Ärzte haben einen besonderen Blick auf die Welt der Medizin. Damit Patienten hinter die Kulissen des Gesundheitswesens blicken können, stellt jameda Herrn Prof. Dr. med. dent. Axel Bumann interessante Fragen zu seinen Erfahrungen als Zahnarzt.
jameda: Was hat Sie motiviert, Zahnarzt zu werden?
Prof. Dr. Axel Bumann: Die Kieferorthopädie war für mich schon als junger Mensch die ideale Kombination von verantwortungsbewusstem, einfühlsamem, medizinischen Handeln mit handwerklichen Aktivitäten. Mit Hilfe der Kieferorthopädie kann ich soziales Engagement, geistige Fähigkeiten und manuelles Geschick in idealer Art und Weise in Einklang bringen.
jameda**😗* Was macht Ihnen im Praxisalltag am meisten Freude? Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Prof. Dr. Axel Bumann: Am meisten Freude bereitet mir die Umsetzung des langjährig erworbenen theoretischen und praktischen Wissens an der Harvard University in Boston und der University of Southern in Los Angeles in die tägliche Praxis. Mein Herz schlägt seit 30 Jahren gleichermaßen für die Wissenschaft und die Praxis. Durch diese seltene Kombination können wir insbesondere bei jungen Patienten die Kiefer- und Gebissentwicklung perfekt steuern. Dazu ist es extrem wichtig, nicht den optimalen Behandlungszeitpunkt zu verpassen. Eine der großen Herausforderungen ist es daher, den Eltern, Kindergärten und Schulen verständlich zu machen, wie wichtig eine kompetente kieferorthopädische Frühberatung ab dem 6. Lebensjahr ist.
jameda: Welchen Vorurteilen begegnen Sie häufig in den Praxen?
Prof. Dr. Axel Bumann: Wir begegnen in unserer Praxis vernehmlich zwei Vorurteilen: Das häufigste Vorurteil ist, dass wir sowohl von zahnärztlichen Überweisern als auch von Eltern junger Patienten hören, „das Kind hat doch nicht solch einen schweren Fehlbiss, dass man damit zu einem Professor gehen muss…’. Es macht doch keinen Sinn, sich über Jahrzehnte Spezialwissen anzueignen und es dann insbesondere den jungen Patienten - unserer gesellschaftlichen Zukunft - vorzuenthalten. Das zweite Vorurteil ist: ‘ein Professor muss doch teuer sein…’. Wissen Sie, ich stamme aus einfachen Verhältnissen und habe trotz internationaler Karriere nie meine Wurzeln vergessen. Außerdem gibt es in Deutschland gesetzlich fest vorgeschriebene Gebührenpositionen, an die sich alle Behandler zu halten haben. Für unsere Praxis ist es ganz besonders wichtig, dass wir für alle Patienten da sind.
jameda: Manche Krankheiten und Therapien sind unangenehm und verlangen viel Durchhaltevermögen vom Patienten. Was raten Sie Patienten in solchen Situationen?
Prof. Dr. Axel Bumann: In der Kieferorthopädie ist die Motivation zur Behandlung relativ groß, weil sehr viele Patienten schöne, gerade Zähne haben möchten. In der Pubertät leidet die Mitarbeit der jugendlichen Patienten jedoch manchmal. Diese Probleme besprechen wir vorausschauend bereits vor Beginn der Behandlung sowohl mit den Patienten als auch mit den Eltern. Wenn dann später die Mitarbeit tatsächlich etwas nachlässt, wächst dann genauso schnell auch wieder die Einsicht, warum man die Behandlung eigentlich ursprünglich begonnen hat. Ein spezieller Fall ist die kombiniert kieferorthopädisch-kieferchirurgische Behandlung zur Behandlung schwerer Fehlbisse im Erwachsenenalter. Hier muss sich der erwachsene Patient nicht nur für eine Operation, sondern auch noch für eine feste Zahnspange entscheiden, die mehrere Jahre getragen werden muss. Dieses Problem umgehen wir seit 10 Jahren durch den Einsatz der sog. ‘Virtual Surgery First’ Methode. Dabei findet die Operation gleich zu Beginn der Behandlung statt, sodass der Patient schnelle Fortschritte sieht und die feste Zahnspange in der Regel nur 12 bis 15 Monate anstatt 24 bis 48 Monate tragen muss.
jameda: Wie reagieren Sie, wenn Sie merken, dass ein Patient Ihren Therapieplan nicht befolgt?
Prof. Dr. Axel Bumann: Bei Kindern und Jugendlichen erfolgt im Falle einer mangelnden Mitarbeit zunächst ein Gespräch über die Notwendigkeit der aktuellen Maßnahmen mit dem Patienten selbst. Trägt dieses Vorgehen keine Früchte, werden die Eltern zu einem gemeinsamen Gespräch eingeladen. Da die gesetzliche Krankenkasse am Ende der Behandlung die Erstattung der 20% Eigenanteil verweigert, wenn die Patienten nicht mitarbeiten, ist auch aus dem Aspekt heraus die Motivation in der Kieferorthopädie ziemlich hoch.
jameda: Wenn Sie das Gesundheitssystem ändern könnten, was würden Sie als Erstes tun?
Prof. Dr. Axel Bumann: Absicherung der medizinisch notwendigen Grundversorgung für alle Patienten und eine private Zusatzversicherung für alle Bereiche, die nicht vital bedrohlich sind. Abschaffung der Phrasen ‘die Krankenkasse zahlt alles, was medizinisch erforderlich ist …’. Mehr Eigenverantwortung des Patienten, was z.B. Rauchen, Schlägereien, Alkoholkonsum etc. angeht.
jameda: Kein Mensch ist perfekt. In welchen Bereichen haben Ärzte Ihrer Meinung nach Verbesserungspotential?
Prof. Dr. Axel Bumann: Ich glaube nicht, dass ich in der Position bin, zu sagen, was andere in ihrer Praxis besser machen können. Ich kann nur für mich und unsere Praxis sprechen. Wir versuchen jeden Tag, der Perfektion ein kleines Stück näher zu kommen. Unabhängig davon sehen wir unsere Aufgabe darin, die Patienten umfassend und verständlich aufzuklären, therapeutische Optionen aufzuzeigen und den mündigen Patienten am Ende mit in die Entscheidung einzubeziehen.
jameda: Die Welt der Medizin verändert sich ständig. Gibt es neue Therapieverfahren oder Gerätschaften, die Sie in Ihrer Praxis anwenden?
Prof. Dr. Axel Bumann: Die interessanteste Neuerung für Patienten ist sicherlich das 3D-Röntgen mit digitaler Volumentomographie (DVT). Diese Technik erschließt uns für Diagnostik und Therapie endlich die dritte Dimension. Die meisten der auf dem Markt befindlichen DVT-Geräte haben eine höhere Strahlenbelastung als 2D-Röntgenaufnahmen. Seit 3 Jahren gibt es jedoch DVT-Geräte und spezielle Aufnahmeprotokolle, die mit deutlich weniger Strahlenbelastung als bei 2D-Aufnahmen auskommen. Daraus ergibt sich für die Patienten und Behandler die ideale Konstellation von deutlich mehr diagnostischen Informationen und bei deutlich weniger Strahlenbelastung. Ohne 3D-Röntgendiagnostik weisen 36% der kieferorthopädisch behandelten Patienten fünf Jahre nach der Behandlung einen Zahnfleischrückgang auf. Die zweite große Neuerung sind sog. Intraoralscanner. Damit entfällt die klassische Abformung mit Abformlöffeln und Abformmassen. Der große Vorteil der digitalen Modelle ist die Möglichkeit zu sog. digitalen Setups. Dabei können wir die Zähne virtuell am Computer korrigieren und so die beste Behandlungsoption für den Patienten vorab bestimmen. Gleichzeitig kann der Patient schon vorher einen Eindruck über das spätere Ergebnis bekommen, was für die meisten Patienten sehr wichtig ist, damit sie nicht Geld in etwas investieren, von dem sie keine Vorstellung haben, wie es am Ende aussehen wird. Und die dritte bahnbrechende Neuerung ist ‘Virtual Surgery First’, welche von uns vor 10 Jahren maßgeblich mitentwickelt wurde. Diese Methode wird bei Patienten eingesetzt, die ausgewachsen sind und eine ausgeprägte Kieferfehlstellung haben. Zur Behandlung ist bei diesen Patienten eine kombinierte kieferorthopädisch-kieferchirurgische Behandlung mit Operation erforderlich. Früher dauerten diese Behandlungen 3 bis 5 Jahre. Durch die virtuelle Operationsplanung am Computer in Kombination mit einer Operation, die nicht mitten in der Behandlung, sondern gleich zu Anfang durchgeführt wird, kann die mittlere aktive Behandlungszeit mit fester Zahnspange heute auf 12 bis 15 Monate verkürzt werden.
jameda: Gibt es einen Patienten oder ein Erlebnis in Ihrer Praxis, das Sie nie vergessen werden?
Prof. Dr. Axel Bumann: Da fallen mir spontan drei Patienten ein: Vor einigen Jahren kam ein 17-jähriger Junge mit ausgeprägten Mundöffnungseinschränkung zu uns. Er konnte den Mund nur noch 17 mm öffnen. Die Eltern ginge, mit dem Kind über einen Zeitraum von vier Jahren zu verschiedenen Ärzten. Durch eine fundierte Manuelle Strukturanalyse und ein strahlungsarmes 3D-Röntgenbild konnte zielgerichtet die richtige Diagnose gestellt werden und mit einem minimalinvasiven Eingriff am Kiefergelenk konnte der Junge nach wenigen Wochen den Mund wieder ganz normal öffnen. Der zweite Fall war ein 11-jähriger Junge, bei dem im Rahmen der kieferorthopädischen Behandlung vier gesunde kleine Backenzähne gezogen werden sollten. Auch hier konnte durch den Einsatz von sog. Verankerungspins ein großer Aufwand vermieden werden. Die vier gesunden Backenzähne mussten nicht gezogen werden und dem Jungen konnte zu einem idealen Gebiss verholfen werden. Und die dritte Patientin sollte anderenorts eine kombiniert kieferorthopädisch-kieferchirurgische Behandlung erhalten. Seinerzeit hatte man ihr eine vierjährige Behandlung in Aussicht gestellt. Durch ‘Virtual Surgery First’ mit 3D-Röntgen, virtueller Operationsplanung am Computer und präzisen Positionierungsschienen konnte die schwere Kieferfehlstellung in 9-monatiger aktiver Behandlungszeit behoben werden.
jameda: Welchen Gesundheitstipp möchten Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben?
Prof. Dr. Axel Bumann: Gehen Sie unbedingt zur Frühberatung. Richtige Weichenstellung für optimalen Behandlungszeitpunkt und Abschluss einer Zusatzversicherung. Bedenken Sie 8 Termine pro Jahr für eine sehr begrenzte Zeit. Kieferorthopädie bedeutet gerade Zähne mit funktionellem Biss, richtig stehende Kiefer, gesunde Kiefergelenke, gesunder Bewegungsapparat. Verpassen Sie nicht das optimale Behandlungsfenster für Ihr Kind und geben Sie Ihr Kind in professionelle, kompetente Hände. Das ist eine sehr sinnvolle Investition fürs Leben!
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