Dres. Joachim Siedl und Wolfgang Willareth

Dr. med. Wolfgang Willareth

Freunde von mir sagen: "Ich halte nichts von Bewertungsportalen. Ich vertraue lieber auf persönliche Empfehlungen". Ich stimme dieser Aussage zu. Zufriedene Patienten sind die besten Empfehler. Kollegen sagen: "Bewertungen sind mir egal, solange ich doppelt so viele Patienten im Angebot habe, als ich versorgen kann" Ich stimme der Aussage teilweise zu. Ich weiß aber auch, dass das nur die halbe Wahrheit ist. Es ist schön, einen guten Ruf zu haben. Für Menschen, die keine persönlichen Empfehler haben, ist die Homepage einer Praxis (oft glanzvoll finanziert; mich machen die dortigen Igel- Leistungen misstrauisch) und sind Bewertungsportale jedoch eine gewisse Informationsquelle, solange es keine anderen objektiven Qualitätsregister o.ä. gibt. Für mich auffällig ist der Unterschied zwischen Jameda (anonymisierte Bewertungen von Patienten, die tatsächlich bei uns behandelt wurden), bei denen ich erfreulich gut abschneide und Google-Portal, bei dem ich schlechter abschneide. Bei Google sind 90% der Bewertungen von Patienten mit ihrem Namen, die bei uns behandelt wurden, sehr gut (ca. 2/3 d. Bewertungen). Etwa 1/3 der Bewertungen erfolgt von Patienten mit "nickname", die gar nicht bei uns behandelt worden sind, sondern uns eine sehr negative Bewertung dafür geben, dass sie keinen früheren Termin erhalten haben. Ist es sinnvoll, eine Bewertung zu veröffentlichen von Patienten, die die medizinische Qualität und die menschliche Zuwendung vor Ort gar nicht kennen gelernt haben, sondern sich nur dafür rächen wollen, dass wir ihnen keinen schnellen Termin gegeben haben? Auch wenn ich es bedauere, dass wir sehr oft die Geduld unserer Patienten bei der Terminfrage sehr strapazieren (wir behandeln zu ca. 85% "Kassenpatienten" und bieten keine Igel- Leistungen an), so lehne ich die unkritische und anonymisierte Annahme dieser Bewertungen von Google ab. Diese negativen Bewertungen stammen aus meiner subjektiven Wahrnehmen vor allem von jungen digital-affinen Menschen ab, die auf komplizierte Sachverhalte eine einfache Antwort wünschen. Ist mein Elektrobetrieb, der mir PV-Anlage, Wallbox, Energiespeicher einbaut deshalb qualitativ schlecht, weil er mich 1 Jahr "hängen lässt", weil er die Teile nicht bekommt, kein Personal hat oder zu viele Anfragen hat? An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Menschen herzlich bedanken, die uns ihr Vertrauen schenken und verstehen, dass es auf die komplizierte Frage der Terminvergabe keine einfache Antwort gibt, die allen Patienten gerecht wird und die auch bei einer enttäuschenden Antwort von uns wissen, dass dies nichts damit zu tun hat, dass wir Ihnen nicht sehr gerne helfen möchten. Einfache Antworten auf komplizierte Fragen werden in der Politik von den falschen Menschen gegeben. Sie können sich sicher sein, dass wir uns weiter bemühen werden. Die Endoskopieambulanz des KH Brackenheim wurde mit dem KH geschlossen (3.000 Spiegelungen/Jahr). Der Sitz eines Spiegelungsarztes in Eppingen wurde von der KV eingezogen (1.500 Spiegelungen/Jahr). Ein Spiegelungsarzt aus Sinsheim-Aglasterhausen war vor Jahren nach Mosbach umgezogen (3.000 Spiegelungen/Jahr). Ein Spiegelungssitz in Eppingen war wegen plötzlichem Tod eines Kollegen ein 1/2 Jahr unbesetzt. Wir zwei Ärzte arbeiten in Summe ca. 100 h pro Woche und führen ca. 5.000 Spiegelungen im Jahr durch. Es gibt mehr ältere Menschen, mehr Spiegelungsbedarf, mehr Empfehlungen für Vorsorge. Die Bezahlung der Darmspiegelung wurde um 8% abgewertet für die "sprechende Medizin" (sprechen wir nicht?). Die Inflation für Energie, Einmalartikel, Hygiene, Verbrauchsgüter, Inspektionen, Technik beträgt je nach Anbieter 5-15% (oder mehr). Die gesetzlichen Krankenkassen haben uns eine "Gehaltssteigerung" im EBM-Satz von ca. 2,5% genehmigt. Wir dürfen nicht streiken (beamten-ähnlicher Versorgungsauftrag), die Klinikärzte schon. Die jungen Ärzte bleiben auch aus diesem Grund inzwischen lieber in der Klinik als in die Praxis zu gehen. Wir zwei Ärzte sind ca. 60 Jahre alt, 50% der Gastroenterologie-Kollegen der Region im Norden von Ba-Wü. sind > 50/55 Jahre alt. Ich könnte jetzt noch viel über "Kipp-Punkt", "Zerfall der Gesellschaft" etc. philosophieren. Das bringt aber nichts. Lassen Sie uns freundlich und hilfreich miteinander umgehen. Dafür bedanke ich mich bei Ihnen.