Jeder Mensch hat – zum Glück - Ecken und Kanten und ist eine ganz eigene Persönlichkeit.
Was sind die Chancen und Risiken bei einem stärker oder schwächer ausgeprägten Stil?
Zum Überblick neun Hauptstile, welche die klinische Psychologie unterscheidet. Jeder Stil hat Stärken und Entwicklungsmöglichkeiten:
Wie entstehen unterschiedliche Persönlichkeitsstile?
Persönlichkeitsstile und - störungen können dazu führen, dass jeder Mensch ein ganz eigenes Muster wie eine getönte Brille mit sich bringt. Sie zeigt sich bei:
- Emotionen
- der kognitiven Wahrnehmung
- des Erlebens
- Verhaltens
Um wirklich als Muster gesehen zu werden, sollte dieses seit Kindheit und Jugend möglichst Situationsübergreifend stabil sein, also den ganzen Tag über, sowohl auf der Arbeit, in der Freizeit, in Beziehungen und allein.
Im Normalfall gibt es eine Flexibilität je nach Situation. Es kann aber vorkommen, dass sich als Emotionales Coping Muster ein starres Muster entwickelt hat, das in der Kindheit oder Jugend wichtig war, um emotional zu überleben, aber im Erwachsenenalter oft sehr hohe Kosten mit sich bringen kann.
Wie sind Emotionale Muster aufgebaut?
Emotionale Coping Muster können nach Sulz folgende Struktur haben:
- Nur, wenn ich immer?. (etwas ganz viel tue)
- Und nie (etwas nicht tue)
- Bewahre ich mir (ein wichtiges Bedürfnis)
- Und verhindere (etwas, was Angst macht/sehr unangenehm ist)
Bei Stress werden unsere Emotionalen Coping Muster normalerweise noch stärker und oft erreichen wir paradoxerweise genau das Gegenteil von dem, was wir versuchen zu vermeiden. Wenn ich mich immer anpasse, um angenommen zu werden, fühlt sich mein Gegenüber vermutlich eher überlegen/dominant und kann mich schwer greifen, nicht wirklich annehmen, da er ja gar nicht mich als Person erkennen kann, wenn ich mich nicht zeige.
1. Eher unsicher
- Gewissenhaft bis zwanghaft: Sehr verlässlich / Problematisch jedoch, dass im Team andere gerne Verantwortung abgeben - man ist sicher, dass die gewissenhafte Person die Aufgabe sowieso erledigt. Dieser Typ kann durch Achtsamkeits- und Genusstraining lernen, besser loszulassen. Tief verwurzelte Normen können anerkannt, gewertschätzt und eventuell etwas flexibilisiert werden.
- Sensibel bis selbstunsicher: Personen mit diesem Stil werden oft von ihrem Umfeld sehr geschätzt - sie haben oft wenige, aber enge Bezugspersonen, sind sehr empathisch und stellen ihre eigenen Bedürfnisse oft zurück. Wichtig ist es hier, die eigenen Bedürfnisse, Gefühle und Grenzen zu erkennen, auszudrücken und auch mal durchzusetzen. Fordern können oder ‘Nein’ sagen fallen oft schwer.
- Anhänglich bis dependent: Am liebsten ist man immer mit seinen Bezugspersonen zusammen und trifft Entscheidungen ungern allein. Dieser Typ wird meist sehr geschätzt für die Loyalität, wärme, Sicherheit der Bindung. Auf der anderen Seite ist es gerade für diesen Typ wichtig, auch autonom handeln zu können und immer wieder etwas auch allein bewältigen zu können. Hier gilt wie immer bei Veränderungen: Schritt für Schritt vorgehen. Erstmal eine halbe Stunde allein verbringen, später eine Stunde, mal allein zum Sport/ins Kino gehen, später immer mal wieder auch einen Tag oder länger von der Bezugsperson räumlich getrennt sein.
2. Eher auffallend
- Sehr selbstsicher bis narzisstisch: Oft ist die Wirkung sehr charmant, kompetent und selbstbewusst, innerlich passiert oft das komplette Gegenteil. Oft besteht eine sehr starke Selbstkritik, die kein gutes Haar lässt und dadurch ein sehr verletzlicher Kern ist. Dies ist so schmerzhaft, dass als Kompensation oft intensiver Ärger, Vermeidung oder extreme Leistung bei (drohender) Kritik äußerlich sichtbar sind. Hier sind der Aufbau eines realistischen positiven Selbstbildes, Trainings von Perspektivwechseln und von Einfühlungsvermögen sowie Umgang mit Kritik wichtig.
- emotional intensiv bis borderline: oft wirkt eine Person mit diesem Stil mitreißend und leidenschaftlich, kann aber im nächsten Augenblick auch pötzlich sehr wütend werden oder sich innerlich „leer“ fühlen. Hier ist es wichtig zu erkennen, dass eine Fülle an Emotionen ja etwas sehr Lebendiges ist und man wie ein „Surfer“ lernen kann, auf diesen Wellen zu navigieren. Dafür bietet sich ein Skilltraining nach dem DBT Konzept von Marsha Linehan oder eine Schematheapie an, die auch auf die Emotionen fokussiert. Ebenfalls sind Embodiement Methoden sinnvoll, um in Kontakt mit dem Körper, dem Anspannungsniveau und den momentanen Bedürfnissen und Impulsen zu kommen.
- Viel Aufmerksamkeit brauchend bis histrionisch: Menschen mit diesem Stil können andere oft gut unterhalten: Geschichten lebendig erzählen, singen, schauspielern, Witze gut erzählen. Sie stehen gerne im Mittelpunkt und eine attraktive äußerliche Erscheinung ist Ihnen wichtig. Hier ist es wichtig, auch in Kontakt mit den „weicheren“, „leiseren“ Gefühlen kommen zu können wie Rührung, Traurigkeit, Einsamkeit, Angst und auch unangenehme Gefühle wie Ärger oder Enttäuschung echt und authentisch annehmen und äußern zu können, statt diese mit sozial erwünschten zu überspielen.
3. Eher exzentrisch
- Sehr misstrauisch bis paranoid: dieser Stil hat nichts mit paranoider Schizophrenie oder Ähnlichem zu tun. Hier geht es darum, dass seit Kindheit oder Jugend konstant eine hohe Unsicherheit und Misstrauen vorhanden sind. Oft wird beim Gegenüber eine feindselige Motivation angenommen oder auch bei Institutionen und Systemen. Zentral muss bei diesem Stil untersucht werden, wie das Sicherheitsgefühl immer wieder „aufgetankt“ werden kann: Auf welche eigenen Stärken/Fähigkeiten/Verhaltensweisen kann man sich verlassen und was gibt im Außenbereich Sicherheit? Das können Orte, Personen etc. sein. Auch ist es hilfreich, immer wieder korrigierende Erfahrungen zu ermöglichen, in dem auch das Gegenteil als möglich gesehen wird. Was würde dagegensprechen, dass Person X/Y etwas gegen mich plant und was kann dafürsprechen, dass Person X/Y eine wohlwollende oder neutrale Haltung mir gegenüber hat?
- Am liebsten allein bis schizoid: Personen mit diesem Stil haben oft wenig verlässliche, emotional haltende Beziehungen in der Kindheit und Jugend erlebt und Gefühle erscheinen eher „abgespalten“ bis nicht vorhanden. Es wurden Schutzmechanismen entwickelt, um sich vor zu engen, enttäuschenden Bindungen und zu viel chronisch unangenehmen Gefühlen zu schützen. Hier ist es wichtig zu akzeptieren, was gerade da ist: Besteht z.B. kein Wunsch nach Kontakt zu Menschen, ist dies völlig in Ordnung. Besteht wenig Wunsch dazu, so kann erlernt werden, wie man durch „sympathisches Verhalten“ wie z.B. ein Gespräch beginnen, ein Kompliment machen, Fragen stellen etc. immer wieder in Kontakt treten kann. Zentral ist hier auch Stück für Stück in kleinen Schritten, den Zugang zu Emotionen wieder zu finden. Erst einmal mit der Exploration, wozu welches Gefühl überhaupt gut ist (Und ja, auch Langeweile, Einsamkeit, Ärger und Traurigkeit sind evolutionär sehr wichtig) und wie dieses im Kleinen ausgehalten werden kann, z.B. durch eine Körperübung, in der das Gefühl nachgestellt wird etc.
- Eigen, „ein Einhorn“ bis schizotypisch: dieser Stil muss nur zwei Jahre ausgeprägt sein, um als solcher bei einem Leidensdruck diagnostiziert zu werden: Oft besteht magisches Denken, Personen ziehen sich exzentrisch an, glauben an höhere Kräfte, Fabelwesen etc. Hier ist es zentral, ein Umfeld zu finden oder herzustellen, in dem sich die Person wohlfühlen kann.
Bei der Entwicklung Ihres Stils wünsche ich Ihnen viel Freude, sich selbst zu entdecken.