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Frau F. berichtet in der Mutismus-Selbsthilfegruppe: Mein Sohn spricht innerhalb unserer Familie frei und ungehemmt, sobald er jedoch in der Schule ist, nimmt er keinen Kontakt auf zu anderen Kindern. Er bleibt für sich, spricht mit niemandem, wirkt verkrampft und vermeidet jeglichen Blickkontakt. Wo kann ich mir Hilfe für meinen Sohn holen?

Was bedeutet selektiver Mutismus oder auch elektiver Mutismus?

Diese beiden Fachbegriffe bezeichnen das gleiche Störungsbild. Gemeint ist damit eine angstbedingte Kommunikationsstörung, die durch Schweigen gekennzeichnet ist. Von Mutismus Betroffene schweigen gegenüber Personengruppen außerhalb ihres privaten Umfeldes z. B. im Kindergarten, in der Schule, bei der Arbeit etc. Innerhalb ihrer eigenen Familie sprechen sie häufig sehr viel und verhalten sich sprachlich unauffällig. Sobald von Mutismus Betroffene sich außerhalb ihrer Kernfamilie bewegen oder Fremde hinzukommen, verfallen sie in Schweigen und wirken körpersprachlich wie erstarrt. Es ist kein Blickkontakt mehr möglich und die Mimik gefriert ein.

Dieses Störungsbild beginnt häufig im Kindergartenalter, kann jedoch auch in späteren Jahren auftreten oder als Begleiterscheinung anderer Erkrankungen wie z. B. neurologischer Krankheiten oder an der Stimme Erkrankte. Häufig wird dann aus Scham das Sprechen vermieden.
Die schwerste Form ist der totale Mutismus. Beim totalen Mutismus wird in jedem Umfeld geschwiegen. Die Ursachen sind vielfältig. Dies können Schockerlebnisse sein, psychiatrische oder neurologische Grunderkrankungen oder eine dramatische Verlaufsvariante des selektiven Mutismus.

Welche Ursachen liegen dem selektiven Mutismus zugrunde?

Jahrzehntelang und auch teilweise heute noch herrschte die Meinung vor, dass selektiver Mutismus das Resultat frühkindlicher Traumata und elternbedingter Erziehungsfehler sei. Dies ist jedoch überwiegend nicht der Fall! Im Rahmen der Mutismus-Forschung treten vererbbare Faktoren, familiäre Disposition zu Ängsten, biochemische Störungen im serotonergenen Neurotransmittersystem sowie ein erhöhtes Aktivitätspotential in der für Ängste verantwortlichen Amygdala in den Vordergrund.

Ist eine Behandlung des elektiven Mutismus überhaupt möglich?

Je früher mit einer Behandlung begonnen wird, desto günstiger ist die Prognose. Ohne therapeutische Hilfe geraten die Betroffenen langfristig häufig in eine Lebenssackgasse und isolieren sich selber sowohl sozial als auch beruflich. Beruflich haben sie dann kaum noch Chancen und es bleibt vielen nur noch die Arbeitslosigkeit oder einfache Tätigkeiten.

Inzwischen gibt es viele Therapiemaßnahmen, die teilweise auch interdisziplinär stattfinden und einzelfallorientiert kombiniert werden können:

Logopädie / Sprachtherapie:
Logopädie sollte so früh wie möglich beginnen! Im therapeutischen Setting erfolgt über die didaktische Reihenfolge Laut- Silben-, Wort-, Satz-, Text- und Spontansprachebene eine Reduktion der Angst vor der verbalen Kommunikation. Sobald bei den Klienten die Dialogfähigkeit angebahnt ist, wird durch In-vivo-Maßnahmen der Einsatz des Sprechens in reale Alltagssituationen übertragen. Gemeinsam mit den Betroffenen und Angehörigen werden Zukunftsperspektiven entwickelt.

Weiche Medicotherapie:
Parallel zur Logopädie kann eine HeilpraktikerIn angstlösende homöopathische Konstitutionsmittel oder Bachblüten individuell ermitteln. Diese Medikation ist auch für kleinere Kinder geeignet.

Schulmedizinische Medicotherapie:
Bei dieser werden sogenannte Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) eingesetzt. Sie führen im Hirnstoffwechsel zu einer Anhebung des zu niedrigen Serotoninspiegels und tragen somit zur Reduktion von Angstzuständen bei. Diese Behandlung ist allerdings nur bei Jugendlichen und Erwachsenen zu diskutieren und kann nie eine der anderen Therapieformen ersetzen!

Gesprächstherapie/Psychoanalyse:
Durch diese beiden Therapieformen, die erst nach einer Sprachtherapie und hiermit einhergehender kommunikativen Öffnung möglich ist, werden die vorhandenen psychischen Ursachen eines mutistischen Verhaltens, wie z. B. schulische Konflikte etc. herausgearbeitet und gemeinsam reduziert bzw. aufgelöst.

Verhaltenstherapie:
Der von Mutismus Betroffene wird sukzessive sozialen Situationen ausgesetzt, die vorher sozialphobisch gemieden wurden, und damit seine Angst desensibilisiert. Das Selbstbewusstsein des Betroffenen wird gestärkt.

Wer ist AnsprechpartnerIn?

Beratung erfolgt entweder durch die HausärztIn / KinderärztIn oder nach Rezeptierung durch eine entsprechend ausgebildete LogopädIn oder PsychologIn. Der logopädische Indikationsschlüssel lautet: ICD 10 F 94,0 / SP1 oder RE1.

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