Artikel 19/06/2016

Stress abbauen, heißt Angst überwinden

Team jameda
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Der Begriff „Stress“ ist seit Jahrzehnten in unseren allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen.
Das Aufstöhnen „So ein Stress“ sowie das teils lustvolle Kommentieren aller unserer Stressoren ist täglich überall und immer wieder zu hören. Dabei sollte uns bewusst sein, dass Stress als ein Zustand erhöhter Erregung und Bereitschaft zum Handeln vollkommen unschädlich ist und eine außerordentlich wichtige Ausstattung unseres Organismus darstellt.

Wir könnten einer Gefahr oder Mangelsituation - z.B. einem Angriff oder auch einem hungrigen Magen - nur sinnvoll begegnen, wenn wir uns zielgerichtet und nachdrücklich wehren, fliehen oder in dem Fall von Hunger aktiv werden und z.B. zum Supermarkt fahren und einkaufen.

Eine lohnende Chance und Aussicht auf Gemeinschaft und Familie können wir nur nutzen, wenn wir uns um für uns attraktive Menschen in unserer Umgebung aktiv und nachdrücklich bemühen.
Es kommt also bei der Aktivierung von Stress darauf an, bei Gefahr, Bedürfnissen oder wichtigen Zielen für unser Leben schnell und entschieden mit dem Einsatz aller vorhandenen Ressourcen zu handeln: Also möglichst schnell weglaufen vor einer Gefahr oder möglichst schnell hinlaufen zu einer neuen Chance.

Wäre es uns nicht möglich, durch steigende Herzfrequenz, Freisetzung von Energie für die Muskeln usw. den Organismus kraftvoll zu aktivieren, wir wären sicherlich längst ausgestorben und im Naturkundemuseum einer überlebensfähigeren und erfolgreicheren Tierart zu besichtigen.

Wie wird Stress von unserem Körper reguliert?

Zum Glück haben wir aber auch eine eingebaute Stressbremse im Gehirn, die nach der Hochregulierung und erfolgreicher Reaktion wieder wie von selbst auf das Erholungsniveau zurückreguliert. Das findet seinen Ausdruck in einem gut abgestimmten autonomen Nervensystem, das durch das harmonische und schnelle Zusammenspiel von Parasympathikus und Sympathikus geprägt ist.

Auf eine durch den Sympathikus gesteigerte Aktivität mit erhöhter Herzfrequenz, reduzierter Darmtätigkeit, geweiteten Pupillen usw. folgt dann nach der Aktivität ausgleichend die parasympathikal gesteuerte Erholung mit verminderter Herzleistung, verengten Pupillen und angeregter Darmtätigkeit.

Geht diese Fähigkeit des Ausgleichs und einer guten Zusammenarbeit dieser beiden Nervenäste Sympathikus und Parasympathikus aber verloren durch andauernden Stress, dann entsteht chronischer Stress.

Wie entsteht krankmachender chronischer Stress?

Was ist das eigentlich: Stress? Ist es ein zu viel an Arbeit? Eine zu hohe Belastung, die zur Überlastung führen kann - also im Sinne des „Burnout-Syndroms“? Arbeiten bis zum „ehrenvollen“ Umfallen?

Die Verarbeitung äußerer Umweltbedingungen erfolgt bei uns in einem komlexen Netzwerk im limbischen System unseres Gehirns, an dem mehrere Hirnzentren beteiligt sind. So hat der orbitofrontaler Cortex - ein Bereich unseres Stirnhirns eher rationale und planende Funktion.

Der Anteriore Cingulare Cortex organisiert vor allem die Organisation der Zusammenarbeit verschiedener Hirnzentren. Der Hippocampus leistet den Abgleich neuer Wahrnehmungen mit älteren Gedächtnisinhalten. Die Amygdala schließlich trägt die emotionale Beurteilung bei.

Welche Rolle spielt das Centrale Autonome Netzwerk bei Stress?

Dieses „Centrale Autonome Netzwerk“ (CAN) hat als wichtige Outputfunktion das Zusammenspiel von sympathischer und parasympathischer Erregung.

Wenn hier aber das harmonische Zusammenspiel aus den Fugen gerät, kann die Folge eine Übererregung des Sympathikus sein mit einer entscheidenden Schwächung des Parasympathikus.

Im Ergebnis findet nur noch Aufregung aber keine Erholung mehr statt.

Eine solche Situation kann besonders dann entstehen, wenn das emotionale Bewertungszentrum in der Region der Amygdala (vor allem erregbar bei negative Bewertungen - meist als Angst erlebt) nicht mehr ausreichend durch den Hippocampus kontrolliert wird und durch den orbitofrontalen Cortex nicht mehr ausreichend gehemmt werden kann.

Das „Angstzentrum“ in der Amygdala wird dann also nicht mehr durch Nachdenken gebremst und durch den Abgleich mit vorhandenen Erinnerungen überprüft und kontrolliert. In diesem Fall alarmiert das CAN über die Amygdala ohne die in der Realität der Umwelt tatsächlich gegebene Notwendigkeit eines Angsterlebens das sympathische Nervensystem.

Zugleich wird über die Hypophyse das Hormon CRH ausgeschüttet. Dieses Hormon bewirkt die Ausschüttung von Cortisol, Noradrenalin und Adrenalin in der Nebennierenrinde. CRH wirkt aber nicht nur als Hormon über die Blutbahn in der Nebennierenrinde, sondern direkt und sofort auch im Gehirn selbst und schädigt bei einer anhaltenden „Überdosis“ das Gedächtniszentrum Hippocampus und reduziert die Ausschüttung von BNDF (brain derived neurotrophic factor).

Mögliche Folgen von chronischem Stress

Das entstehende Gesamtbild beinhaltet eine schlecht regulierte parasympathikale Erholung mit Schlafstörung, nachlassender Konzentration und verschlechterter Gedächtnisleistung. Die Folgen sind Vergesslichkeit, Konzentrationsstörungen und Depression.

Weitere Konsequenzen sind die somatoformen Störungen wie Herzschmerzen, Kopfschmerzen, Schwindel, Atembeschwerden, Verdauungsbeschwerden, Reizdarm und andere seelisch-körperliche Störungen. Weitere Folgen von chronischem Stress können (u.a.) Herzkrankheiten, Arteriosklerose, Neurodermitis, Diabetes und Suchterkrankungen sein.

Stress ist bei verschiedenen Störungen ein den Organismus entscheidend schwächender Faktor, der das Entstehen einer Störung oder Krankheit begünstigt oder auch Ursache selbst ist. So verschlechtern sich zum Beispiel die Symptome einer ansonsten gut beherrschbaren Zwangsstörung bei verstärkter Stressbelastung, eine überwundene Depression kehrt zurück oder eine organische Schwachstelle verursacht erneut Beschwerden und ein Rückfall ist die Folge.

Besteht ein Zusammenhang zwischen Stress und Angst?

Stress kann mit Recht als eine besondere Art von Angststörung betrachtet werden. Das bedeutet, dass im Kern letztlich nicht eigentlich die besondere Arbeitsbelastung oder Herausforderung Ursache einer Stresserkrankung ist. Hinter chronischem Stress verbirgt sich vielmehr bewusst oder unbewusst erlebte Angst - welcher Art auch immer.

Angst ist oft als fehlgeleitete Alarmierung durch die Amygdala in einem entgleisten Centralen Autonomen Netzwerk zu beurteilen. Dabei zeigt sich, dass Angst hervorrufende Wahrnehmungen oft auch subliminal (nicht bewusst wahrnehmbar) erfolgen, also nicht bewusst als Angst wahrgenommen bzw. erkannt werden können.

Es sind die herabhängenden Mundwinkel des Vorgesetzten, fehlende Anerkennung und Wertschätzung, Sorgen um die Beziehung oder Partnerschaft, fehlende Unterstützung durch Freunde und Vertraute, die Angst und somit chronischen Stress erzeugen. Es sind die verborgenen Signale in Gesichtern, die ein Gefühl von Angst erzeugen, Befürchtungen in Hinblick auf die eigene materielle Sicherheit oder anhaltende berechtigte oder unbegründete Besorgnisse.

Angst aber - und das wird häufig nicht hinreichend klar eingeschätzt - wird sehr oft nicht als Angst wahrgenommen, sondern mit dem Begriff Stress belegt. Die Angstsignale werden im der neuronalen Netzwerke des Centralen Autonomen Netzwerks verursacht und für den betroffenen Menschen letztlich als Stresssymptome wahrnehmbar.

Diese Angst tritt bei vielen Menschen nicht ins Bewusstsein und Arbeitsgedächtnis. Das kann möglicherweise auch darin begründet sein, dass Angst für viele eine abgelehnte, eine unerwünschte Emotion ist, die mit Schwäche und Versagen verbunden wird. Begriffe wie Burnout und Stress hingegen signalisieren Leistung und Wichtigkeit der Person.

Diagnose und Therapie von Stress

In der psychotherapeutischen Praxis zeigt sich bei der Untersuchung von Patienten mit Stress-Symptomen eine deutliche Spur der Angst im (oft unbewussten Erleben), die unbemerkt Schaden anrichtet.

Der Körper hilft sich dabei oft mit seinem letzten Mittel, indem er gegen das Bewusstsein rebelliert, die Notbremse zieht und einfach nicht mehr so weitermacht.

Daraus folgt für Diagnose und Therapie bei Stressbelastung, dass Angst im Erleben des Betroffen besondere Beachtung und benötigen. Ein einfaches symptomorientiertes Stressreduzierungstraining oder Stressimpfungstraining setzt hier möglicherweise nicht ausreichend genau und nicht eigentlich kausal an.

Sicher können solche Verhaltenstrainings - im Sinne von Exposition, Desensibilisierung und Habituation - Symptome lindern und die Belastungsreaktion bessern. Der Kern der Störung, die neuronale Dysfunktion im CAN wird aber nicht ausreichend therapeutisch in den Fokus genommen.

Behandlung mit Hypnose

Eine besondere Möglichkeit der Veränderungsarbeit im Bereich des Centralen Autonomen Netzwerks bietet hier die Möglichkeiten therapeutischer Hypnose. Die therapeutische Hypnose kann unbewusst vorhandene Angst eher am Ort der Entstehung verändern.

Der griechische Philosoph Epiktet hat hierzu gesagt: „Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir von den Dingen haben.“ Ich möchte ergänzen: Aber leider sind uns unsere eigenen Meinungen zu den Dingen nicht immer klar genug bewusst und wir sprechen von dem Stellvertretergefühl „Stress“, wenn wir eigentlich Angst, Verunsicherung oder fehlende Anerkennung meinen.

Für Menschen mit einer erheblichen Stressbelastung folgt daraus, dass sie die Stressoren in ihrer Umwelt einmal auf die Angst verursachenden Merkmalen überprüfen lassen sollten. Diese angstverursachenden Inhalte können in einer psychotherapeutischen Praxis gezielt behandelt werden.

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