Artikel 06/02/2017

Herzinnenhautentzündung: Ursachen, Symptome und Behandlung

Team jameda
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Die Herzinnenhautentzündung ist trotz allen medizinischen Fortschritten noch immer eine gefährliche und potentiell tödliche Erkrankung. Lesen Sie hier, warum das so ist, welche Symptome typisch sind und wie sie behandelt werden.

Was entzündet sich genau?

Die innere und feinste Schicht der Herzwände, das Endokard, hat eine glatte Oberfläche und dient als eine Art ,Tür‘‘ zwischen den Herzvorhöfen und -kammern sowie zwischen den Herzkammern und den großen Gefäßen. Indem sich diese Türen koordiniert öffnen und schließen, ermöglichen sie den Blutfluss durch das Herz.

Bei der Herzinnenhautentzündung, auch ,Endokarditis‘‘ genannt, werden meistens eine oder mehrere Herzklappen in Mitleidenschaft gezogen.

Ursachen: Bakterien und Herzrheuma


Infektiöse Endokarditis

Die infektiöse Herzinnenhautentzündung wird von Bakterien verursacht, meistens von Staphylokokken oder Streptokokken. Auch Pilze befallen manchmal die Herzinnenhaut.

Die Erreger der infektiösen Endokarditis erreichen die Herzinnenhaut meistens während einer Herz-OP, zum Beispiel bei der Einpflanzung einer künstlichen Herzklappe oder eines Herzschrittmachers.

Seltener entsteht eine bakterielle Endokarditis bei angeborenen Herzfehlern, die das Blut zwingen, sich in ungewöhnlicher Weise zu verwirbeln. Langfristig kommt es zum ,Wasser-frisst-Fels-Effekt‘‘, wobei die feinen Endokard-Zellen von einem sich ständig wiederholenden Druckstrahl geschädigt und dann von Bakterien besiedelt werden.

Weitere häufige Auslöser sind Zahnbehandlungen, Operationen der Atemwege oder Abszesse. Drogenabhängige, die sich spritzen, erkranken ebenfalls öfter an einer infektiösen Endokarditis.

Nicht-infektiöse Endokarditis

Eine nicht-infektiöse Endokarditis ist eine rheumatische Herzerkrankung, die entsteht, wenn das Abwehrsystem das Endokard angreift.

Häufige Auslöser einer nicht-infektiösen, rheumatischen Herzinnenhautentzündung sind:

  • das rheumatische Fieber nach Streptokokkeninfektionen wie Mandel- oder Rachenentzündungen
  • der systemische Lupus erythematodes, der die sogenannte Libman-Sacks-Endokarditis verursacht
  • das Löffler-Syndrom, eine entzündliche Lungenerkrankung, die die Löffler-Endokarditis auslöst

Jedes Jahr erkranken 3 von 100.000 Menschen an einer Endokarditis. Die infektiöse Herzinnenhautentzündung kommt häufiger vor als die nicht-infektiöse Endokarditis, weil immer mehr Herzoperationen durchgeführt werden, die den perfekten Anlass für einen Bakterienbefall bieten.

Auch eine thrombotische Endokarditis tritt hin und wieder auf, die Tumorerkrankungen begleitet.

Symptome: Fieber und Herz-Kreislaufbeschwerden

Je nach Verlauf der Endokarditis gibt es 2 Krankheitsbilder:

  • Die akute Herzinnenhautentzündung tritt plötzlich und mit heftigen Symptomen auf. Sie äußert sich mit hohem Fieber, Schüttelfrost, Schweißausbrüchen, Muskel- und Gelenkschmerzen, Herzrasen und Bewusstseinsstörungen.
  • Die subakute Endokarditis entwickelt sich schleichend und bleibt deswegen manchmal unerkannt. Sie äußert sich mit leichtem Fieber, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Schwäche und Muskel- oder Gelenkschmerzen. Darüber hinaus können sich punktförmige Hautblutungen oder Einblutungen im Auge und kleine Hautknötchen an Fingern und Zehen bilden.

Anzeichen einer nicht-infektiöser Endokarditis sind die ,wandernden‘‘ Gelenkschmerzen, die von einen Gelenk zum anderen wechseln, sowie Kreislauf- und Herzbeschwerden, wie Brustschmerzen und Herzrasen.

Die Entzündung der Herzinnenhaut kann bleibende Schäden an einer der Herzklappen verursachen. Funktioniert eine Herzklappe nicht mehr richtig, wird das Herz langfristig schwer belastet, bis es zu schwach wird. Dann liegt eine Herzinsuffizienz vor. Weitere Komplikationen sind Schlaganfälle, Embolien und Blutvergiftungen.

So stellt der Arzt die Diagnose

Bei der klinischen Untersuchung entdeckt der Arzt oft ungewöhnliche Herzgeräusche und eine Vergrößerung der Milz und der Leber.

Blutuntersuchungen offenbaren eine gestörte Nierenfunktion, Anzeichen einer Infektion, Blutarmut und eventuell Antikörper gegen das Herzgewebe. Sie dienen auch dem Erregernachweis.

Am wichtigsten ist jedoch die Ultraschalluntersuchung des Herzens, mit der der Arzt erkennen kann, ob die Herzklappen krank sind. Die Schallquelle wird entweder auf den Brustkorb gesetzt oder in die Speiseröhre eingeführt. Der Blick durch die Speiseröhre ergibt viel genauere Bilder vom Inneren des Herzens.

Die EKG-Befunde sind meistens unspezifisch und Anzeichen einer Herzerkrankung sind nicht immer offensichtlich. Manchmal ist auch eine Biopsie der Herzinnenhaut nötig.

Zur Sicherstellung der Diagnose werden die Duke-Haupt- und Nebenkriterien benutzt.

Die Hauptkriterien sind:

  • positive Blutkulturen, die den Erreger nachweisen
  • spezifische Herzultraschallbefunde, wie Wucherungen auf den Herzklappen, Herzabszesse oder Herzklappeninsuffizienz, das heißt die betroffene Herzklappe kann sich nicht mehr vollständig schließen
  • Computertomographiebefunde, die Schäden rund um eine Herzklappe zeigen
  • Befunde, die zeigen, dass eine künstliche Herzklappe entzündet ist, die in den letzten 3 Monaten implantiert wurde

Die Nebenkriterien sind:

  • eine Herzerkrankung, die eine Endokarditis begünstigt, wie zum Beispiel angeborene Herzfehler oder Herzklappenfehler
  • Fieber > 38° Celsius
  • Gefäß-Kreislauf-Störungen
  • Störungen des Abwehrsystems
  • bestimmte Blutbefunde
  • kürzlich aufgetretene Embolien, die milde verlaufen sind

Die Duke-Kriterien helfen, die Diagnose zu stellen:

Sicher ist die Diagnose der Endokarditis, wenn 2 Haupt- oder 1 Haupt- und 2 Nebenkriterien oder wenn 5 Nebenkriterien erfüllt sind.

  • Möglich ist die Diagnose, wenn 1 Haupt- und 1 Nebenkriterium oder wenn 3 Nebenkriterien erfüllt sind.
  • Ausgeschlossen ist die Erkrankung, wenn weniger Kriterien erfüllt als möglich sind.

Behandlung: Antibiotika und OP

Die Therapie der Endokarditis muss so früh wie möglich beginnen, damit möglichst keine Komplikationen auftreten.

Bei einer bakteriellen Herzinnenhautentzündung ist die hochdosierte, intravenöse Antibiotikatherapie im Krankenhaus sehr wichtig. Der Patient muss eine strenge Bettruhe einhalten. Entzündungshemmende Medikamente werden zusätzlich verabreicht.

Wenn eine Herzklappe durch die Entzündung stark geschädigt wurde, muss operiert werden, um eine chronische Herzschwäche zu vermeiden. Meistens wird eine künstliche Herzklappe eingesetzt, nachdem das erkrankte Gewebe entfernt wurde.

Bei einer rheumatischen Endokarditis verabreicht der Arzt Kortisonpräparate und Medikamente, die die Fehlreaktion des Abwehrsystems dämpfen.

Prognose abhängig von Behandlungsstart

Die Prognose einer Endokarditis ist abhängig von mehreren Faktoren. Der Arzt schätzt sie ab, indem er folgende Fragen beantwortet:

  • Wie schnell wurde die richtige Diagnose nach dem Beginn der Erkrankung gestellt?
  • Was genau hat die Endokarditis ausgelöst?
  • Wie alt ist der Betroffene und wie gut funktioniert sein Abwehrsystem?
  • Leidet der Patient unter anderen (Herz-)Erkrankungen?
  • Bei einer bakteriellen Endokarditis: Ist der Erreger resistent gegen Antibiotika?

In 75 Prozent der Fälle kann die Herzinnenhautentzündung geheilt werden. Beginnt die Behandlung zu spät oder ist der Patient schwach, kann die Erkrankung tödlich ausgehen.

Prophylaxe: ein Spannungsfeld

In der Vergangenheit haben die Experten angenommen, dass die Gabe von Antibiotika vor einer OP sinnvoll ist, um eine Endokarditis vorzubeugen. Das hat zu einer intensiven, wissenschaftlichen Debatte geführt, weil die Wirksamkeit und der individuelle Nutzen dieser Prophylaxemaßnahme nicht gut genug untersucht wurde.

Darüber hinaus ist nicht bekannt, inwiefern die Gabe von Antibiotika ,ohne einen guten Grund‘‘ die Resistenzfähigkeit der Bakterien unterstützen. Deswegen wurden die Empfehlungen für die Antibiotikaprophylaxe deutlich eingeschränkt.

Die aktualisierten Leitlinien von 2015 empfehlen eine Endokarditisprophylaxe ausschließlich bei Höchstrisikopatienten, denen bestimmte medizinische Eingriffe bevorstehen. Beispielsweise bei Herz- oder Atemwegoperationen oder Zahnbehandlungen kommt es eher zu einer Herzinnenhautentzündung. Um das zu vermeiden, nehmen die Patienten 30 bis 60 Minuten vor dem Eingriff ein Antibiotikum.

Die Vorbeugung ist für folgende Risikopatienten vorgesehen:

  • Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen, wie zum Beispiel angeborene Herzklappenfehler
  • Patienten mit künstlichen Herzklappen oder anderem künstlichen Material im Herzen
  • Patienten, die in der Vergangenheit eine Endokarditis erlitten haben
  • Patienten nach einer Herztransplantation

Selbsthilfe: Mund- und Hauthygiene

Wenn Sie zu einer der Hochrisikogruppen gehören, helfen Sie sich selbst am besten, indem Sie auf eine gute Mund- und Hauthygiene achten. Folgende Empfehlungen können Sie schützen:

  • Putzen Sie regelmäßig Ihre Zähne und nutzen Sie Zahnseide und Mundspülungen.
  • Gehen Sie 2 Mal pro Jahr zur zahnärztlichen Kontrolle.
  • Desinfizieren Sie gründlich jede Hautwunde, so klein sie auch sein mag.
  • Lassen Sie jede Infektion sorgfältig vom Arzt behandeln, auch wenn sie Ihnen harmlos erscheint.
  • Vermeiden Sie Piercings und Tätowierungen.

Fazit

Bakterielle Herzinnenhautentzündungen befallen hauptsächlich Menschen mit angeborenen oder erworbenen Herzerkrankungen nach einer Herz- oder Atemwegeoperation sowie nach Zahnbehandlungen. Die rheumatische Endokarditis wiederum entsteht wegen einer Abwehrsystemstörung. Unabhängig von der Ursache muss die Herzinnenhautentzündung schnellstens behandelt werden. Dann kann die Erkrankung in 75 Prozent der Fälle geheilt werden. Ohne rechtzeitige Behandlung kann die Endokarditis tödlich verlaufen, insbesondere bei älteren, fragilen Menschen mit zusätzlichen Erkrankungen.

Links

Deutsche Herzstiftung
Selbsthilfeorganisation Herzkind
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie, Herz-Kreislauf-Forschung
Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie
Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin
Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie
[Deutsche Gesellschaft für Angiologie - Gesellschaft für Gefäßmedizin

](http://dga-online.org/)

Quellen

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