Team jameda
,Das Kind stirbt bald wieder, dessen Stirne beim Küssen salzig schmeckt‘‘, schrieb der Historiker Ernst Ludwig Rochholz im Jahr 1850. Salziger Schweiß ist ein Anzeichen einer Mukoviszidose, die in der Vergangenheit die häufigste erblich bedingte Todesursache bei Kindern war. Lesen Sie hier, was eine Mukoviszidose ist, wie sie entsteht, mit welchen Symptomen sie sich äußert und was Forscher dagegen tun.
Die Mukoviszidose, auch zystische Fibrose genannt, ist eine genetische Stoffwechselkrankheit. Ein gestörtes Genpaar ist dafür verantwortlich, dass es Probleme mit bestimmten Körperflüssigkeiten gibt. Zum Beispiel ist das Sekret der Lunge und der Bauchspeicheldrüse zähflüssiger als normal. Die Lunge verschleimt, kleine Bronchien verstopfen und es kommt zu Atmungsstörungen. Wenn der Ausgang der Bauchspeicheldrüse verstopft, entstehen darüber hinaus Verdauungsstörungen.
Ungefähr 8.000 Deutsche leiden an Mukoviszidose. Eines von 1.000 bis 2.000 Neugeborenen kommt mit Mukoviszidose zur Welt, d.h. in Deutschland werden pro Jahr ungefähr 300 Kinder mit Mukoviszidose geboren. Das Durchschnittsalter bei der Diagnose ist jedoch 4.8 Jahre.
Die Ursache ist ein Fehler im Erbgut, der von beiden Eltern übertragen wird. Je nach Mutation entstehen Sonderformen des Erbfehlers.
Es gibt fast 2.000 Mutationen, die Mukoviszidose verursachen. Sie lassen sich in 6 Klassen einteilen, je nachdem, wie sie sich auswirken und welche Funktionen sie einschränken. Die verschiedenen Genmutationen verursachen viele Krankheitsbilder mit unterschiedlichen Krankheitsverläufen, Schweregraden und Lebenserwartungen.
Bei Mukoviszidose liegt die ,delta-F508-Mutation‘‘ vor, die häufigste dieser Mutationen. Die fehlerhaft gebauten Chloridionenkanäle stören den Salztransport in einigen Körperzellen, so dass Drüsen einen zähen Schleim bilden. Die betroffenen Organe sind Lungen, Nasennebenhöhlen, Bauchspeicheldrüse, Darm, Gallenwege und Keimdrüsen.
Wann die Krankheit auftritt und wie schwer sie ausfällt, unterscheidet sich von Fall zu Fall. Manchmal ist das Krankheitsbild der Mukoviszidose schon bei der Geburt auffällig und in anderen Fällen dauert es Jahre, bis die Diagnose gestellt wird.
Ein Hinweis auf Mukoviszidose bei Kindern ist ein über längere Zeit aufgeblähter Bauch. Die Nasennebenhöhlen können äußerdem chronisch entzündet sein und in manchen Fällen entstehen Nasenpolypen. Auch trommelschlegelförmige Finger mit breiten, uhrglasförmig gewölbten Nägeln sind verdächtig, wie sie bei Patienten mit angeborenen Herzfehlern mit Dauersauerstoffmangel vorkommen.
Symptome der Lunge
Wenn sich kleine Bronchien in der Lunge verstopfen, bekommen die Kinder chronischen, keuchhustenähnlichen Husten, Lungenentzündungen, Lungenblutungen und sogar Atemnot. In Extremfällen führt die Lungenkrankheit ohne Behandlung zum Ersticken.
Symptome des Verdauungssystems
Die Bauchspeicheldrüse entzündet sich und wird mit der Zeit zerstört, so dass sie nicht mehr ihre normalen Aufgaben erledigt, was zur Fettunverträglichkeit und Zuckerkrankheit führt. Die Gallenblase entzündet sich auch und es bilden sich Gallensteine. Der Fettabbau ist außerdem stark beeinträchtigt und verursacht starke Durchfälle. Kinder wachsen nicht genug und wirken unterernährt, obwohl sie viel essen.
Komplikationen
Typisch für Mukoviszidose ist stark salzhaltiger Schweiß, was zu ungewöhnlich schnellem Elektrolytenverlust durch Schwitzen führt. Bei Verdacht ist der Nachweis erhöhter Natrium- und Chloridsalze möglich.
Natriumchloridwerte über 80 mmol/l deuten auf eine Mukoviszidose hin, wobei Normalwerte zwischen 5 und 55 mmol/l liegen. Ein erhöhter Wert des Enzyms Trypsin im Blut über 80 ng/ml ist auch ein Hinweis auf die Erkrankung.
Sind die Natriumchlorid- und Trypsin-Werte erhöht, folgt eine DNA-Analyse, die in den meisten Fällen die entgültige Diagnose bestätigt. Danach sind weitere Untersuchungen nötig, wie zum Beispiel Röntgenbilder der Lungen oder Ultraschalluntersuchungen des Bauches.
Elternpaare, in deren Familien Mukoviszidose vorkommt, können eine Präimplantationsdiagnostik durchführen lassen. Dabei werden die Eizellen künstlich im Reagenzglas befruchtet. Bei den so entstandenen Embryos prüft der Arzt, ob sie den Gendefekt haben oder nicht. Einen Embryo ohne Gendefekt pflanzt er dann in die Gebärmutter ein.
Allerdings kann auch während der Schwangerschaft mit einem Screening geprüft werden, ob das Kind den Gendefekt trägt.
Die Mukoviszidose ist nicht heilbar. Mit Therapieansätzen wie Krankengymnastik, Medikamente und Inhalationen jedoch können Betroffene ein ziemlich gutes Leben haben. Eine frühzeitige Behandlung verlangsamt den Verlauf der Erkrankung, aber die Lebenserwartung ist dennoch eingeschränkt und beträgt im Durchschnitt 40 Jahre.
Medikamentöse Therapie
Die Inhalation von Mukolytika löst den zähen Schleim, der anschließend leichter abgehustet wird und Beta-2-Sympathomimetika erweitern die Bronchien, so dass sich die Atemnot vermindert.
Bei fortgeschrittener Lungenerkrankung werden Kortikosteroide und Sauerstoff verabreicht.
Bei Kindern mit Gedeihverzögerung sind Wachstumshormone hilfreich.
Bei Entzündungen ist eine Antibiotikatherapie nötig.
Bei Diabetes wird eine Insulintherapie empfohlen.
Gegen die Bauchspeicheldrüseninsuffizienz hilft die Einnahme von Verdauungsenzymen.
Bei Osteoporose helfen Calcitonin oder Bisphosphonate und Hormonersatztherapie.
Darmverschlüsse, Gallensteine oder ein Analprolaps müssen operiert werden. Bei Extremfällen ist eine Lungen-, Leber- oder Bauchspeicheldrüsentransplantation möglich.
Menschen mit Mukoviszidose sind viel anfälliger für ansteckende Krankheiten, deshalb sind Impfungen um so wichtiger, besonders gegen Masern, Pneumokokken und Grippe.
Speziell entwickelte Atemtechniken ermöglichen dem Patienten, das zähflüssige Lungensekret aus den tief gelegenen Atemwegen hochzubewegen und abzuhusten - und das ohne fremde Hilfe. Die Methode wird „autogene Drainage“ genannt.
Die Auswirkungen der Erkrankung auf die Verdauung können mit einer Ernährung gelindert werden, die reich an Kohlehydraten, Eiweiß, Vitaminen und Mineralstoffen ist.
Wenn möglich, stärkt Ausdauersport wie Radfahren, Joggen, Laufen, Tanzen oder Skilanglauf das Abwehrsystem.
Aktuell werden sehr interessante Forschungsprojekte durchgeführt, die eine ursächliche Therapie ermöglichen sollen. Forscher versuchen, die für die Erkrankung verantwortlichen Mutationen zu beeinflussen.
Im Jahr 2012 wurde das Medikament Ivacaftor für Patienten über 6 Jahre mit der Mutation G551D zugelassen, die 4 bis 5 Prozent aller Mukoviszidosen verursacht. So verbessert sich die Lungenfunktion innerhalb weniger Wochen und die Patienten nehmen an Gewicht zu. Mittlerweile wurde das Medikament für 8 weitere Mutationen zugelassen.
Darüber hinaus sind neue Substanzen in Entwicklung, die weitere defekte Gene korrigieren, wie zum Beispiel das Ataluren und das Lumacaftor. Auch Kombinationstherapien werden erforscht, wie zum Beispiel Lumacaftor plus Ivacaftor.
Die Mukoviszidose ist zwar noch nicht heilbar, kostet aber nicht mehr so vielen Kindern das Leben. Die Betroffenen können sich auf eine deutlich höhere Lebenserwartung und auf eine verbesserte Lebensqualität freuen. Allerdings ist ein früher Therapiebeginn sehr wichtig für die Linderung der Symptome und die Verzögerung oder Vermeidung der Komplikationen. Neue Forschungsprojekte könnten die Zukunftsvision der ursächlichen Therapie der Mukoviszidose verwirklichen und lassen uns hoffen.
Mukoviszidose - Bundesverband Selbsthilfe bei Cystischer Fibrose
Christiane Herzog Stiftung für Mukoviszidose-Kranke
Deutsche Lungenstiftung
Bundesverband der Pneumologen
Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin
Deutsche Atemwegsliga
[Patientenliga Atemwegserkrankungen
](http://www.patientenliga-atemwegserkrankungen.de/)
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