Team jameda
Heute hatte ich ein interessantes Gespräch mit einer jungen, durchaus intelligenten Frau, die mich entnervt aufsuchte. Sie hatte reichlich Geld bei einer Heilpraktikerin gelassen, die bei der Schwangeren teure Akupressursitzungen durchgeführt hatte, die höchstens einen Tag lang Linderung ihrer Verspannungen erbrachten.
Ich fragte sie, warum sie sich mit ihren Problemen nicht (wie sonst) an mich gewandt hat. Ihre Antwort sollte uns ins Grübeln bringen: ‘Ich wollte nicht, dass Sie mir gleich Tabletten aufschreiben’, sagte sie. Auf meine freundliche Frage hin wie sie auf die Idee käme, dass ich Verspannungen bei Schwangeren mit Chemie behandeln würde, stutzte sie: ‘Nein, das wäre ja gar nicht Ihre Art!’, meinte sie dann nachdenklich. Sie war zur Heilpraktikerin gegangen, weil ihr das von einer Kollegin empfohlen wurde.
Wieder einmal waren es Vorurteile, die hier maßgeblich waren. Kurz gefasst: ‘Ärzte ballern immer gleich mit Pillen los und haben kein Ahnung von sanfter Medizin’. So einen Unsinn habe ich schon Dutzende von Malen gehört, obgleich wir Naturheilkunder, Homöopathen und Akupunkteure en masse in unserer Zunft haben. Warum gelingt es uns nicht, diese Bereiche mit ärztlicher Kompetenz auch in der Öffentlichkeit zu besetzen? Warum überlassen wir Heilpraktikern diese Bereiche, die eine weit weniger umfangreiche Ausbildung haben als wir und ihre Patienten obendrein finanziell echt bluten lassen?
Für eine Akupressursitzung hat die Patientin mehr bezahlt, als eine Akupunktursitzung bei mir gekostet hätte. Interessant auch, dass Heilpraktikern klaglos weit höhere Summen bezahlt werden, als wir für unsere IGeL- Leistungen (z. B. Reiseimpfungen) oft gegen Widerstände einfordern müssen.
Die Patientin verließ die Praxis mit einem Rezept für Massage und Krankengymnastik. Akupunktur haben wir erst einmal zurück gestellt, um ihr angeschlagenes Budget zu schonen. Ich blieb mit einer Menge unbeantworteter Fragen zurück. Eine hatte ich der Patientin noch gestellt: ‘Wenn Sie in den Urlaub fliegen: Möchten Sie dann, dass ein Pilot am Steuerknüppel sitzt, oder ein ‚Flugpraktiker‘?’. Ihr Lächeln war reizend, ihre Antwort kann sich jeder denken.
Aber zu den offenen Fragen: Wäre es nicht schön, wenn alle Heilpraktiker ein profundes, wissenschaftliches Grundlagenwissen hätten, also Medizin studiert? Dann wären unsere alternativmedizinisch Interessierten in noch besseren Händen. Oder andersherum: Wie wäre es, wenn man (nicht nur die) naturheilkundlich tätige Ärzte genauso gut bezahlen würde wie derzeit die Heilpraktiker? Dann könnten auch sie jene Zeit und Zuwendung aufwenden, die ihre Patient(inne)n so dringend brauchen.
Ich bin mir darüber im Klaren, dass es unfähige, kurz angebundene und leichtsinnige Ärzte gibt und gut ausgebildete, engagierte und kompetente Heilpraktiker. Aber wollen wir nicht alle das Beste für unsere Schutzbefohlenen? Wer sich als Arzt niederlässt, darf das erst nach mindestens 10 Jahren der Aus- und Weiterbildung. Ein Heilpraktiker braucht eine Prüfung, kann sich aber mit Büchern darauf vorbereiten und muss nicht einmal den Besuch einer speziellen Heilpraktikerschule nachweisen. Wie passt das zusammen?
Viele Fragen, wenig Antworten. Vielleicht haben Sie welche?
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