum 1997. Bryant (1997) machte den Erfolg des Krafttrainings auch von der richtigen fachlichen Betreuung und der richtigen Dosierung des Widerstands abhängig.
Ab Körpergrösse von 150cm
In meiner Praxis setze ich gezielt das Krafttraining bei jugendlichen Sportlern mit einseitiger körperlicher Belastung zur Harmonisierung des Muskelkorsetts und Minimierung des Verletzungsrisikos ab einer Körpergröße von 150cm ein. Bereits seit Jahren gehört das Krafttraining in meine Behandlungsstrategie der skoliotischen Fehlhaltung bzw. leichteren Skoliose neben einer ganzheitlichen Therapie der Koordination bzw. des sensomotorischen Regelkreises.
Reduzierung des Übergewichts und Verbesserung der glykämischen Stoffwechsellage bei Jugendlichen mit Altersdiabetes
Wie bereits eingangs erwähnt nimmt der Anteil der Jugendlichen und meist übergewichtigen Diabetiker mit Altersdiabetes ständig zu. Kraftraining führt hier zu einer Verbesserung der glykämischen Stoffwechsellage, Fettabbau und Verbesserung der Herz-Kreislauffunktion. Studien wiesen die Verbesserung des HbA1c-Wertes durch Krafttraining um 0,6% nach. Meist sind diese Kinder nicht in der Lage an einem Sport, der eine gewisse Ausdauerleistung erfordert, teilzunehmen. Nach Gewichtsreduktion und Stärkung des muskulären Korsetts können sie jedoch langsam an Sportarten herangeführt werden. Sodann würden sich bei gleichzeitigen Kraft- und Ausdauertraining speziell beim jugendlichen Altersdiabetes Synergieeffekte ergeben.
Leider wird diese Vorgehensweise trotz regelmäßiger Aufklärungsarbeit meinerseits noch zu wenig von Kinder- und Jugendärzten unterstützt.
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