Im Jahr 1962 wurden in den USA die ersten Brustimplantate aus Silikon aus kosmetischen und kurativen Gründen, zum Ersatz der Brust nach Krebsoperationen, eingesetzt. Von Beginn an waren diese Operationen mit dem Risiko verbunden, dass sich eine Kapselfibrose ausbildet. Je nach Schweregrad zwingt eine Kapselfibrose zu einer erneuten Operation und damit steigen die Risiken für kosmetische oder operative Misserfolge und für eine nachhaltige Unzufriedenheit der Patientin. Die Folgekosten können dann ein Mehrfaches der ersten Operation betragen.
Nicht nur Brustimplantate, sondern auch andere Implantate, wie künstliche Hüftgelenke, Schrittmacher, Blutgefäßprothesen und stabilisierende Netze, zum Beispiel für Bruch-Operationen, können von einer sich zusammenziehenden fibrösen Kapsel betroffen sein.
Die gemeinsame Ursache ist, dass sich ein Biofilm um den Fremdkörper entwickelt hat, bevor sich die natürliche Umhüllung - bestehend aus nur wenigen Zellschichten - gebildet hat. Der Biofilm stellt eine strategische Überlebensform von Bakterien dar, in dem sich die Keime so organisieren, dass wenigstens die innen lebenden Erreger Angriffen von außen, z.B. durch unser Immunsystem oder Antibiotika, widerstehen können. Dieser Biofilm ruft unser Abwehrsystem unablässig auf den Plan.
Vornehmlich T-Zellen, also Zellen des lymphatischen Teiles unseres Immunsystems, und Myofibroblasten, also narbenbildende Zellen, die sich zusammenziehen können, versuchen einerseits die Bakterien zu bekämpfen und andererseits unseren Körper vor den krankmachenden Keimen durch eine sich selbst verkleinernde Abkapselung abzuschotten.
Die derbe Kapsel, die sich anstelle einer natürlichen, zarten Umhüllung bildet, zieht sich mit der Zeit - manchmal im Laufe von Jahren - sehr stark zusammen, sodass das innewohnende Implantat so hart wie eine pralle Fußballblase in ihrer Lederumhüllung wird. Spätestens dann besteht die Patientin wegen Schmerzen und hässlicher Verformung der Brust auf der befreienden Operation.
Wenn eine Kapselfibrose entsteht, wird das nicht einem Fehler des Chirurgen zugeordnet, sondern als schicksalhaft betrachtet. Die Konsequenzen und auch die Kosten für weitere Operationen muss die Patientin in der Regel selbst tragen.
Entsprechend den Angaben in der wissenschaftlichen Literatur treten Kapselfibrosen in bis zu 35% aller Fälle auf, meistens jedoch bei zwischen zwei und zehn Prozent. Das Problem entsteht manchmal bereits drei Monate, manchmal auch erst zehn Jahre nach der Operation. Die meisten Fälle sind jedoch innerhalb der ersten drei Jahre zu verzeichnen.
Es gibt Kliniken, die die Kapselfibrose als schicksalsgegeben beschreiben. Wenn eine Kapselfibrose das Stadium BAKER IV erreicht, muss operiert werden. Die Patientin entscheidet über den Operationszeitpunkt.
Neben dem Biofilm [1] werden auch noch die postoperative Blutmenge im Wundbett [2] und die Gewebsverletzung während der Operation [3] als Faktoren für die Entstehung der Kapselfibrose diskutiert.
Zu [1]: Wenn ein System verwendet wird, das unsere Wundheilung fördert und unseren Organismus mit verteidigenden Wirkstoffen gegen Bakterien, Viren und Pilze unterstützt und ergänzt, kann man ohne Einsatz von Antibiotika ein besonderes antibakterielles und regenerativ aktives Milieu während und nach der Operation erreichen und damit Biofilme im Ansatz zerstören und vermeiden.Die Brustwarzen beherbergen Bakterien. Sie werden vor der Operation mit einem erregerdefensivem Gel oder Folien-System versiegelt, damit keine Keime in das Operationsgebiet wandern können. Aus dem gleichen Gründe müssen Operationsverfahren, die Brustdrüsengewebe aus taktischen Gründen verletzen, vermieden werden.
Zu [2]: Bei einer speziellen Art der örtlichen Betäubung, der sogenannten Tumeszenz-Lokalanästhesie, blutet es kaum. Die Operation findet beinahe ‘im Wasser’ statt. Durch sanftes Operieren und Einlegen einer Drainage und exakte Blutstillung wird versucht, die Blutmenge auf ein Minimum zu reduzieren. Die Amide in der Betäubungslösung hemmen zusätzlich Bakterien.
Zu [3]: Wenn die Operation in örtlicher Betäubung durchgeführt wird, muss sie zwangsläufig höchst sensibel und schonend durchgeführt werden. Mit diesen Maßnahmen kann das Risiko einer Kapselfibrose nahezu auf Null reduziert werden.
Dieser - zum Glück noch - sehr seltene bösartige T-Lymphzellen-Tumor wird mit einem bestimmten gramnegativen Bakterien, den sogenannten Ralstonia spp., in Biofilmen um das Implantat in Verbindung gebracht und tritt dann auf, wenn Kapselfibrosen vorhanden sind.
Nahezu alle Fälle von ALCL sind bei Implantaten mit rauer, texturierter Oberfläche zu verzeichnen. In einem ausführlichen Artikel der New York Times werden mehrere Patientinnen vorgestellt, deren Brust nach einer Krebsoperation rekonstruiert wurde und die durch das Implantat erneut einen zweiten Krebs, aber nicht Brustkrebs, bekommen haben. Obwohl leider Todesfälle zu beklagen sind, ist der Tumor frühzeitig erkennbar und dann gut behandelbar.
Das Problem ist der geringe Kenntnisstand bei Ärzten, die Brustvergrößerungen durchführen. Selbst in den USA, wo BIA-ALCL heftig diskutiert wird, besprechen nur 30 % der plastischen Chirurgen dieses Thema mit ihren Patientinnen, die nach einer Brustvergrößerung fragen. In Deutschland werden es noch viel weniger sein.
Der Tumor führt unbehandelt zum vorzeitigen Tod. Wer keine oder kaum Kapselfibrosen erzeugt, wird diesen bösartigen Krebs selten bei seinen Patientinnen sehen. Bemerkenswert ist, dass spezielle Maßnahmen, die unser innewohnendes Abwehrsystem der antimikrobiellen Peptide unterstützen, Ralstonia spp. und alle weiteren Bakterien schon während der Operation abtöten können.
In nur einem Milligramm Gewebe einer Kapselfibrose wurden ca. 4,6 Millionen Bakterien nachgewiesen. In nur zwei Gramm Kapselgewebe wohnen also 2 Milliarden mal mehr Bakterien als Menschen auf unserem Planeten. Es handelt sich um ein hoch infektiöses Material. Die erstaunliche Menge von Bakterien im Gewebe der fibrotischen Kapseln wurde im Juni 2016 in einer Studie veröffentlicht, bei der Untersuchung von 26 Patientinnen mit Kapselfibrose und entdecktem BIA-ALCL - dem Brustimplantat zugeordnetem anaplastischem großzelligem Lymphom, einem bösartigen Tumor des T-Zell-Lymphsystems.
Wenn sich eine Kapselfibrose bildet, handelt es sich um einen rein natürlichen und erfolgreichen Versuch, die Masse der Bakterien vom Körper fernzuhalten, indem der Ort des Geschehens eingegrenzt und verkleinert wird. Es drängt sich das Bild des Sarkophags um den havarierten Reaktor in Tschernobyl auf.
Das neue Wissen zwingt zu einer neuen Strategie bei der Behandlung von Patientinnen mit Kapselfibrose, mit oder ohne BIA-ALCL. Sie müssen auf Dauer saniert werden, bevor sich der Tumor entwickelt oder eine korrigierende Operation einer erneuten Brustvergrößerung in Angriff genommen werden kann. Wenn also Patientinnen wegen einer Kapselfibrose um Hilfe fragen, sollten ihnen die folgenden unmissverständlichen Empfehlungen gegeben werden:
Mit dem genannten Vorgehen werden die Keime und eventuell mit dem Tumor befallene Zellen aus der Implantat-Tasche und dem Fibrosegewebe ausgelöscht. Anschließend wird der Nachweis der Kapselfibrose erbracht, der die Tumorfreiheit nachweist. Die Gruppierung der Bakterien wird auch erfasst. Außerdem wird der Entzündungsstatus festgelegt und kann im Verlauf beurteilt werden, sodass der optimale Zeitpunkt für die abschließende kosmetische Operation vereinbart werden kann. Alles dient der Sicherheit der Patientin und deren abschließender Zufriedenheit. Bei den operativen Eingriffen kann auf Antibiotika verzichtet werden.
Die Kosten für das gesamte Prozedere, also die Sanierung der Implantattasche von Kapselfibrose und Bakterien und erneuter Brustvergrößerung, einschließlich zwei Operationen mit stationärer Betreuung, allen Untersuchungen in verschiedenen Laboren und im pathologischen Institut, neuen Implantaten und deren Einbringung, sind im fünfstelligen Bereich. Sie werden vielleicht nur zum Teil von den Krankenkassen übernommen. Im Falle einer gewünschten Brustvergrößerung mit eigenen Fettgewebe muss individuell kalkuliert werden.
Den Patientinnen wird von einem direkten Implantatwechsel in derselben operativen Sitzung dringend abgeraten, auch dann, wenn die neuen Implantate in eine andere Loge gelegt werden sollen.
Auch von einer Implantatentfernung kombiniert mit einem direkten Eigenfett-Transfer wird abgeraten, auch wenn es scheinbar erfolgreich angeboten wird.
Zuerst muss die Keimfreiheit hergestellt werden. Es ist bekannt, dass sich Biofilme und folgende Gewebsvermehrungen an inneren Wundgrenzflächen bei bakterieller Belastung bilden können. Das häufigere Wiederkehren einer Kapselfibrose bei Operationen, bei denen Implantate in einer operativen Sitzung gewechselt werden, ist wissenschaftlich bewiesen.
Damit entfällt die noch immer häufig durchgeführte gleichzeitige Reduktionsplastik mit Vergrößerung durch Implantate während einer Operation. Dieses Vorgehen muss in zwei Schritte zerlegt werden, weil sonst Bakterien aus dem Drüsengewebe das Implantat besiedeln und einen Biofilm ausbilden.
Entsprechend neuerer Erkenntnisse nutzt man für die spätere Vergrößerung besser einen Eigenfett-Gewebstransfer. Auch der operative Zugang durch den Brustwarzenhof soll aus gleichen Gründen zukünftig vermieden werden. Diese Hinweise kommen von einer internationalen Gruppe von anerkannten Brustchirurgen und stehen in den neuen Richtlinien der FDA.
Der bösartige Tumor ALCL ist beinahe nur im Zusammenhang mit Implantaten mit rauer, texturierter Oberfläche aufgetreten. Damit entfallen zwangsläufig tropfenförmige, sogenannte „anatomische“ Implantate. Glattwandige, tropfenförmige Implantate könnten sich nach der Operation „drehen“ und es käme zum „Schielen“ der Brustwarzen. Die neuen Erkenntnisse zwingen zum Einsatz glattwandiger, runder Implantate.
Sie werden in den USA zum größten Teil immer schon eingesetzt. In Deutschland sind es zur Zeit noch deutlich unter fünf Prozent. Die Zahl steigt aber langsam an.
Mit der nachhaltigen Sanierung der Patientin ohne Einsatz von Antibiotika kann eine Lösung des Problems angeboten werden, weil seit mehr als 20 Jahren Erfahrungen mit einem wirksamen, ungiftigen, biomimetischen Defensiv-System gesammelt wurden.
Dabei wird eine angeborene, jedem Lebewesen eigene Abwehrlinie gegen Bakterien, Viren, Pilze und Protozoen ausgenutzt und verstärkt (siehe unten: antimikrobielle Peptide). Mit diesem Wissen wird die Strategie Erfolg versprechend. Während aller Operationen, sowohl bei der ersten Operation als auch bei der Sanierung und der optional folgenden, der korrigierenden Operation, werden keine Antibiotika eingesetzt. Sie sind neben dem biomimetischem Defensin nicht erforderlich. So wird der Resistenzdruck auf Bakterien vermieden. Die Bakterienflora des Patienten bleibt unbeeinträchtigt, die Wundheilung nicht durch zytotoxische Wirkung von Antibiotika gestört.
Spätestens seit 1922, als Alexander Fleming sechs Jahre vor seiner Entdeckung des Penicillins ein Tropfen aus verschnupfter Nase in die Bakterienkultur fiel und er Stunden später einen Hemmhof um die getroffene Kultur bemerkte, kennen wir die Existenz „antimikrobieller Peptide“ (AMP). Er nannte den Stoff LYSOZYM.
Von den inzwischen über 1.500 entdeckten antimikrobiellen Peptiden aus dem Pflanzen- und Tierreich wirken über 1.000 nach einem bestimmten Prinzip: Hydrophobe und kationische Oberflächenstrukturen nehmen die stark negativ geladene bakterielle Membran in die Zange und knacken sie auf. Der Tod der Bakterien ist so schnell, dass keine Resistenzen entstehen können. Andere Zellen, insbesondere die Säugetierzellen, bieten den AMP diese Angriffsfläche nicht. Sie schaden dem Menschen nicht, sie schützen ihn.
Die Existenz antimikrobieller Peptide reicht zurück in die Anfänge des Lebens. Sie sind wie chemische und physikalische Grundgesetze die Basis für die Entwicklung weiterer Lebensformen. Unser hochentwickeltes Immunsystem, das viel langsamer reagiert, hat sich erst viel später - in Wechselwirkung mit den AMP - entwickelt. AMPs sind überall zu finden, wo bakterielle Belastungen erwünscht oder krankheitsverursachend vorkommen und schützen beispielsweise den Mundraum und die Därme vor infektiöser Zerstörung.
Genetische Störungen dieses Systems führen zu Krankheiten wie Ekzemen oder Morbus Crohn, einer entzündlichen Darmerkrankung mit Fistelbildung. AMP wirken immer, sind als Erste präsent und senden Signale an das Immunsystem. Solche Signale lösen antiinfektive, aber auch regenerative Aktionen aus. Wer sich als Chirurg dieses System zu Nutze macht, kann vollständig auf Antibiotika verzichten und sieht trotzdem keine operationsbedingten Infektionen. Die katastrophale Situation in Folge multiresistenter Keime rückt die AMP als Hoffnungsträger für die Entwicklung neuer antiinfektiver Stoffe in das Forschungsinteresse.
Das Zusammenwirken der beschriebenen Maßnahmen bewirkt, dass kaum Kapselfibrosen gesehen werden. Die positiven Wirkungen der Verstärkung der AMPs wurde über 21 Jahre beobachtet. Darum wird mancherorts das Versprechen abgegeben, bei Eintreten einer Kapselfibrose mit BAKER-Stadium IV innerhalb von drei Jahren nach der Brustvergrößerung mit Silicon-Implantaten die dann notwendigen zwei Operationen gratis durchzuführen.
Fragen Sie Ihren Chirurgen, wie er die Kapselfibrose vermeidet und wie er sich verhält, sollte sich doch eine Kapselfibrose entwickeln. Wenn er glaubt, eine Kapselfibrose lasse sich nicht oder nur mit intraoperativer massiver Spülung mit Antibiotika vermindern, dann wissen Sie – wenn Sie bis hierher gelesen haben – etwas mehr.
[1] vgl. A Shocking Diagnosis: Breast Implants ‘Gave Me Cancer’, New York Times, 14.05.2017
Die Veröffentlichung dieser Inhalte durch jameda GmbH erfolgt mit ausdrücklicher Genehmigung der Autoren. Die Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und jede Art der Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtes bedürfen der schriftlichen Zustimmung der jeweiligen Autoren.
Die Inhalte der Experten Ratgeber ersetzen nicht die Konsultation von medizinischen Spezialisten. Wir empfehlen Ihnen dringend, bei Fragen zu Ihrer Gesundheit oder medizinischen Behandlung stets eine qualifizierte medizinische Fachperson zu konsultieren. Der Inhalt dieser Seite sowie die Texte, Grafiken, Bilder und sonstigen Materialien dienen ausschließlich Informationszwecken und ersetzen keine gesundheitlichen Diagnosen oder Behandlungen. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Meinungen, Schlussfolgerungen oder sonstige Informationen in den von Dritten verfassten Inhalten ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors darstellen und nicht notwendigerweise von jameda GmbH gebilligt werden. Wenn die jameda GmbH feststellt oder von anderen darauf hingewiesen wird, dass ein konkreter Inhalt eine zivil- oder strafrechtliche Verantwortlichkeit auslöst, wird sie die Inhalte prüfen und behält sich das Recht vor, diese zu entfernen. Eigene Inhalte auf unserer Website werden regelmäßig sorgfältig geprüft. Wir bemühen uns stets, unser Informationsangebot vollständig, inhaltlich richtig und aktuell anzubieten. Das Auftreten von Fehlern ist dennoch möglich, daher kann eine Garantie für die Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität nicht übernommen werden. Korrekturen oder Hinweise senden Sie bitte an experten-ratgeber@jameda.de.