Artikel 23/05/2017

Zahnimplantate: Neue Möglichkeiten dank digitaler 3D-Planung

Dr. med. dent. Denis Novakovic MSc. Zahnarzt
Dr. med. dent. Denis Novakovic MSc.
Zahnarzt
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Implantate haben sich im Laufe der letzten Jahrzehnte zunehmend als Ersatz einzelner oder mehrerer Zähne bewährt. Sie bestehen meistens aus Reintitan oder mittlerweile auch aus Keramik und können wie eine künstliche Wurzel betrachtet werden. Als dentales Implantat betrachtet man nur die im Kiefer integrierte ‘‘Schraube’’. Davon grenzt man die Implantatkronen ab, die nach einer gewissen Abheilung der Implantate mit den künstlichen Wurzeln verschraubt oder verklebt werden. Erst nach diesem Schritt sind die verlorenen Zähne vollständig ersetzt.

In den letzten Jahren kommt in der Zahnmedizin und speziell in der Implantologie ein großer technologischer Fortschritt hinzu. Digitale Hilfsmittel in der Planung und in der klinischen Durchführung setzen sich dabei immer mehr durch. So werden zum Beispiel die Implantate in der zahnärztlichen Chirurgie seit längerem mit Hilfe von Schablonen eingefügt.

Wie funktioniert die moderne Implantologie mittels 3D-Daten und welche Vorteile haben Patienten von dieser Methode?

Digitaler Workflow der chirurgischen Vorplanung


Sobald die Entscheidung zu Gunsten von Implantaten gefallen ist, wird im ersten Schritt eine dreidimensionale Röntgen-Aufnahme von der Kieferregion des Patienten gemacht, in der das Implantat gesetzt werden soll.

Beim 3D-Röntgen kommt der digitale Volumentomograph (DVT) zum Einsatz. Hierbei handelt es sich um ein speziell für den Schädelbereich entwickeltes Röntgengerät, das um den gesamten Kieferbereich herumfährt und sehr viele Einzelaufnahmen anfertigt.

Die besondere Technologie besteht darin, dass die Einzelaufnahmen durch eine Computer-Software zu einem dreidimensionalen Bild der Kiefer errechnet werden kann (Abb.1). Diese hochauflösenden Aufnahmen bieten dem Zahnarzt im Gegensatz zu den bisher bekannten 2D-Aufnahmen deutlich realistischere Befunde in Bezug auf wichtige anatomische Strukturen wie z.B. Knochen, Nervenverläufe und benachbarte Hartgewebsstrukturen.

Neuere Geräte bieten zusätzlich Low-Dose-Modi für geringere Strahlenwerte an. Somit liegen die Bestrahlungswerte für den Patienten deutlich unter dem bekannten CT aus den Kliniken und auf gleicher Stufe mit den zweidimensionalen Bildern der Zahnmedizin.

Der zweite wichtige Baustein ist der Abdruck der zu behandelten Kiefer. Heutzutage wird dies ebenfalls, falls in der Praxis möglich, rein digital erledigt. Besondere Mund-Scanner nehmen dabei hochauflösende Bilder der Zähne und Schleimhaut auf und ersparen dem Patienten die Abdruckmasse im Mund, die oft als unangenehm empfunden wird.

Der Zahntechniker hat nun die Möglichkeit, die zu ersetzenden Zähne digital hinzuzufügen (Abb.2 lila Zähne).

Der nächste Schritt ist das sogenannte Matchen, also Zusammenfügen der digitalen Daten. Hierbei wird das dreidimensionale Kiefermodell, das aus dem 3D-Röntgen gewonnen wurde, in einer Planungssoftware mit dem digitalen Scan der Zähne verschmolzen (Abb.2).

Nun kann der Zahnarzt mit der digitalen Planung der gewünschten Implantatachse und -position beginnen. Alle hierzu benötigten Informationen, wie z.B. das Knochenvolumen, spätere Position der Implantatkrone und benachbarte Strukturen, werden nun im virtuellem Modell aufgezeigt und helfen, eine optimale Implantatausrichtung zu gewährleisten.

Die digitale Darstellung des individuell geplanten Implantates kann auch sehr gut zur Besprechung und Aufklärung genutzt werden. Das hilft dem Patienten, das komplexe Behandlungsprinzip besser zu verstehen und somit alle Fragen vor der Implantation zu klären.

Operativer Ablauf und deren Vorteile für den Patienten


Auf Grundlage der zuvor beschriebenen digitalen Daten wird eine passgenaue Schablone, meist im 3D-Druck, hergestellt. Durch die eingebrachten Hülsen in der Schablone laufen nun die Implantat-Bohrungen exakt geführt (Abb.3). Hierbei wird sowohl die dreidimensionale Achse als auch die Tiefe der Implantatbohrung millimetergenau navigiert. Dazu haben wir in der Praxis Nachuntersuchungen der operativen Genauigkeit durchgeführt. Im Durchschnitt lag die maximale Achsabweichung der tatsächlich implantierten Schrauben zu den virtuell geplanten Positionen bei drei Grad. Man kann hier also von einer sehr exakten Übertragung der virtuellen Achse sprechen.

Es ergeben sich, außer der operativen Genauigkeit, noch weitere Vorteile für den Behandler und seinen Patienten. Auf Grund der anatomischen Strukturen und der bereits ausgerichteten Implantatachse kann der operative Zugang zum Knochen über die Schleimhaut deutlich geringer und kleinflächiger sein. Auch die Operationszeit verkürzt sich dadurch zum Teil erheblich. Der Patient erleidet nach dem Eingriff weniger Schmerzen und Schwellungen und ist somit schneller in den sozialen und beruflichen Alltag integrierbar.

Durch die zuvor ideal ausgerichteten Implantate können später die Kronen sowohl funktionell, also mit idealer Kraftübertragung und Knochenbelastung, als auch ästhetisch hergestellt und integriert werden. Das spiegelt sich in einer langfristig unkomplizierten Versorgung wieder.

Eine gute häusliche Pflege sowie regelmäßige Kontroll- und Prophylaxetermine sind weiterhin streng einzuhalten.

Neue Möglichkeiten bei geringem Knochenangebot


Früher wurde die Implantatposition hauptsächlich vom vorhandenem Knochenvolumen bestimmt. Die Folge waren oft ästhetisch und funktionell fehlplazierte Implantatkronen.

Durch die moderne Vorplanung am PC ist ein sogenanntes Backward-Planning möglich, also eine Rückwärts-Planung. Dies bedeutet, dass die Kronenposition die heutige Implantation bestimmen sollte.

Der Techniker richtet, wie oben beschrieben, die geplanten Kronen virtuell optimal aus. Nun muss der Chirurg in der digitalen Vorplanung beurteilen, ob in dieser Position noch genug Knochenvolumen vorhanden ist. In sehr vielen Fällen ist diese Voraussetzung aufgrund eines vorangeschrittenen Knochenabbaus nicht gegeben.

Folglich muss der behandelnde Zahnarzt das Knochenvolumen vergrößern, um das Implantat in seiner gewünschten Position vollständig von Knochen bedecken zu können.

Bei kleinen Knochendefekten kann das Implantat simultan, das heißt in einer OP, zusammen mit dem Knochenersatz integriert werden. Hier gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die allerdings den Rahmen dieses Artikels sprengen würden und in der Praxis besprochen werden müssen. Wichtig ist, dass alles vorab geplant wird und der Behandler den Patienten über die möglichen Alternativen ideal aufklären kann. Überraschungen in der OP werden somit verringert.

Bei größeren Knochendefekten muss das Knochenlager in einer vorangehenden Operation vermehrt werden. Erst nach einer Einheilungsphase kann dann in einer zweiten Operation das Implantat inseriert werden.

In solchen Fällen wurden früher knocheneigene Blöcke aus verschiedenen Körper-Regionen des Patienten entnommen. Die Knochenstücke wurden dann in der Operation an den bestehenden Knochendefekt angepasst und fixiert. Das hat einen großen Nachteil zur Folge.

Der Patient hat zwei OP-Wunden: zum einen die Entnahmestelle des Knochenblocks, zum anderem die eigentliche Anlagerungsstelle des Knochentransplantates. Folglich führt dies oft zu längeren Ausfallzeiten mit vermehrten Schwellungen und Schmerzen. Diese Methode ist allerdings auch heute noch in Gebrauch und zählt immer noch zum Goldstandard.

Durch die moderne Technologie der 3D-Planung ergeben sich allerdings auch neue Möglichkeiten, die immer mehr an Bedeutung gewinnen. Nicht nur die Implantatachsen können vorgeplant, auch das fehlende Knochenangebot kann ideal am PC begutachtet werden. Somit erlauben moderne Programme virtuell perfekt zum Defekt passende Knochenblöcke zu designen. Diese werden dann nicht aus körpereigenen Regionen gewonnen, sondern stammen aus großen international anerkannten Knochenbanken von Lebendspendern aus der Orthopädie. Bei ihnen wird der Hüftkopf durch ein künstliches Implantat ersetzt und wird nicht mehr benötigt.

Produkte, die am deutschen Markt zugelassen sind, stammen von Gewebespendern, die nach kritischen Standards, die auch bei Blut- und Organspenden angewendet werden, auf Infektionen getestet werden. Zusätzlich werden die Knochengewebe industriell aufwendig aufbereitet, sodass keine ungewollten zellulären Rückstände bestehen bleiben. Sie gelten somit als sehr sicher bezüglich Krankheitsübertragungen.

Der so gelieferte Knochenblock passt nun exakt in den vorhandenen Knochendefekt nach dem “Schlüssel-Schloss-Prinzip“. Eine deutlich verkürzte OP-Zeit ohne negative Überraschungen innerhalb des Eingriffs sind die großen Vorteile. Der Knochenblock wird nun in den nächsten Monaten von den ortständigen Blutgefäßen und Knochenzellen als Leitstruktur genutzt und zu knocheneigenem Gewebe umgewandelt.

Nach einer Wartezeit von ungefähr einem halben Jahr kann dann das Implantat in der gewünschten Position in den neu entstandenen eigenen Knochen inseriert werden.

Fazit

Die moderne digitale Technologie gepaart mit einer gewissen chirurgischen Erfahrung des Praxisteams kann heutzutage zu einer sehr erfolgreichen Symbiose führen.

Die großen Vorteile der virtuellen Vorplanung und deren operativen Umsetzung zeigen sich in folgenden Punkten:

  • Sie ist eine ideale Grundlage, um dem Patienten am Monitor das gewünschte Behandlungsergebnis und die zum Teil komplexen Abläufe im Vorfeld zu veranschaulichen. Somit werden alle Fragen im Vorfeld geklärt.
  • Durch das sogenannte virtuelle Backward-Planning (Rückwärtsplanen) können der Arzt und sein Team alle Behandlungsschritte, beginnend mit der idealen Kronenposition über die Implantatachse, bis hin zum gegebenenfalls notwendigem Knochenaufbau im Voraus planen. Deshalb wird jeder einzelne Therapieschritt nach einem exakten individuellen Konzept durchgeführt. Die Eingriffe erfolgen in einer kürzeren Zeit und mit deutlich weniger Komplikationen auf Grund reduzierter Überraschungen während des Eingriffs. Die Langlebigkeit der Versorgungen steigt.
  • Die kürzere OP-Zeit und die Möglichkeit von minimalinvasiven Eingriffen bedeuten für den Patienten weniger Schmerzen und Schwellungen nach dem Eingriff. Die Folge ist eine schnellere Integration in das Berufsleben und in den sozialen Alltag.

Man muss allerdings auch erwähnen, dass die Behandlungskosten auf Grund der umfangreichen Analysen und der vermehrten Herstellungskosten für den Patienten steigen. Die privaten Versicherungen haben sich mittlerweile auf die neuen Methoden gut eingestellt und übernehmen zum größten Teil die gesteigerten Aufwendungen, da sie wissen, dass sie auch eine höhere Sicherheit und Langlebigkeit liefern.

Da die gesamte Implantologie von den gesetzlichen Krankenkassen nicht bezuschusst wird, sind natürlich die Mehraufwendungen durch die digitale 3D-Planung auch nicht im Leistungskatalog enthalten.

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