Artikel 12/09/2011

Rückenschmerzen - warum die Untersuchung des Bauches so wichtig ist!

Team jameda
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Akute und chronische Rückenschmerzen sind eine Volkskrankheit die nahezu jeden Menschen egal welchen Alters betreffen kann. Bei unspezifischen Rückenschmerzen finden sich in Röntgen, Computertomografie und MRT-Untersuchung kein Nachweis einer Wirbelkörperverletzung oder relevante Bandscheibenveränderungen mit Rückenmarks- oder Nervenkompression sowie keine bakterielle Infektion oder Tumor eines Wirbelkörpers. Apparativ lässt sich somit häufig keine konkrete Ursache nachweisen.

Unter dem Begriff Hexenschuss und Kreuzschmerzen sind die Schmerzen in der Rückenmuskulatur insbesondere im Flankenbereich und neben der Wirbelsäule mit einer typischen, schmerzbedingten Schonhaltung im Volksmund bekannt. Begleitend hierzu empfindet der Patient häufig ein Blockierungsgefühl, welches ihn in der Vor-oder Rückneige sowie bei der Seitwärtsbewegung schmerzhaft behindert.

Die gängige Behandlungsmethode besteht in der Gabe von Schmerzmitteln (NSAR, zum Beispiel Diclofenac und Ibuprofen) sowie der Gabe von Muskelrelaxantien, die dem Patienten helfen sollen, möglichst schnell aus dem Schmerzmuster herauszukommen. Der neuesten Leitlinie ‘unspezifischer Rückenschmerz’ zufolge soll der Patient so schnell wie möglich wieder an die natürliche Bewegung herangeführt werden. Eine Ruhigstellung zum Beispiel im Stufenbett mit möglichst großer Schonung wird als nicht förderlich bewertet. Gelingt eine rasche Ausführung aus dem Schmerz nicht, kann der Schmerz chronifizieren.

Oft werden beim unspezifischen Rückenschmerz anhand von Röntgenbildern diverse kausale Zusammenhänge von Seiten des Arztes als Erklärung hervorgebracht. Anhand der Röntgenbildern werden oft eine Fehlstatik der Wirbelsäule sowie Beckenschiefstände nachgewiesen werden. Als Ursache hierfür werden gerne Beinlängendifferenzen angegeben. Es darf nicht vergessen werden, dass die Wirbelsäule und der Beckenring eine mobile Funktionskette darstellen, die sich veränderten Spannungszuständen anpassen kann. Somit kann die nachgewiesene Fehlstellung nur eine zweidimensionale Momentaufnahme darstellen und eignet sich dementsprechend bei fehlenden Voraufnahmen und manuellen Untersuchungstechniken nicht als Nachweis einer echten knöchernen Fehlstatik.

Die manuelle und osteopathische Medizin beschäftigt sich darüber hinaus mit den möglichen Ursachen für den entstandenen Schmerz. Es ist zu postulieren, dass der Schmerz durch eine vorherbestehende Störung ausgelöst wurde. Das Schmerzereignis stellt somit als Symptom, trotz natürlicherweise vorhandenen Eigenregulationmechanismen, nur die fehlende Kompensationmöglichkeit in der Statik des Körpers dar. Er ist somit reversibel.

Um die Entstehung des Schmerzes im mittleren und unteren Rücken zu verstehen, muss zunächst die Funktionsweise der langen Rückenmuskulatur erklärt werden. Entgegen der allgemeinen Meinung hat die Rückenmuskulatur nicht nur eine aktivierende, aufrichtende Funktion. Vielmehr ist eine der Hauptaufgaben der langen Rückenstrecker und der verzweigten, kleinen Muskeln zwischen den seitlichen und hinteren Fortsetzen der Wirbelkörper (Muskuli multifidii) die permanente Messung von Spannungen in der Körperaufrichtung sowie Weiterleitung von Statikinformationen an das Rückenmark und dann an das Gehirn. Diese Verarbeitung von Informationen im dreidimensionalen Raum berücksichtigt ebenso Nervenimpulse aus rückenfremden Regionen, da Nerven aus dem Bauch und Beckenbereich über das Rückenmark mit den Muskelnerven verschaltet sind und sich gegenseitig beeinflussen können.

Als klassisches Beispiel kann hier der Flankenschmerz bei Nierenerkrankung angeführt werden. Es ist anatomisch bewiesen, dass Organe selber keine Schmerzen empfinden können, aber ein Schmerzerleben über die Interaktion mit den korrespondierenden Muskeln erfolgt. Ebenso sind zum Beispiel Angina Pectoris-Anfälle, also Herzdurchblutungsstörungen mit auftretendem Schmerz im Brustkorb sowie Ausstrahlung in den linken Arm über eine Verschaltung im Rückenmark zu erklären. Umgekehrt kann auch über Applikation von lindernder Wärme auf Bauch oder Rücken eine Entspannung von inneren Organen erwirkt werden.

Insofern ist die Verarbeitung von Nervenreizen und Impulsen aus dem Bauchraum sehr entscheidend bei der Beurteilung von Rückenschmerzen. Zum Tragen kommen hier akute oder chronische Reizungen oder Entzündungen der Hohlorgane wie zum Beispiel Dünn-und Dickdarm aber auch Harnblase und Gebärmutter. Auch nach operativen Eingriffen kann es aufgrund von narbigen Veränderungen im Bauchraum zu einem veränderten Zug auf Organe und/oder die bandhaften Organaufhängungen im Becken und Bauchraum zu einem nicht kompensierbaren Spannungszustand kommen, der möglicherweise in einer Anpassung der Rückenspannung mündet. Hier reicht dann manchmal die besagte falsche Bewegung und der Rückenschmerz ist da.

Besonders häufig findet sich beim klassischen Hexenschuss eine massive Verspannung des Psoas-Muskels, also des stärksten Hüftbeugers auf einer oder beiden Seiten. Der Psoas-Muskel setzt im Bauchraum an der Vorderseite der Wirbelsäule an und verläuft hinter den inneren Organen, um dann durch den Leistenkanal zum Oberschenkel zu gelangen. Er kann aufgrund von Überlastungszuständen (zum Beispiel Sport oder körperlicher Aktivität in gebückter Haltung oder Hocke, aber auch zu langes Sitzen) verspannen. Er neigt tendenziell auch bei Reizzuständen des Darmes, der ihm aufliegt, und besonders gerne auch bei Frauen aufgrund der engen Lagebeziehung zu den Eierstöcken durch den Vorgang des Eisprungs zur Verkrampfung. Hierbei kommt es zu einem Aufplatzen des Ovars (Eierstock) mit Zerreißen der Organhülle (Peritoneum viszerale) um die reife Eizelle freizugeben. Anschließend kann es in der Reparaturphase zu einer Verwachsung mit der Muskelhaut (der Faszie) kommen. Rückenschmerzen in der Regel sowie prämenstruell sind hierüber erklärbar.

Ebenso wie Spannungszustände oder Störungen der inneren Organe unmittelbar über das Rückenmark auf die Muskulatur übertragen werden, können Sie auch die Mobilität des Beckenringes beeinflussen. Die Unterbauchorgane sind über bandhafte Strukturen im Innenraum des kleinen Beckens aufgehangen und können somit unmittelbar die Funktion des Beckenringes beeinträchtigen. Ein typischer Zustand ist die Beckenverwringung, die im Röntgenbild einen Beckenschiefstand imitieren kann. Grund hierfür und häufig nicht hinterfragt, ist die rein zweidimensionale Darstellung im Röntgenbild ohne eine Klärung der Funktionalität. Aufklärung schafft nur die manualmedizinische Untersuchung im dreidimensionalen Raum. Iliosakralgelenksblockierungen werden durch diese Beckenfunktionsstörungen begünstigt. Somit findet sich dann bei der ausführlichen Inspektion des Beckenringes und des Bauches sehr oft die entsprechende Ursache oder begünstigende Faktoren für den unspezifischen Rückenschmerzen.

Die manualmedizinische und osteopathisch Medizin wird in Diagnose und Behandlung des Rückenschmerzes den Bauchraum mit einbeziehen. Über manualmedizinische Techniken kann der Beckenring von Spannungen befreit und Blockierung gelöst werden. Blockierung der Wirbelsäule können mobilisiert werden. Triggerpunkte und Spannungszustände der Muskulatur können gelöscht werden. Ergänzend hierzu werden durch die palpatorischen Fähigkeiten des Osteopathen die Spannungszustände im Bauch aufgesucht. Mobilitätsstörung der Bauchorgane können, je nach Ausmaß einer Vorschädigung, beseitigt werden. Es ist sehr erstaunlich, wie gut Rückenschmerzen durch eine Behandlung des Bauches und Unterbauches sowie des Beckenringes zu beeinflussen ist. Oft kann hierdurch vollständig auf eine Medikation sowohl in Tablettenform als auch durch Injektionen in den Rücken verzichtet werden.
Sinn und Zweck der manualmedizinischen und osteopathischen Behandlung ist die Wiederherstellung des normalen Spannungszustandes im Körper. Durch die Techniken wird auf die Störungen eingegangen. Der Körper kann sich durch die Eigenregulationsfähigkeit im Sinne eines biokybernetischen Systems neujustieren.

Trotz aller Anwendungen durch den Therapeuten sind entsprechend der auslösenden Faktoren eine Umstellung der Lebensgewohnheiten mit Optimierung der Ernährung, eventuell Entgiftung, Verzicht auf Genussgifte und mehr Körperaktivität möglicherweise angezeigt. Idealerweise kann der Patient zu Sport und speziellen Rückenübungen motiviert werden. Hier kommt es nicht so sehr auf eine gravierendere Zunahme der Muskelmasse an. Vielmehr hilft die vermehrte Bewegung im dreidimensionalen Raum bei der Re-Programmierung und Informationsverarbeitung auf neuromuskulärer Ebene.

Da der unspezifische Rückenschmerz einen Großteil der Krankschreibungen von Arbeitnehmern ausmacht und die daraus entstehenden Kosten im Gesundheitssystem im dreistelligen Millionenbereich liegen und auch noch eine Chronifizierung des Schmerzes bei fehlender Ursachenbehebung häufig ist, sollte auch aus volkswirtschaftlichen Gründen die manualmedizinische und osteopathische Behandlung immer in Betracht gezogen werden.

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