Artikel 05/07/2013

Leistenbruch Teil 3: Risiken und mögliche Komplikationen

Prof. Dr. med. René Holzheimer Facharzt für Allgemeinchirurgie, Sportmediziner
Prof. Dr. med. René Holzheimer
Facharzt für Allgemeinchirurgie, Sportmediziner
leistenbruch-behandlung2

Welche Komplikationen treten auf?
In der Tat ist jeder Zugang zum Bauchraum mit möglichen Verwachsungen der Darmschlingen verbunden, die möglicherweise erst nach Jahren zu einem Darmverschluss führen können. Die Technik kann in der Regel nur mit Vollnarkose und im Krankenhaus angewendet werden. Die Analyse der Studien (Metaanalyse) ergab, dass bei dem laparoskopischen Verfahren ein erhöhtes Risiko zu schweren Komplikationen im Bauchraum (Darmverletzung, Gefäßverletzung) im Vergleich zum offenen Verfahren besteht. Auch das Wiederauftreten von Rezidiven (erneuter Ausbildung eines Leistenbruches) an der gleichen schon operierten Stelle scheint nach diesen Auswertungen erhöht zu sein. Das Netz wird in der Regel mit Tackern befestigt, die wiederum Auslöser von Schmerzen sein können. Es gibt Tacker, die wie Riegel im Schambein steckten und entfernen müssen, da sie die Ursache chronischer Schmerzen waren.

Hämatome (Bluterguss) und Serome (Ansammlung von Wundflüssigkeit) sind sowohl bei dem offenen Verfahren als auch bei den laparoskopischen Verfahren zu beobachten! Verletzung der Nerven (ilioinguinalis, iliohypogastricus, genitofemoralis) werden bei offenen Verfahren beschrieben, doch es gibt klare Hinweise, dass bei Darstellung dieser Nerven verhindert werden kann. Das Auftreten von chronischen Schmerzen wird auch bei laparoskopischen Verfahren beobachtet – immer wieder versucht man durch weitere Studien (Ersatz der Tacker durch Kleber) diese Quote zu senken.

Wichtig ist die präoperative ( vor der Operation) Analyse, ob der Patient Schmerzen hat und möglicherweise eine isolierte Nerveneinklemmung vorliegt. In diesem Fall sollte das offene Verfahren auf jeden Fall favorisiert werden, da nur so, die Schmerzursache beseitigt werden kann. Immer wieder kommt es bei Patienten, die vor der laparoskopischen Operation schon Schmerzen hatten, auch nach dem Eingriff zu Schmerzen. Dies kann einmal daran liegen, dass die Ursache des Schmerzes, nämlich die Nerveneinklemmung, nicht beseitigt werden konnte; aber auch bei laparoskopischen Eingriffen sind Nervenverletzungen – nicht nur bei offenen – möglich.

Ein Hinweis auf die Akzeptanz eines Verfahrens kann auch sein, wie häufig die laparoskopische Leistenbruchoperation in den USA, England, Schweden angewendet wird. Die Verläufe zeigen, dass in diesen Ländern eine anfängliche Euphorie (z.B. Schweden) einer Ernüchterung gewichen ist: die Zahlen für die laparoskopische Herniotomie schwanken zwischen 7-11%.
Es gibt kein Verfahren ohne Nebenwirkungen, Bezeichnungen können irreführend sein. Also fragen Sie nach den Nebenwirkungen, den Komplikationen! Fragen Sie, muss unbedingt ein Eingriff in der Bauchhöhle oder direktem Bezug zur Bauchhöhle stattfinden.

Die Verfahren, die Meshplug oder PHS-System verwenden, setzen darauf, dass der Eingriff schnell über die Bühne geht und möglichst kein Rezidiv (erneutes Auftreten eines Leistenbruches an der gleichen Stelle) zu beklagen ist. Dafür verwendet man dreidimensional vorgefertigte Netzplomben, die zu einer erheblichen Bindegewebsreaktion – viel Fremdmaterial – führen können und ggf. sogar im Spätverlauf (meshplug) Darmfisteln in der Leiste verursachen können.

Man muss sich gerechterweise fragen, ist so viel Fremdmaterial wirklich in jedem Fall erforderlich? Oder sollte man nicht eine Rekonstruktion anstreben, mit nur so viel Fremdmaterial wie nötig? Es ist unbestritten, dass durch die Netztechnik eine erhebliche Verbesserung der Erfolgsraten in der Leistenbruchchirurgie erzielt werden konnte. Ein Netz, das plan (flach) in der tiefen Schicht (Rückwand, Transversusfaszie, Leistenkanalhinterwand) mit Netztechnik (modifizierter Shouldice) in einer Compositetechnik aufgebracht und befestigt wird, berücksichtigt die Anatomie der Leiste und verstärkt diesen Bereich möglichst physiologisch.

Brennen und Taubheitsgefühl nach einer Leistenbruchoperation ist erst mal nichts Aufregendes und verschwindet in der Regel auch wieder. Hämatom (Bluterguss) oder Serom (Ansammlung von Wundflüssigkeit) sollten durch Ultraschall erkannt und beobachtet werden, um rechtzeitig therapeutisch (z.B. Punktion) eingreifen zu können. Eine Infektion ist ein sehr seltenes Ereignis.

Allgemein ist zu sagen, dass bei ausreichender Zeit zur Operation, schonender anatomischer Präparation und möglichst physiologischer Versorgung des Defektes die Risiken für eine Komplikation gering sind. Eine kürzlich durchgeführte Untersuchung fand heraus, dass Leistenbruchoperationen unter einer bestimmten Zeit – also sehr schnell operiert – mit einem höheren Komplikationsrisiko verbunden sind. Wir sollten keinen Wettbewerb haben, wer die schnellste Leistenbruchoperation hat.

Hier geht es zum vierten Teil des Artikels.

Die Veröffentlichung dieser Inhalte durch jameda GmbH erfolgt mit ausdrücklicher Genehmigung der Autoren. Die Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und jede Art der Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtes bedürfen der schriftlichen Zustimmung der jeweiligen Autoren.

Die Inhalte der Experten Ratgeber ersetzen nicht die Konsultation von medizinischen Spezialisten. Wir empfehlen Ihnen dringend, bei Fragen zu Ihrer Gesundheit oder medizinischen Behandlung stets eine qualifizierte medizinische Fachperson zu konsultieren. Der Inhalt dieser Seite sowie die Texte, Grafiken, Bilder und sonstigen Materialien dienen ausschließlich Informationszwecken und ersetzen keine gesundheitlichen Diagnosen oder Behandlungen. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Meinungen, Schlussfolgerungen oder sonstige Informationen in den von Dritten verfassten Inhalten ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors darstellen und nicht notwendigerweise von jameda GmbH gebilligt werden. Wenn die jameda GmbH feststellt oder von anderen darauf hingewiesen wird, dass ein konkreter Inhalt eine zivil- oder strafrechtliche Verantwortlichkeit auslöst, wird sie die Inhalte prüfen und behält sich das Recht vor, diese zu entfernen. Eigene Inhalte auf unserer Website werden regelmäßig sorgfältig geprüft. Wir bemühen uns stets, unser Informationsangebot vollständig, inhaltlich richtig und aktuell anzubieten. Das Auftreten von Fehlern ist dennoch möglich, daher kann eine Garantie für die Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität nicht übernommen werden. Korrekturen oder Hinweise senden Sie bitte an experten-ratgeber@jameda.de.


www.jameda.de © 2023 - Wunscharzt finden und Termin online buchen.

Diese Webseite verwendet Cookies.
Surfen Sie weiter, wenn Sie unserer Cookie-Richtlinie zustimmen.