Ärzte haben einen besonderen Blick auf die Welt der Medizin. Damit Patienten hinter die Kulissen des Gesundheitswesens blicken können, stellt jameda Herrn Dr. med. Martin Ihle interessante Fragen zu seinen Erfahrungen als Orthopäde und Unfallchirurg.
jameda: Herr Dr. Ihle, was hat Sie motiviert, Orthopäde und Unfallchirurg zu werden?
Herr Dr. Ihle: Meine Leidenschaft gilt schon immer der Bewegungskunst und dem Tanz. Die kunstvolle und bewusste Bewegung und das Zusammenspiel aller Muskeln und Gelenke möchte ich meinen Patienten vermitteln und ermöglichen. Meine Bewegungsfreude möchte ich auf sie übertragen, um sie zu motivieren, selbstwirksam ihre Beschwerden zu reduzieren und sich eine Kompetenz für ein beweglicheres Leben zu erwerben.
Auf der anderen Seite war es die Chirurgie, die mich gereizt hat, meine manuelle Geschicklichkeit zu erkunden. Heute kann ich diese Fähigkeiten in der konservativen Orthopädie im Rahmen der Manuellen Therapie umsetzen.
jameda: Was macht Ihnen im Praxisalltag am meisten Freude? Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Herr Dr. Ihle: Ich liebe es selbstorganisiert zu arbeiten. In meiner Privatpraxis entscheide ich alleine über die zeitliche und inhaltliche Organisation und kann damit meine ärztliche Tätigkeit am besten individualisieren. In meiner Tätigkeit als Orthopäde schaue ich auch gern über den Tellerrand. Der Beruf des Arztes hat sich weiterentwickelt, genauso wie die Beschwerden der modernen Gesellschaft. Deshalb ist es für mich selbstverständlich, als Arzt an vielen Fortbildungen teilzunehmen. Zurzeit ist es meine größte Herausforderung, mich zum Thema Ernährung zu positionieren.
jameda: Welchen Vorurteilen begegnen Sie häufig in Ihrer Praxis?
Herr Dr. Ihle: Es gibt in der Tat Menschen, die uns Orthopäden unterstellen, wir würden doch lieber operieren, weil sich damit mehr Geld verdienen ließe. Es gab schon auch den einen oder anderen Patienten, der glaubte, mit einer Spritze und zwei Tabletten sei alles erledigt. Nach dem Motto, der Orthopäde „zaubert“ alles weg. Ich wünsche mir von meinen Patienten, dass sie beim Heilprozess mitarbeiten, um ihren Bewegungsapparat – sofern dies geht – zu erhalten. Ich bin ein Arzt, der – wie schon erwähnt – über den Tellerrand hinausblickt und deshalb nicht leichtfertig zu einer Operation rät.
jameda: Manche Krankheiten und Therapien sind unangenehm und verlangen viel Durchhaltevermögen vom Patienten. Was raten Sie Patienten in solchen Situationen?
Herr Dr. Ihle: Gerade wenn das Durchhaltevermögen der Patienten gefordert ist, biete ich eine gute Erreichbarkeit für Rückfragen und kurzfristige Unterstützung an. Des Weiteren kann ich durch Kommunikationstechniken der Hypnotherapie eine gute Unterstützung bieten, wenn es darum geht, Motivation zu finden oder Schmerzen zu bewältigen.
jameda: Wie reagieren Sie, wenn Sie merken, dass ein Patient Ihren Therapieplan nicht befolgt?
Herr Dr. Ihle: Es geht ja immer darum, eine individuelle Lösung für meine Patienten zu finden. Deshalb frage ich nach und gestalte den Therapieplan in Zusammenarbeit mit den Patienten. Denn nur was von jemandem selbst akzeptiert wird und seinen Vorlieben und Bedürfnissen entspricht, kann später im Therapieplan auch umgesetzt werden.
jameda: Wenn Sie das Gesundheitssystem ändern könnten, was würden Sie als Erstes tun?
Herr Dr. Ihle: Ich denke, es ist elementar, eine verpflichtende frühe Intervention zu gesundheitsbewusstem Verhalten ab der Kita für alle Kinder unter Einbeziehung der Eltern durchzuführen. Jedem muss der Wert der Gesundheit klar sein und wie man sie erhält. Die Selbstverantwortung muss gestärkt und auch belohnt werden, sei es durch finanzielle Erleichterung oder ein Bonussystem mit Gutscheinen aller Art. Wenn ein Kind bereits mit 8 bis 10 Jahren übergewichtig ist, so sind irreversible gesundheitliche Probleme schon vorprogrammiert.
Auch wünsche ich mir eine Marktregulierung für zuckerhaltige und fettreiche Fertigprodukte. Somit kann gesunde Ernährung erschwinglicher werden. Nachweislich haben nämlich Milieufaktoren, wie Preis und Angebot der Speisen, einen entscheidenden Einfluss auf den Einkaufskorb. Mein Tipp deshalb: Essen sie nichts, wofür Werbung gemacht wird.
jameda: Kein Mensch ist perfekt. In welchen Bereichen haben Ärzte Ihrer Meinung nach Verbesserungspotential?
Herr Dr. Ihle: Menschen in medizinischen Berufen haben das Problem, zu nachgiebig zu sein, wenn es um ihre eigenen Bedürfnisse geht. Ich denke, Ärzte sollten gemeinsam dafür kämpfen, dass die Organisation ihrer Arbeit nach ärztlichen Belangen und nicht nach Budgetvorgaben geregelt wird. Denn die äußeren Vorgaben der Kostenträger verändern die ärztliche Arbeit in ihrem Wesen. Hier müssen Ärzte mehr Selbstbewusstsein und Kooperation miteinander zeigen.
jameda: Die Welt der Medizin verändert sich ständig. Gibt es neue Therapien oder Geräte, die Sie in Ihrer Praxis anwenden?
Herr Dr. Ihle: Ich bin in gewisser Weise altmodisch, denn ich arbeite vor allem mit den Händen und dem Gespräch. Auch wenn sich die Medizin ständig verändert, so bleibt doch der Mensch immer der alte. Fast jeder liebt es, gehört und berührt zu werden. Ergänzend setze ich Verfahren ein, die den Körper ganzheitlich betrachten und biete deshalb das Gyrotonic Training, die sogenannte Yoga-Maschine, in meiner Praxis an. Dazu gehört auch die Regulationsmedizin mit Diagnostik- und Stimulationsverfahren, die sich auf das vegetative Nervensystem beziehen, um schlussendlich eine Aktivierung der Selbstheilung zu ermöglichen.
jameda: Welchen Gesundheitstipp möchten Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben?
Herr Dr. Ihle: Beginne sofort, dich mit Bewegung und Ernährung zu beschäftigen. Denn der Körper ist geschaffen, um sich zu bewegen. Bewegung braucht er, um sich zu regenerieren und zu funktionieren. Auch lebt er von wertvollen Nährstoffen, die man ihm im richtigen Maß zuführen muss. So wie ein Motor kaputt geht, wenn man ihn nicht nutzt oder einen minderwertigen Treibstoff tankt. Und wem die Motivation dazu noch fehlt, der solle sich Hilfe holen bei Menschen, die geschult sind, eingeschliffene Routinen aufzulösen und durch neue hilfreiche Überzeugungen zu ersetzen.
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