Der Begriff des Traumas steht im engen Zusammenhang mit dem Kürzel ‘PTBS’, das für ‘Posttraumatische Belastungsstörung’ steht. PTBS bezeichnet den Zustand einer dauerhaften psychischen Dysfunktion, die meistens auf ein oder mehrere traumatisierende Ereignisse zurückzuführen ist. PTBS ist quasi der verlängerte Arm eines traumatisierenden Geschehens, der den Klienten noch Monate und Jahre später erreichen kann.
Doch zunächst zum Trauma. Der Traumatisierung geht in der Regel ein Erlebnis voraus, das maximale Angst hervorgerufen hat. Es muss sich bei diesem Erlebnis nicht zwangsläufig um ein Einzelereignis, wie z.B. einen sexuellen Übergriff, eine Gewalterfahrung oder Kriegserlebnisse handeln.
Vielmehr kann auch ein ganzer Lebensabschnitt, Kindheitsjahre, eine Beziehung oder ein Arbeitsverhältnis eine traumatisierende Wirkung haben. Es ist vor allem die Unausweichlichkeit der Situation, die das Trauma-Erlebnis kennzeichnet. Der betroffene Mensch erlebt, dass es kein Entweichen und auch keine Abwehr gibt.
Potentiell traumatisierend ist ein Erlebnis dann, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind:
Das einfache Beispiel einer solchen Situation: Stellen Sie sich vor, Sie sind ein durchschnittlich begabter Mathematikschüler und stehen vor der Schulklasse an der Tafel. An dieser Tafel steht eine Ihnen völlig unbekannte mathematische Formel, die der Lehrer hingeschrieben hat. Nun sollen Sie die Aufgabe lösen, damit Sie Ihren Notenschnitt verbessern, vielleicht um den gefährdeten Klassenübertritt noch erreichen.
Manche Ereignisse sind existenziell entscheidender als eine Matheaufgabe und die emotionale Quantität entsprechend größer. Von Unfall- oder Missbrauchsopfern kennen wir die Berichte über Amnesien: Sie haben einen vorübergehenden Gedächtnisverlust, der sich aus den dissoziativen Reaktionen ergeben kann.
Denn wenn das Opfer einer Gewalttat die Situation nicht mehr kontrollieren kann, also keinen Ausweg mehr sieht, kann ein sogenannter dissoziativer Zustand eintreten. Das Bewusstsein löst sich damit vom Ort und Zeitpunkt des Geschehens. Das Opfer nimmt manchmal eine emotionslose Zuschauerrolle ein oder kann sich eben an gar nichts mehr erinnern.
Zu einem späteren Zeitpunkt kann es zu einem „Flashback“ kommen. Sie werden von sogenannten “Triggern“ ausgelöst, also von beliebigen sinnlichen Wahrnehmungen, wie Gerüche, Geräusche, Situationen, Worte oder Gesten. Dabei können mehr oder weniger viele Erinnerungen an das traumatisierende Erlebnis ins Bewusstsein zurückkommen und jetzt bewusst durchlebt werden. Diese Flashbacks können unvermittelt und mit beliebiger Qualität auftreten.
In diesem Fall ist von einer Posttraumatischen Belastungsstörung die Rede. Dabei werden die ursprünglichen Geschehnisse bewusst wieder durchlebt. Meist ist es aber nur die eigene Hilflosigkeit, die wieder erfahren wird. Die Gefahr liegt hier in der Re-Traumatisierung. Zum Glück sind die katharsischen Therapieverfahren im Zusammenhang mit Traumatisierungen aus der Mode gekommen.
Eine gute und wirkungsvolle Psychotherapie muss den Klienten an dieser Stelle ermächtigen, sich nachträglich selbst gegen die erlebte Bedrohung stellen zu können. In welcher Form dies möglich ist, lässt sich nie verallgemeinern. Ein „Rachefeldzug“ nach dem Prinzip „Auge um Auge“ kann jedoch niemals die Lösung einer Traumatisierung sein.
Von den vielen Therapieansätzen scheint die Körperbasierte Traumatherapie die effektivste zu sein. Denn ein Trauma-Erlebnis betrifft uns v.a. auf der Ebene des Stammhirns und der Körperfunktionen. Dafür sprechen die dissoziativen Zustände und Amnesien genauso wie häufig auftretende Stress-Symptome wie körperliches Erstarren, Einnässen, Herzrasen und Schweißausbrüche.
Körperbasierte Traumatherapie stellt einen abgesicherten Rahmen zur Verfügung, in dem der Körper der Klienten die notwendige Fähigkeit zur autonomen Bewegung zurückgewinnt. Dadurch ermächtigt sich der Patient wieder seines Körpers, um im Gegensatz zur ursprünglichen Trauma-Situation adäquat auf die Übermächtigkeit des Geschehens reagieren zu können. Diese Selbstermächtigung bezieht sich stets auf die subjektive Selbstwahrnehmung.
Würde der Erfolg einer Traumatherapie vom Täter-Opfer-Dialog abhängig sein, z.B. in Form einer Wiedergutmachung, bliebe er in den meisten Fällen aus. Denn wer sollte beispielsweise unmittelbar für eine Naturkatastrophe verantwortlich gemacht werden können? Der Betroffene wäre also gezwungen, zeitlebens in der Traumatisierung zu verweilen.
Es braucht also eine Möglichkeit, das traumakritische Erlebnis zu erweitern, was so viel bedeutet wie: Der Klient integriert das ursprünglich traumatisierende Erlebnis in die eigene Lebenswirklichkeit. Er lernt, mit dem Erlebten zu leben, ohne retraumatisiert oder mit ständigen Flashbacks überfordert zu werden. So lernt er, mit den schlimmen Erlebnissen umzugehen.
Die körperorientierte Traumatherapie arbeitet mit Techniken der Körpertherapie an der muskulären Folgen der Traumareaktion, zum Beispiel, wenn der Körper wegen einer Traumaerfahrung erstarrt. Diese Immobilität kann sich im Übrigen sowohl auf Teile des Körpers als auch auf den ganzen Körper erstrecken. Dass sie dem Klienten oft nicht einmal mehr selbst bewusst ist, zeigt deutlich auf, wie nachhaltig sich die Traumareaktion in die Persönlichkeit einnisten kann.
In der therapeutischen Praxis zeigt sich, dass die Kategorie der traumatisierenden Erlebnisse nicht mehr auf körperliche oder sexuelle Gewalt, Kriegserlebnisse oder Naturkatastrophen begrenzt werden kann. So kann zum Beispiel bei Depression häufig eine traumatisierende Vorgeschichte ausgemacht werden. Dementsprechend hat die Behandlung von Depressionen unter dem Gesichtspunkt der Traumatisierung schon viele Erfolge gebracht.
Die spezialisierte Behandlung traumatisierter Menschen erfährt immer mehr Nachfrage und Akzeptanz. Zum großen Glück für die Betroffenen wird nicht mehr erwartet, dass die Zeit diese Wunden heilen lässt. Denn das tut sie nicht – selbst, wenn der Wunsch nach Vergessen und Verdrängen noch so groß ist.
Ich erlebe immer wieder, dass die Scham der Menschen, als schwach und zu wenig widerstandsfähig abgestempelt zu werden, die größte Hürde ist, das Trauma aufzulösen.
Deshalb möchte ich jenen Menschen, die Schlimmes erlebt haben, gute therapeutische Hilfe eines Spezialisten dringend ans Herz legen. Bitte achten Sie darauf, dass Sie die für Sie notwendige Aufmerksamkeit und Einfühlung bekommen, die es Ihnen möglichst leicht macht, über Ihre Not zu sprechen. Denn schon darüber sprechen hilft.
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