‘Jährlich stürzt ein Jumbojet in die Alster (bildlich gesprochen) & niemand regt sich auf.’
Interview mit PD Dr. med. Boris Brand zum Thema Darmkrebsvorsorge
Regionalbeauftrager der gemeinnützigen Stiftung Lebensblicke, Mitglied der Steuerungsgruppe Hamburg-gegen-Darmkrebs der Hamburger Gesundheitsbehörde (BSG).
Herr Dr. Brand, die kostenlose Vorsorgedarmspiegelung ab dem 55. Lebensjahr wird allen gesetzlich Krankenversicherten ja schon seit dem Jahr 2002 angeboten. Ist eine Aktion ‘Hamburg gegen Darmkrebs’ denn auch nach fast 10 Jahren Vorsorgedarmspiegelung wirklich immer noch nötig?
Dr. Brand: Das fragen Sie leider 10 Jahre zu früh! Derzeit gehen nur etwa 3% der berechtigten Bundesbürger(innen) pro Jahr zur Vorsorgedarmspiegelung. In den vergangenen Jahren hat also nur ein kleiner Teil der Berechtigten das Vorsorgeangebot angenommen. Von unserem erklärten Ziel, der Halbierung der Darmkrebstoten binnen 5 Jahren, sind wir leider meilenweit entfernt.
Warum nehmen die Bürger und Bürgerinnen nicht teil?
Dr. Brand: Die Bürgerinnen nehmen immerhin noch besser Teil als die Bürger. Die Motivation der Männer ist in allen Bundesländern leider deutlich geringer als die der Frauen. Das ist besonders schade, da in bestimmten Altersgruppen bei Männern deutlich mehr Darmkrebse als bei Frauen entdeckt werden und Männer somit ganz besonders von der Darmkrebsvorsorge profitieren. Übrigens, Studien zufolge wächst das Interesse an Vorsorgemaßnahmen bei Männern leider erst zum Ende ihrer statistischen Lebensspanne - oder danach - deutlich an.
Warum ist das Bewusstsein für Darmkrebs-Vorsorgeuntersuchungen so gering ?
Dr. Brand: Unsere moderne Medizin bietet ein Bündel von effektiven Früherkennungs- und Vorsorgeuntersuchungen, die helfen können, die Gesundheit und eine gute Lebensqualität bis in ein hohes Alter zu erhalten. Das ist den meisten Menschen bekannt, dieses Wissen wird aber nicht in Handlung umgesetzt. Vermutlich liegt es teils am ganz spezifischen Imageproblem mit dem Organ. Im Freundeskreis von der letzten Herzkatheter-Untersuchung zu erzählen garantiert interessierte Zuhörer, auch andere Körperteile eignen sich dank ihres positiven Images, ihrer Gestalt, Funktion oder Akustik zur angeregten Unterhaltung. Nun aber - der Darm?
Warum ist denn die Darmkrebsvorsorge so effektiv?
Dr. Brand: Vorsorge ist immer dann effektiv, wenn - erstens - die Risikogruppe gut definiert werden kann, und – zweitens - wenn effektive Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen zur Verfügung stehen. Bei Menschen ab 50 Jahren finden sich häufig Polypen, aber zunächst noch selten fortgeschrittener Darmkrebs, eine ideale Konstellation. Polypen wachsen in der Regel über viele Jahre und können bei einer Darmspiegelung sicher entfernt werden, bevor ein Krebs ausbricht. Statistisch gesehen tritt bei Hundert Vorsorgespiegelungen einmal ein Darmkrebs auf. Dieser wird dann typischerweise in einem guten Prognose-Stadium erkannt und kann gut behandelt werden. Und noch wichtiger ist, hier wiederhole ich mich, dass bereits die Krebsvorstufen - die Polypen - vorsorglich entfernt werden. Die Untersuchungsmethode der Wahl ist die Vorsorgedarmspiegelung mit dem Endoskop.
Krebse im oberen Verdauungstrakt (z.B.: Magen, Speiseröhre und Bauchspeicheldrüse) treten bei uns im allgemeinen seltener auf, unter bestimmten Bedingungen besteht allerdings ein hohes Krankheitsrisiko, z.B.: bei
Bei erhöhtem Krebsrisiko kann eine regelmässige Vorsorgeuntersuchung dieser Organe sinnvoll sein.
Die Untersuchungsmethode der Wahl ist wiederum eine Spiegelung mit einem Gastroskop. Ob diese Untersuchung für Sie sinnvoll ist bzw. von Ihrer gesetzlichen Krankenkasse getragen wird, muss im Einzelfall mit Ihrem Hausarzt bzw. einem Gastroenterologen Ihrer Wahl besprochen werden. Die gemeinnützige Stiftung Lebensblicke bietet Ihnen einen Risikofragebogen Darmkrebs zur Klärung der Dringlichkeit für die Durchführung einer Vorsorgedarmspiegelung. Dieser Fragebogen wurde von PD Dr. med. Boris Brand im Auftrag der Stiftung Lebensblicke konzipiert.
Verantwortlich für den medizinischen Inhalt des Textes: PD Dr. Brand, Regionalbeauftragter der Stiftung Lebensblicke
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