Endovenös thermische und nicht-thermische Verfahren in der Behandlung des Krampfaderleidens (Stammvarikosis) haben sich zu einem Standardverfahren entwickelt. Als thermische (Hitze-) Verfahren werden die endovenöse Lasertherapie sowie die Radiofrequenztherapie genannt. Als nicht-thermisches Verfahren steht der Venenkleber zur Verfügung. Die Behandlung von Krampfadern mittels der chirurgischen Vorgehensweise (BABCOCK-Operation) ist im europäischen Ausland in den Leitlinien nur noch am Rande oder gar nicht erwähnt, d. h., sie gehört nicht mehr zu den Wahlverfahren. Eine vernünftige Erklärung dafür, dass in Deutschland dieser invasiv-chirurgische Eingriff immer noch als Standardverfahren vermittelt wird, gibt es nicht.
Jeder Patient, der die Diagnose Krampfadern, chronische venöse Insuffizienz, Stammvenenvarikosis, Varizen (alles Synonyme für ein und dieselbe Diagnose) erhält, muss laut Patientenrechtegesetz über alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, also auch konservative Maßnahmen, informiert werden. Zu dieser Aufklärung gehört auch das Pro und Kontra eines Verfahrens, ob eine Narkose, ob Kompressionsstrümpfe erforderlich sind und ob ein Eingriff medizinisch überhaupt indiziert ist.
Die medizinische Indikation, also ob ein Eingriff durchgeführt werden sollte, differenziert sich in eine relative und absolute Indikation. Wenn ein Patient eine tiefe Beinvenenthrombose hat, muss er behandelt werden, um Schlimmeres, beispielsweise eine Lungenembolie, zu verhindern. Hier spricht man von einer absoluten Indikation. Die Behandlung von Krampfadern ist stets eine relative Indikation. Dass heißt, im Endeffekt entscheidet der Patient völlig allein, ob er eine Behandlung wünscht. Liegen keine Beschwerden vor und er möchte nur wissen, ob etwas getan werden muss, lautet die einfache Antwort: NEIN.
Alle Behandlungen, die invasiv sind, also auch bereits das Veröden von kosmetisch störenden Besenreisern, sind ein Eingriff in den Körper des Patienten und bedürfen der Aufklärung, sodass der Patient abwägen kann, ob er das Risiko möglicher Komplikationen eingehen möchte.
Das jeder zweite Europäer ein Problem mit seinen Venen hat, ist kein Argument dafür, dass invasiv behandelt werden muss.
Ein großer Vorteil der endovenösen Verfahren in der Behandlung der Varikosis liegt in ihrer Minimalinvasivität, sodass die Patienten direkt oder nach 1-2 Tagen ihre Alltagsaktivitäten wieder aufnehmen können.
Die am häufigsten angewendeten Verfahren sind die thermischen, nämlich die Radiofrequenzablation (RFA) und die Laserablation (EVLA). Dies liegt darin begründet, dass diese Verfahren erstmalig 1999 in die Therapie der Varikosis eingeführt wurden. In den ersten Jahren der Anwendung musste erst die effektivste Temperatur herausgearbeitet werden. Bei der RFA und der EVLA liegt die thermische Ablationstemperatur zwischen 120 und 140 °C. Diese Temperaturen führen immer wieder zur Schädigung der die Stammvenen in direkter Nähe begleitenden Nerven (durchschnittliche Häufigkeit 2,4 Prozent), der Lymphwege, bei sehr oberflächlicher Lage der Vene auch der Haut.
Beim Venenkleber, dem nicht-thermischen, minimalinvasiven, endovenösen Behandlungsverfahren der Varikosis, wird die zu behandelnde Vene durch einen speziellen, medizinischen Kleber (Cyanoacrylat) verschlossen (Erstzulassung in Europa 2010).
Die Vorteile liegen beim Venenkleber in seiner schmerzfreien Anwendung, sodass eine Therapie ohne Narkose höchstens mit lokaler Betäubung möglich ist. Des Weiteren ist die Gefahr eines Hitzeschadens des umliegenden Gewebes beim Venenkleber nicht gegeben, sodass er vom Prinzip her alternativlos für den Einsatz im Bereich der Wadenvene, der Vena saphena parva, prädestiniert ist.
Durch die spezielle Anatomie in der Kniekehle, die Vena saphena parva liegt nah am Nervus tibialis und auch unter Umständen nah am Nervus peronaeus, ist die Gefahr eines Hitzeschadens durch die thermischen Verfahren (RFA und EVLA) regelhaft gegeben. Auch kann der direkt neben der Vena saphena parva verlaufende Nervus suralis durch die enormen Temperaturen von 120-140°C Schaden nehmen.
Eine Schädigung des Nervus tibialis führt dazu, dass man sich nicht mehr auf die Zehen stellen kann. Der Nervus peronaeus ist zuständig für die Fußheber und die Zehenheber, sodass ein Schaden zum sogenannten Steppergang führt. Sensibilitätsstörungen können sich im Bereich des lateralen Unterschenkels und des Fußrückens einstellen. Nervus suralis Schädigungen führen zu unterschiedlich starken Schmerzen und Missempfindungen am Außenrand des Fußes und in der Außenknöchelregion.
Dieser Umstand der nicht unerheblichen Gefahr von Hitzeschäden im Bereich der Stammvene (Vena saphena parva) über der Wade ist als ein gravierender Nachteil der thermischen Verfahren zu sehen und eindeutiger Vorteil für den Venenkleber als nicht-thermisches Verfahren. Gleiches ließe sich auch im Bereich der vorderen Stammvene, der Vena saphena magna, sehen. Thermische Verletzungen betreffen hier immer wieder den Nervus saphenus, der die Haut an der medialen Seite des Unterschenkels und über dem Schienbein innerviert. Auch die begleitenden Lymphwege können einen thermischen Schaden nehmen, der dann zu Lymphschwellungen im Gebiet unterhalb der Schädigung führt.
Der Nachteil, der dem Venenkleber immer wieder angelastet wird, ist der Umstand, er verbliebe als Fremdkörper in der Vene. Dies ist insofern ungenau, da man den Kleber seit über sechzig Jahren in der Medizin verwendet (seit 1960) und ihn genau kennt. Der Kleber verbleibt anfänglich in der Vene, das ist korrekt, wird dann im Verlauf hydrolytisch abgebaut. Dies geschieht zwischen 12 bis maximal 36 Monate nach dem Einbringen.
In der Nachbehandlung werden bei den thermischen Verfahren Kompressionsverbände oder Strümpfe empfohlen. Beim Venenkleber entfällt dies vollkommen. Dies hat auch wieder etwas mit der Hitze zu tun. Hitze führt zur Gewebeschwellung.
Vor der Patientenentscheidung für ein endovenös thermisches oder nicht-thermisches Verfahren in der Behandlung von Krampfadern ist immer eine intensive ärztliche Aufklärung über alle Verfahren einzufordern, damit eine mögliche thermische Schädigung von Nerven und Lymphwegen mit den entsprechenden unangenehmen Konsequenzen im Vorfeld erkennbar wird und später nicht Gegenstand einer gutachterlichen Auseinandersetzung wird. In der Behandlung der Wadenvene (Vena saphena parva) sollte grundsätzlich auf thermische Verfahren verzichtet werden. Letzten Endes entscheidet der Patient nach einer breiten Aufklärung.
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