Artikel 26/04/2015

Das jameda-Interview: 10 Fragen an Herrn Dr. Heinz-Jörg Schlünzen

Dr. med. Heinz-Jörg Schlünzen Allgemeinmediziner (Hausarzt), Arbeitsmediziner, Ernährungsmediziner
Dr. med. Heinz-Jörg Schlünzen
Allgemeinmediziner (Hausarzt), Arbeitsmediziner, Ernährungsmediziner
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Ärzte haben einen besonderen Blick auf die Welt der Medizin. Damit Patienten hinter die Kulissen des Gesundheitswesens blicken können, stellte jameda Dr. Schlünzen interessante Fragen über kritische Patienten, Neuerungen in der Allgemeinmedizin und Vorurteilen in der Medizin.

jameda: Herr Dr. Schlünzen, was hat sie motiviert, Arzt zu werden?
Herr Dr. Schlünzen: Seit Kindheitstagen wollte ich immer Arzt werden. Besonders beeindruckt hatte mich der Hausarzt der Familie. So hatte sich bei mir schon sehr früh ein bis heute anhaltendes Interesse für die Arbeit mit Menschen und für das Verstehen des Menschen entwickelt - nicht nur im naturwissenschaftlichen Sinne, sondern auch bezüglich der psychosozialen und seelischen Aspekte von Krankheit und Gesundheit.

jameda: Was macht Ihnen im Praxisalltag am meisten Freude? Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Herr Dr. Schlünzen: Wenn mir ein Patient sein Vertrauen schenkt und ich bei einem komplexen Problem wirklich helfen kann, ist das großartig. Das setzt allerdings ein Behandlungs-Setting voraus, bei dem sich Arzt und Patient schon ´mal eine Stunde Zeit nehmen. Eigentlich selbstverständlich, wenn es um die Ausübung der Heilkunde geht. Nur im heutigen Medizinbetrieb kommt dies leider kaum noch vor. Und genau das sind die Herausforderungen: Zeitmanagement und Praxisorganisation müssen daraufhin ab-gestimmt werden. In meiner Praxis biete ich daher jedem Patienten die Individualsprechstunde mit 30- bis 60-Minuten-Terminen an - wohlgemerkt mit steigender Nachfrage.

jameda: Welchen Vorurteilen begegnen Sie häufig in Ihrer Praxis?
Herr Dr. Schlünzen: Es gibt Patienten, die grundsätzlich Ihre eigene Verantwortung komplett an der Garderobe abgeben und möglichst sofort die kostenlose Wunderpille haben wollen. Und manche Patienten glauben tatsächlich immer noch: Gute Medizin hört da auf, wo die Kassen aufhören zu bezahlen. Groß ist auch das Erstaunen, wenn offenkundig wird, dass sogar die etablierte Schulmedizin mit ihren hochspezialisierten Zentren und Organspezialisten - trotz aller sensationellen Erfolge der heutigen Zeit - ihre Blinden Flecken und Schwarzen Löcher hat.

jameda: Manche Krankheiten und Therapien sind unangenehm und verlangen viel Durchhaltevermögen vom Patienten. Was raten Sie Patienten in solchen Situationen?
Herr Dr. Schlünzen: Nicht gleich aufgeben, die Therapie abbrechen oder den Arzt wechseln. Manche Probleme sind vielschichtig - gerade bei chronischen Erkrankungen oder bei Symptomen mit bisher ungeklärter Ursache. Jeder Mensch ist ein Individuum. Es passt also nicht für jeden von uns die gewöhnliche Standardtherapie - hergeleitet vom statistischen Mittelmaß groß angelegter medizinischer Studien. Wir brauchen Geduld und die Bereitschaft, in Gesprächen gemeinsam weiterzukommen.

jameda: Wie reagieren Sie, wenn Sie merken, dass ein Patient Ihren Therapieplan nicht befolgt?
Herr Dr. Schlünzen: Erst einmal versuche ich heraus zu bekommen, weshalb das so ist. Das kann ja viele unterschiedliche Gründe haben. Grundsätzlich sollen Arzt und Patient gemeinsam und auf einer Augenhöhe einen gangbaren Therapieweg finden und auch gemeinsam beschließen, was natürlich gewachsenes Vertrauen, viel Zeit und Geduld auf beiden Seiten erfordert.

jameda: Wenn Sie das Gesundheitssystem ändern könnten, was würden Sie als Erstes tun?
Herr Dr. Schlünzen: Im Sinne einer vernünftigen Versorgung der gesamten Bevölkerung sollte die doppelte Fehlversorgung korrigiert werden: Überversorgung hier, Unterversorgung dort. Wir brauchen mehr Eigenverantwortung und Eigenbeteiligung - natürlich mit einer steuerfinanzierten sozialen Grundabsicherung. Wenn man als freier Bürger heute zwangsweise in die Gesetzliche Pflichtversicherung gesteckt wird, bloß weil das Gehalt unter einer völlig willkürlich festgesetzten Beitragsbemessungsgrenze liegt, finde ich das ungerecht und entmündigend. Das fußt noch auf der Reichsversicherungsordnung von 1911. Deshalb: Versicherungspflicht - ja. Pflichtversicherung - nein.

jameda: Kein Mensch ist perfekt. In welchen Bereichen haben Ärzte Ihrer Meinung nach Verbesserungspotential?
Herr Dr. Schlünzen: Ärzte sollten sich selbstbewusst auf die wesentlichen Grundzüge der Heilkunde zurück besinnen und sich in erster Linie mehr Zeit für Ihre Patienten nehmen. Sechzig statt sechs Minuten in der Sprechstunde für den Patienten sind angemessen. In dem heutigen Gesundheitssystem sind Technik teuer und zuwendendes ärztliches Gespräch billig geworden - Fehlversorgung und Fehlanreize allerorten. Zu viele Akteure wollen mitreden und mitgestalten: Politik, Krankenkassen, behördliche Selbstverwaltungsstrukturen, Pharmaindustrie und medizinisch-industrieller Komplex. Ärzte sollten diese Missstände erkennen und – zum Wohle Ihrer Patienten – wieder unabhängig und frei die ärztliche Heilkunde ausüben.

jameda: Die Welt der Medizin verändert sich ständig. Gibt es neue Therapieverfahren oder Gerätschaften, die Sie in Ihrer Praxis anwenden?
Herr Dr. Schlünzen: Sehr hilfreich bei Diagnostik und Therapiekontrolle ist die computergestützte Messung der Herzratenvariabilität und des Vegetativen Nervensystems - kurz VNS-Analyse. Es gibt keine Diagnostik, die früher auf beginnende organische Störungen oder eine fehlerhafte Körperregulation hinweist. Auch die Labordiagnostik hat enorme Fortschritte gemacht. Durch Einblicke in biochemische Regelkreise, wie es sonst nur der wissenschaftlichen Forschung vorbehalten war, können nun auch Beschwerden mit bisher ungeklärter Ursache erfolgreich behandelt werden. Hervorheben möchte ich auch die oftmals verblüffenden Erfolge der bioidentischen Hormontherapie.

jameda: Gibt es einen Patienten oder ein Erlebnis in Ihrer Praxis, das Sie nie vergessen werden?
Herr Dr. Schlünzen: Nach einer ganzen Reihe von Jahren als Arzt ist es insbesondere in meinen Fachgebieten und bei meiner Arbeitsweise die Gesamtheit der gesammelten Erfahrungen und Erlebnisse, die so beeindruckt. Ich bekomme als Arzt zum Teil tiefste Einblicke in Privates, Intimes, in Beziehungen, in menschliche Körper und Seelen, wenn Patienten sich vertrauensvoll und ratsuchend an mich wenden. Eine große Verantwortung - aber auch eine große Ehre. Das größte Geschenk und eine stets unvergessliche Erfahrung für den Arzt ist die Dankbarkeit seines zufriedenen Patienten. „Das größte aber in der Medizin ist die Liebe.“ (Paracelsus).

jameda: Welchen Gesundheitstipp möchten Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben?
Herr Dr. Schlünzen: „Rauche nicht und trinke mäßig, beweg Dich und sei nicht gefräßig!“ (Eugen Roth). Im Ernst: Die wichtigsten Bemühungen hinsichtlich Prävention - also Gesundheitserhaltung und Krankheitsvorbeugung - basieren immer auf den Themen Ernährung, Bewegung und Entspannung. Hier hilft natürlich Wissensvermittlung; ganz wichtig ist aber auch die Motivation - es sollte im Alltag nach Möglichkeit Freude bereiten. Häufig müssen begleitend psychologische Hemmnisse erkannt und bewältigt werden. Als Grundlage aller Bemühungen in diese Richtung empfehle ich eine ganzheitsmedizinische Check-up-Untersuchung, bei der die Mikronährstoffversorgung, die Hormone, die Mikroökologie des Darmes und das Vegetative Nervensystem überprüft werden.

Zur Person

Dr.Schlünzen ist zum Zeitpunkt des Interviews seit 12 Jahren in eigener Praxis niedergelassen, seit 17 Jahren Arzt und seit 25 Jahren im Gesundheitswesen tätig. Durch Tätigkeiten in Klinik, Praxis, als Betriebsarzt und Ganzheitsmediziner verfügt er über tiefgehende Kenntnisse des Gesundheitswesens und der modernen Medizin.

Zur Praxis

Die Schlosspraxis von Dr.Schlünzen ist anerkannte Akademische Lehrpraxis der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und befindet sich im denkmalgeschützten Herrenhaus Hagen - verkehrsgünstig gelegen nahe der Landeshauptstadt Kiel mit unbegrenzten Parkmöglichkeiten für Besucher.

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