Artikel 02/07/2020

Welche Risiken drohen nach einer Covid-19-Erkrankung?

Dr. med. Sebastian Hellmann Internist, Pneumologe, Allergologe
Dr. med. Sebastian Hellmann
Internist, Pneumologe, Allergologe
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Geht es um das Corona-Virus SARS-CoV-2, stehen meist die Zahlen der Neuinfektionen und der Todesfälle im Fokus. Mindestens genauso interessant ist dabei jedoch, wie viele Menschen die Krankheit Covid-19 inzwischen überstanden haben: In Deutschland sind 167.743 Genesungen registriert (Quelle: Johns Hopkins University; Stand: 4. Juni 2020).

Die Dunkelziffer dürfte deutlich darüber liegen, da eine Infektion mit SARS-CoV-2 in rund 80 Prozent der Fälle mild und ohne Komplikationen verläuft. Infizierte leiden dann unter gar keinen oder nur schwach ausgeprägten Krankheitszeichen – daher bemerken viele Betroffene die Krankheit gar nicht.

Es gibt zurzeit noch keine Erkenntnisse darüber, ob sie dadurch möglicherweise ein Risiko für Folgeerkrankungen haben. Mediziner erwarten jedoch, dass im Falle einer weitgehend komplikationsfreien Covid-19-Erkrankung Folgeschäden ausbleiben.

Gefahr nach schwerem Krankheitsverlauf

Doch bei ungefähr 14 Prozent der Covid-19-Patienten kommt es zu einer schweren Erkrankung, die im Ernstfall intensivmedizinisch behandelt werden muss. Betroffene leiden nach überstandenen Krankheitsstrapazen oft unter erheblich eingeschränkter Leistungsfähigkeit. Die lange Bettlägerigkeit schwächt die Muskulatur. Da das auch die Muskeln betrifft, die die Atmung unterstützen, ist auch die Lungenfunktion eingeschränkt.

Nicht selten treten auch psychische Beeinträchtigungen auf. Manche der Patienten haben nach ihrer Erkrankung noch Angstzuständedepressive Episoden und leiden auch nach längerer Zeit unter einem geschwächten Allgemeinzustand. Betroffenen wird ein achtsamer Umgang mit sich selbst empfohlen sowie sich in der Zeit der Krankheit zu schonen.

Mögliche schwelende Entzündungen

Sinnvoll sei, den Genesungsprozess ärztlich begleiten und dabei vor allem die Lungenfunktion beobachten zu lassen. Auch wenn die Akutsymptome von Covid-19, wie Fieber, Gliederschmerzen und Husten, verschwunden sind und der Virustest negativ ist, kann die Lunge noch längere Zeit geschwächt sein.

Entzündungen in der Lunge durch SARS-CoV-2 betreffen nicht nur die Bronchien, sondern auch das Stützgewebe. Eine gesunde Lunge ist dehnbar und elastisch. Durch die Entzündungsprozesse wird das Gewebe jedoch fest wie ein Panzer. Das sei im CT (Computertomographie) als „wollige Struktur“ gut zu erkennen. Die Lunge ist ein langsames Organ. Sie braucht Zeit, um zu heilen. Wie ein „schwelender Waldbrand“ könnten Betroffenen noch Wochen nach der Genesung von Covid-19 Entzündungen Beschwerden bereiten.

Wer Symptome wie Lungengeräusche und Kurzatmigkeit bemerkt oder sich einfach nur oft schlapp fühlt, sollte besser frühzeitig den Arzt aufsuchen. Zum einen ist die Lunge in diesem Zustand extrem anfällig für Infekte. Es gilt jedoch vor allem, einen chronischen Verlauf zu vermeiden, denn es gibt noch kein Medikament gegen Covid-19.

Aber die Folgen können wir mit verschiedenen Therapien gut in Schach halten. Neben Kortison als Stoßtherapie und Inhalationen werden auch Infusionen, etwa mit Mineralstoffen und hochdosiertem Vitamin C, empfohlen, um Selbstheilungsprozesse zu unterstützen.

Reha für chronisch Kranke

Drohen nach einem ernsteren Covid-19-Verlauf immer irreversible Einschränkungen? Darüber sind sich Experten noch nicht einig. Zum jetzigen Zeitpunkt können noch keine sicheren Aussagen zu Langzeitfolgen einer überstandenen Erkrankung getroffen werden.

Doch es wird vermutet, dass Menschen, die an zusätzlichen chronischen Grunderkrankungen leiden (wie Diabetes, Adipositas oder Bluthochdruck), besonders gefährdet sind, nicht nur schwerer an Covid-19 zu erkranken, sondern auch Folgeschäden zu erleiden. Für diese Betroffenen könnte eine professionelle Weiterbehandlung im Rahmen einer Rehabilitation eine Chance darstellen, nach Covid-19 wieder besser auf die Beine zu kommen.

Bei einer spezialisierten Reha liege der Fokus neben physio- und sporttherapeutischen Behandlungen auf der Therapie der pneumologischen und kardiologischen Funktionseinschränkungen. Sprechen Sie Ihren Hausarzt auf diese Möglichkeit an, wenn Sie an einer Grunderkrankung leiden und zusätzlich an Covid-19 erkrankt waren.

Wenn die Lunge geschädigt ist

Eine der gefürchteten Krankheitsfolgen von Covid-19 ist die sogenannte Fibrose. Dabei handelt es sich um Veränderungen im Lungengewebe. Sie können so gravierend sein, dass Sauerstoff nicht mehr ausreichend in das Blut transportiert werden kann. Patienten benötigen dann auch nach der Entlassung aus der Akutklinik weiterhin Sauerstoffgaben.

Um die weitere Genesung zu unterstützen und eine Wiedereingliederung in den normalen Lebensalltag zu ermöglichen, sind individuelle Therapieangebote nötig.

Der Post-Covid-Verlauf kann nach aktuellem Wissen günstig beeinflusst werden. So lernen Patienten in einer Atemphysiotherapie etwa spezielle Atemtechniken, um ihre Luftnot besser zu bewältigen. Darüber hinaus stärken sanftes Kraft- und Ausdauertraining die Lungentätigkeit sowie das Herzkreislaufsystem. Da Atemnot extrem beängstigend sein kann, wird Betroffenen empfohlen, auch bei seelischen Problemen Hilfe anzunehmen.

Riskante Folgen nach Beatmung

Bei aller Unsicherheit, die noch um viele Aspekte der jungen Krankheit Covid-19 herrscht, sind sich Experten in einer Sache bereits sicher: Patienten, die wegen eines besonders bedrohlichen Krankheitsverlaufs beatmet wurden, haben ein deutlich erhöhtes Risiko für Folgeschäden an der Lunge.

Die Maßnahme, die Leben retten kann, birgt für das Atmungsorgan gleichzeitig eine große Gefahr. Anders als beim spontanen Atmungsprozess, bei dem sich die Lunge durch Unterdruck mit Luft füllt, wird bei der Beatmung über einen Tubus Sauerstoff in die Lunge gepumpt. Durch den dazu nötigen hohen Druck könnte das Organ beschädigt werden. Solche Beatmungsschäden wären nur schwer zu behandeln. Betroffene leiden dann meist dauerhaft unter den Folgen.

Nicht nur die Lunge leidet

Die Erfahrung zeigt jedoch auch einen Lichtblick: Bei Patienten, die ohne oder mit einer Maskenbeatmung zurechtkamen, erholte sich die Lunge wieder vollständig von der Infektion.

Es ist unwahrscheinlich, dass Covid-19 zu einer chronischen Beeinträchtigung der Lunge führt. Dennoch wird Genesenen empfohlen, für Alarmsignale des Körpers aufmerksam zu sein. Es hat sich gezeigt, dass SARS-CoV-2 nicht nur die Lunge befüllt, sondern den ganzen Körper mit allen Organen.

Als Folge kann es zu Thrombosen, Schlaganfällen und Herzerkrankungen kommen. Covid-19-Patienten könnten möglicherweise auch Leber- und Nervenschäden davontragen. Wir wissen noch nichts darüber, inwieweit das Gehirn betroffen ist. Gesundeten Patienten wird empfohlen, ihrem Hausarzt von verdächtigen Symptomen zu berichten.

Dazu gehöre alles, was irgendwie anders ist: neben Atemgeräuschen oder Luftnot auch schlechte allgemeine Belastbarkeit oder untypische Erscheinungen wie taube Fingerspitzen. Auf diese Weise lernen wir lernen jeden Tag Neues über die Krankheit dazu.

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