Der Name Lichen sclerosus (LS) bezeichnet eine chronisch entzündliche, nicht infektiöse, gutartige Hauterkrankung, die bevorzugt im äußeren Genitalbereich vorkommt. Dabei sind überwiegend Frauen betroffen.
LS ist die häufigste entzündliche, nicht infektiöse, nicht allergische Hauterkrankung der Vulva. Die Erkrankung wird typischerweise jahrelang fehlgedeutet und verursacht unbehandelt progressive Vernarbungen, Hautschrumpfungen und Verklebungen. Sie geht mit einem erhöhten Risiko für Krebs einher. LS ist nicht ansteckend, hat nichts mit mangelnder Hygiene zu tun und ist keine Geschlechtskrankheit.
Die eigentliche Ursache ist nicht bekannt. Indizien deuten darauf hin, dass nicht präzise beschriebene Antigene zu einer überschießenden Immunantwort führen. Damit besteht der Verdacht auf eine Autoimmunerkrankung. Es wurden sowohl endogene Antigene wie Smegma und Urinbestandteile als Auslöser verdächtigt, als auch exogene Antigene wie Borrelieninfekte und Streptokokken A.
Ein Nachweis für diese direkten, infektiösen Zusammenhänge konnte aber bisher nicht geführt werden. Spezifische Autoantikörper werden bei LS-Patientinnen nicht nachgewiesen. Etwa 10 % der Patienten mit LS haben Blutsverwandte mit der gleichen Erkrankung, was auf eine genetische Prädisposition hinweist.
Die wahre Prävalenz ist nicht bekannt, weil manche Patienten bei Erkrankungen des Intimbereichs den Weg zum Arzt scheuen. Schätzungen zufolge liegen die Zahlen aber zwischen 0,1 % bei präpubertären Mädchen und 3 % bei über 80-jährigen Frauen. Vergleiche der Prävalenzen zwischen der internationalen Literatur und den Daten der deutschen Krankenversicherer lassen vermuten, dass die Erkrankung aktuell in Deutschland deutlich zu selten diagnostiziert wird.
Betroffen sind überwiegend weibliche Personen (Verhältnis Frauen zu Männern je nach Kollektivzusammensetzung 10:1 bis 3:1) und diese wiederum überwiegend im postmenopausalen Lebensabschnitt. Grundsätzlich kann LS aber in jedem Lebensalter auftreten, also auch bei Kindern.
Bei Patienten mit LS treten auch andere Erkrankungen gehäuft auf, insbesondere Autoimmunerkrankungen.
Dazu gehören bei Frauen:
Bei Jungen atopische Dermatitis sowie bei Männern im Erwachsenenalter Diabetes mellitus.
Diese Ergebnisse wurden allerdings in einer Fall-Kontrollstudie nicht bestätigt. Dagegen wurde ein Zusammenhang mit erhöhtem Body-Mass-Index (BMI) und – bei Männern – mit Rauchen gefunden.
Weit überwiegend ist bei beiden Geschlechtern die Anogenitalregion betroffen. Typischerweise sind die Vaginalhaut und die Mundschleimhaut frei – ein Differenzialmerkmal zum Lichen planus. Bei 6-11 % werden extragenitale Manifestationen berichtet – etwa an den Bereichen der Achselhöhlen und Beugeseiten der Handgelenke, am Rumpf oder am Nacken.
LS gehört (höchstwahrscheinlich) zu den Autoimmunkrankheiten. Die Erkrankung verläuft typischerweise über viele Jahre (bei der Mehrheit der Betroffenen) in Schüben, wobei auch längere Phasen ohne Symptome auftreten können.
Zu den häufigsten Symptomen gehören:
Die Vernarbungen und Schrumpfungen können zudem Schmerzen beim Geschlechtsverkehr sowie beim Urinieren und Stuhlgang führen. Bei beiden Geschlechtern beeinträchtigt die Krankheit oft das Sexualleben und kann zu psychischen Belastungen und Herausforderungen führen.
Die Symptome und Beschwerden werden nicht selten mit Pilz, Herpes, Hauttrockenheit, Blaseninfekten oder Entzündungen verwechselt. Eine frühe Diagnose ist wichtig, um Spätfolgen wie eine Krebserkrankung und Operationen zu vermeiden. Lichen sclerosus ist nicht heilbar, aber in den meisten Fällen gut behandelbar.
Mit diesem Krankheitsbild vertraute Ärztinnen und Ärzte können bei einem klassischen klinischen Bild die Diagnose durch Anamnese und Untersuchung sicher stellen. Eine histologische Sicherung ist aber immer dann erforderlich, wenn das klinische Bild unklar ist und wenn Hinweise auf eine mögliche abnorme Neubildung von Zellen (Neoplasie) vorliegen.
Hautgewebeproben können in lokaler Anästhesie mit runden Hautstanzen ausgeführt werden. Das sollte ein erfahrener Arzt, der eine Dysplasie-Sprechstunde anbietet, durchführen. Die Wunden können offen heilen oder die Wundränder werden mit einem Faden adaptiert.
Bei Kindern sollte die Heilanzeige zu einer Gewebeprobe sehr zurückhaltend gestellt werden, weil dieser Vorgang mit nachfolgenden Beschwerden Kinder stark traumatisieren kann. In diesen Fällen sollten zunächst Fachärzte mit größer spezifischer Erfahrung hinzugezogen werden.
Die Medikamenten-Therapie der Wahl sind hochpotente, lokal in Salbenform aufgebrachte Kortikoide.
Damit wird der Krankheitsverlauf bei vielen Betroffenen verlangsamt, die Abstände zwischen den Schüben verzögern sich oder es treten gar keine Schübe mehr auf. Eine komplette Heilung gibt es allerdings nicht, da es sich um eine chronische Krankheit handelt.
Nach der Diagnose erfolgt in den klassischen Fällen also eine Salbentherapie mit spezifischen, hochpotenten Kortison- und Fettsalben.
Ein Erfolg der Kortisontherapie wird bei 75-95 % der Patienten erreicht. Die Hautveränderungen können in früheren Stadien ganz oder teilweise verschwinden, der Juckreiz ist in hohem Prozentsatz rückläufig. Depigmentierungen und verstrichene Hautfalten hingegen sind in der Regel nicht rückläufig.
Was tun, wenn Clobetasolpropionat nicht oder zu wenig wirkt?
Dabei kann in einzelnen Fällen auch der CO2-Laser mit Gewinn eingesetzt werden.
Zur optimalen Pflege der vom LS betroffenen Region wird empfohlen, lokale Irritationen dort, wo möglich, zu vermeiden:
Generell ist zu empfehlen, in den beschwerdefreien und behandlungsfreien Intervallen neutrale Fettsalben einzusetzen.
Das chronische, lang andauernde und unbehandelte LS gilt als Risikofaktor für die Entwicklung von Humane-Papillomviren(HPV)-negativen Plattenepithelkarzinomen. Das individuelle, lebenslange Risiko liegt heute bei 1-2 %. Eine wichtige Erfahrung ist, dass eine konsequente und andauernde Therapie des LS dieses Risiko zu senken scheint.
Zusammenfassend lässt sich also formulieren, dass LS keine Präneoplasie, aber ein Risikofaktor für die Entwicklung eines Karzinoms (bösartigen Tumors) an der Vulva ist (Angaben zwischen 1 und 5 %, etwa dreifaches relatives Risiko). Andererseits ist der LS eine häufige Begleiterkrankung bei Hautkrebs (Plattenepithelkarzinomen) (Angaben zwischen 4 und 83 %).
Der LS ist eine in Phasen ablaufende, chronische Erkrankung, die einer Langzeittherapie und einer Dauerüberwachung wegen des erhöhten Karzinomrisikos bedarf. So sollten die betroffenen Patientinnen während der Therapie nach individuellem Bedarf informiert und engmaschig untersucht, aber auch in therapiefreien Phasen zu Kontrolluntersuchungen gebeten werden.
Bei dieser zumeist lebenslang bestehenden Erkrankung ist eine vertrauensvolle Beziehung zwischen dem Arzt und dem Patienten besonders wichtig. Die Patienten sollten etwa unbedingt darüber aufgeklärt werden, dass die Erkrankung mit LS nicht ansteckend ist. Von besonderer Bedeutung sind auch die möglichen Behinderungen beim Sexualverkehr, die gegebenenfalls angesprochen werden müssen und bei denen Hilfen angeboten werden sollten.
Insbesondere für jüngere Patientinnen ist die Information wichtig, dass weder die Anzahl, noch die Art vaginaler Entbindungen und operativer Dammreparaturen einen Zusammenhang mit dem Verlauf der Erkrankung aufweist. Trotzdem kann das Risiko, dass ein LS auftritt, bei Frauen mit Entbindung größer sein als bei Frauen ohne Entbindung.
Ein wichtiger Punkt ist auch die Angst vor einer Krebserkrankung. Eine klare Aufklärung über das durch den LS moderat gesteigerte Risiko muss erfolgen. Dazu gehören Hinweise zum Verhalten bei länger als zwei Wochen nicht heilenden Wunden und bei einer Tumorbildung in den betroffenen Körperpartien. In diesen Fällen muss eine Vorstellung beim Gynäkologen erfolgen, der zumeist eine bioptische Sicherung empfehlen wird.
Der LS ist eine relativ häufige, chronische und unbehandelt sehr komplikationsträchtige Hauterkrankung im Genitalbereich, die mit einer Risikosteigerung für die Entwicklung von Plattenepithelkarzinomen einhergeht.
Da die Erkrankung unterdiagnostiziert zu sein scheint, ist der rechtzeitige Gedanke des Gynäkologen an diese Erkrankung bei therapieresistentem genitalen Juckreiz für die Betroffenen von zentraler Bedeutung: Die frühzeitige lokale Therapie lindert und stoppt nicht nur rasch die erheblichen Beschwerden, sondern hilft auch langfristig bei der Vermeidung von Verengungen (Stenosen) im Anogenitalbereich mit entsprechenden Funktionsbeeinträchtigungen und senkt das Risiko für eine maligne Entartung.
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