Bei ausgewogener Ernährung mit pflanzlichen und tierischen Produkten spielen Mangelzustände mit B-Vitaminen heute kaum eine Rolle. Demgegenüber steht ein allgemeiner Trend zur Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln und Vitaminen zur Vorbeugung von Krankheiten und zur Vermeidung von Vitaminmangelsituationen. Allerdings ist der positive oder nachhaltige Effekt auf unsere Gesundheit durch die regelmäßige Einnahme von B-Vitaminen ohne Nachweis einer Mangelsituation nicht belegt.
Anders verhält es sich bei einem tatsächlichen Vitamin-B-Mangel. Während ein Vitamin-B1 oder -B6-Mangel eher selten ist, ist ein Vitamin-B12-Mangel durchaus häufig. Vitamin B12 ist vor allem in tierischen Lebensmitteln (Fleisch, Leber, Eiern und Milchprodukten) enthalten, kaum jedoch in pflanzlichen Lebensmitteln. Besonders Menschen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, haben ein deutlich erhöhtes Risiko einen Vitamin-B12-Mangel zu erleiden. Dieses liegt bei Veganern bei ca. 80% und bei Vegetariern bei ca. 60%. Auch ältere Menschen mit einem Lebensalter über 60 Jahren weisen je nach Studie mit erhöhter Häufigkeit von 10-30% einen Vitamin-B12-Mangel auf.
Die Ursachen eines Mangels sind vielfältig. Neben dem ernährungsbedingten Mangel sind es vor allem Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes, die zu einer mangelnden Aufnahme von Vitamin B12 führen können. Dieses schließt entzündliche Erkrankungen oder Operationen des Dünndarms, partielle Magenentfernungen sowie chronische oder autoimmune Magenschleimhautentzündungen mit ein. Letztere können über eine Veränderung des sauren Milieus im Magen bzw. durch eine verminderte Bildung von Intrinsic-Factor zu einer verminderten Vitamin-B12-Aufnahme führen. Bei der Autoimmungastritis richten sich Autoantikörper gegen Belegzellen in der Magenschleimhaut mit verminderter Bildung von Intrinsic-Factor. Des Weiteren können bestimmte Medikamente, vor allem die sehr weit verbreiteten Protonenpumpenhemmer zu einer Veränderung des sauren Milieus im Magen und zu einer verminderten Aufnahme von Vitamin B12 beitragen.
Vitamin B12 spielt im Stoffwechsel des Menschen eine wichtige Rolle und ist ein essenzieller Co-Faktor bei der Methylierung, der Zellteilung sowie Reifung und Regeneration von Nervenzellen. Zusammen mit Folsäure ist es ein wichtiger Co-Faktor im Homocystein-Stoffwechsel. Bei funktionellen Vitamin-B12-Mangelzuständen kommt es zu einem Anstieg der Substrate Methylmalonsäure und Homocystein im Blut.
Der Nachweis eines Vitamin-B12-Mangels gelingt über die Bestimmung des Vitamins in einer Blutuntersuchung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Entwicklung eines Vitamin-B12-Mangels sehr langsam über viele Monate oder gar Jahre erfolgt, bevor die Entleerung der Speicher in der Leber so weit fortgeschritten ist, dass die frei verfügbaren Reserven nicht mehr ausreichen, um die Funktion im Stoffwechsel aufrechtzuerhalten.
Die Symptome eines Mangels sind vielgestaltig. Häufige neurologische Symptome sind sensible Missempfindungen (Kribbeln, Ameisenlaufen oder Taubheit) und sensorische Störungen (Geruchs- oder Geschmacksstörungen, Zungenbrennen). Bei längerer Mangelsituation können motorische und Koordinationsstörungen (z.B. Gangunsicherheit) auftreten. Psychisch kann es zu Einschränkungen der Hirnleistungsfähigkeit, Konzentrationsstörungen und depressiven Symptomen kommen. Die Leberwerte können erhöht sein und es kann sich eine Blutarmut (perniziöse Anämie) mit großen roten Blutkörperchen entwickeln. All diese Symptome müssen nicht zusammen auftreten, sondern können einzeln in Erscheinung treten. Insbesondere die Blutbildveränderungen können bei etwa 50% der Betroffenen mit einem funktionellen Vitamin-B12-Mangel fehlen.
Da sich die Symptome in der Regel langsam schleichend entwickeln und deren Rückbildungsfähigkeit sehr davon abhängig ist, wie lange diese bestehen, ist eine frühzeitige Diagnose des Mangels von großer Wichtigkeit. Neben der Bestimmung des Vitamin-B12-Spiegels empfiehlt sich die ergänzende Untersuchung des Holotranscobalamins (HoloTC), um bei noch normalem Vitamin-B12-Spiegel (Grauzone zwischen 200-400 pmol/l) einen Mangel oder eine negative Vitamin-B12-Bilanz frühzeitig zu erkennen. Das Holotranscobalamin ist der Parameter, der als erster Veränderungen beim Vitamin-B12-Mangel aufweist. Erst im 2. Stadium kommt es zu einem Anstieg der Vitamin-B12-abhängigen Stoffwechselparameter Methylmalonsäure und Homocystein (funktioneller Vitamin-B12-Mangel). Auch hier kann der Vitamin-B12-Spiegel unter Umständen noch im unteren Normbereich liegen, während im 3. Stadium eine Entleerung der körpereigenen Speicher vorliegt.
Die Therapie des Vitamin-B12-Mangels richtet sich nach der Ursache. Bei einem Tagesbedarf von 2,4 µg Cobalamin für einen normal gesunden Erwachsenen mit ausgewogener Ernährung steigt der Bedarf bei Älteren oder Schwangeren auf ca. 6 µg pro Tag. Bei vegetarischer oder veganer Ernährung sollte eine regelmäßige B12-Supplementation erfolgen. Bei Nachweis einer negativen Vitamin-B12-Bilanz (nur erniedrigtes HoloTC bei normaler Methylmalonsäure und normalem Homocystein) kann insbesondere ohne Nachweis neurologischer Symptome zunächst eine orale Nahrungsergänzung mit einem Vitamin-B12-Präparat in ausreichender Höhe über 1-2 Monate erfolgen. Bei einem funktionellen Mangel, besondere jedoch bei neurologischen Symptomen ist eine parenterale, d.h., Injektionstherapie mit einer raschen Aufdosierung und einer langfristigen Erhaltungstherapie mit Kontrolle der Laborwerte erforderlich.
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